Eine Kaminfegerin mit grosser Leidenschaft für ihren Beruf
07.01.2025 KrattigenMaëlle Amherd arbeitet bei der Kaminfeger Hauert GmbH in Spiez. Im Sommer hat die Krattigerin ihre Lehre als Kaminfegerin EFZ mit der schweizweit besten Prüfung abgeschlossen. Früher bestand die Aufgabe der «Chemifäger» vor allem darin, Schornsteine von ...
Maëlle Amherd arbeitet bei der Kaminfeger Hauert GmbH in Spiez. Im Sommer hat die Krattigerin ihre Lehre als Kaminfegerin EFZ mit der schweizweit besten Prüfung abgeschlossen. Früher bestand die Aufgabe der «Chemifäger» vor allem darin, Schornsteine von Russansammlungen zu säubern. Im Laufe der Zeit hat sich der Beruf jedoch weiterentwickelt, bis heute spielen aber Prävention und Sicherheit eine grosse Rolle.
MICHAEL SCHINNERLING
Wer hat beim Gedanken an den «Chemifäger» nicht das Bild eines dunkel gekleideten Mannes auf dem Dach im Kopf, ausgestattet mit Eisenkugel und Bürsten? «Nein, auf Dächer gehen wir höchst selten», erklärt Maëlle Amherd. «Unsere Arbeit beinhaltet die Wartung und Überprüfung von Heizungsanlagen. Dabei überprüfen wir auch, ob die vorgeschriebenen Umweltstandards eingehalten werden.» Im Sommer absolvierte die junge Frau ihre Prüfung mit einem Notendurchschnitt von 5,5.
«Morgens um 6.45 Uhr treffen wir uns im Geschäft und trinken einen Kaffee zusammen», beschreibt die 19-Jährige den Start ihres Arbeitstags. «Da wird über Gott und die Welt geredet, und ich bekomme von meinem Chef Björn Hauert meinen Arbeitsplan für den Tag. Danach lade ich alles, was es an Spezialwerkzeug braucht, ein und fahre gegen 7.15 Uhr zum ersten Kunden.»
Am liebsten Ölheizungen
«Eine Ölheizung muss gewartet und gereinigt werden. Dann folgt eine Emissionsmessung und es geht weiter zum nächsten Kunden», erzählt Maëlle weiter.
Unterdessen ist es 9 Uhr und ein schmiedeeiserner Kaminofen wartet auf seine Reinigung. «Den putze ich aber vor Ort, dafür muss ich nicht mehr aufs Dach.» Vor dem Mittag steht dann noch eine Holzheizung auf dem Programm. Es sind die vielen unterschiedlichen Arbeiten, die Maëlle gefallen. «So eine Holzheizung fordert einen konditionell schon, denn es gibt viel auszubauen und zu reinigen.»
Wenn Maëlle nicht so weit von den Firmenstandorten in Uetendorf oder Spiez entfernt ist, fährt sie zum Mittagessen wieder ins Geschäft, sonst isst sie auch mal auswärts. Es kann sein, dass pro Tag nur eine Grossanlage gewartet werden muss – oder auch einmal sieben bis acht Anlagen. «Am liebsten habe ich Ölheizungen, die sind sehr gäbig zu reinigen», so Maëlle.
Neben all den Arbeiten hat sie auch eine beratende Funktion. «Wir informieren über Brandschutz, Energieeffizienz, über die Sicherheit von Heizsystemen und noch vieles mehr.»
Die Idee kam von der Mutter
Kaminfegerin zu lernen, war nicht der erste Berufswunsch von Maëlle. Ihren jetzigen Traumberuf hat sie über einen kleinen Umweg gefunden. «Meine Mutter fand, dass dieser Beruf gut zu mir passen würde. Und ich dachte erst: Nein, sicher nicht!», blickt Maëlle zurück. Trotzdem ging sie dann zweimal schnuppern – und fand grossen Gefallen an der Arbeit. «Bei der Kaminfeger Hauert GmbH gefiel es mir auf Anhieb. Ich hatte alles, was ich mir für meinen Beruf wünschte: viel Kundenkontakt, immer neue Herausforderungen, gute Arbeitszeiten und es kam keine Langeweile auf. Und das Duschen geht auf Arbeitszeit», schmunzelt die Krattigerin. Dass sie viel alleine unterwegs ist, stört sie überhaupt nicht, denn sie ist gut ausgelastet. «Es steht immer einiges auf dem Programm und die Arbeit verlangt höchste Aufmerksamkeit», sagt sie, «Und wenn es passt, kann ich ja mit den Kunden reden.»
Die Geburt des Schornsteinfegerhandwerks
Vor einigen Jahrhunderten prägten kleine Holzhütten mit Schiefer- oder Strohdächern das Landschaftsbild. In den Städten standen dicht aneinandergebaute Häuser mit viel Holz drum herum. Auch die Schornsteine waren früher häufig aus Holz und somit leicht entflammbar. Spätestens, wenn im Schornstein bei der Verbrennung grössere Mengen Teer entstanden (etwa durch feuchtes, harziges Holz und falsches Heizen), war die Feuergefahr akut. Immer wieder kam es deshalb zu tragischen Bränden, sowohl in den Dörfern als auch in den Städten.
Die Kaminfegerkinder
Die ersten Schornsteinfeger in der Schweiz kamen im 16. Jahrhundert aus dem Valle Vigezzo im Piemont, Italien. Diese Kaminfeger waren bekannt dafür, kleine Kinder, sogenannte «Rüsca», in die engen Kamine zu schicken, um dort den Russ zu entfernen. Die Vorteile dieser Reinigung waren offensichtlich und Schornsteinfeger wurden bald in ganz Europa gesucht.
Oft war es Armut, die dazu führte, dass Eltern ihre Kinder den Schornsteinfegern übergaben, in der Hoffnung, dass sie ein ehrbares Handwerk erlernen würden. Diese Kaminfegerkinder arbeiteten oft bis in die frühen Morgenstunden, um den Russ zu entfernen und die Kamine sauber zu halten. Die Feuergefahr wurde dadurch erheblich vermindert. Schornsteinbrände, Funkenflüge und die daraus resultierenden Hausbrände waren nicht mehr in dem Masse zu befürchten, wie dies vorher der Fall gewesen war. Viele Menschenleben wurden dadurch verschont.
Ein Beruf wird staatlich festgeschrieben
Man erkannte den enormen Nutzen und die Notwendigkeit dieser Arbeit, sofern sie regelmässig durchgeführt wurde, und verhalf einem Beruf zur Entstehung. Vielerorts wurden Feuerverordnungen erlassen, in denen man die Reinigung von Kaminen und Feuerstätten festschrieb. Der Beruf des Schornsteinfegers wurde damit quasi staatlich etabliert.
Das Berufsbild wandelte sich ständig, weil sich auch die Heizgewohnheiten, die Ofen-, Feuerungs- und Brennstoffarten den Weiterentwicklungen des Hausbaus und dem damit verbundenen Wärmebedarf anpassten.
Das Schornsteinfegermuseum
Im Valle Vigezzo im Piemont, also dort, wo früher die Schornsteinfeger herkamen, gibt es ein Schornsteinfegermuseum. Dieses Museum, angesiedelt in Santa Maria Maggiore, ist einzigartig und stellt das Handwerk der Schornsteinfeger von seinen Anfängen bis heute dar.
MICHAEL SCHINNERLING
Warum sollen Kaminfeger Glück bringen?
Maëlle Amherd selbst sieht sich nicht unbedingt als Glücksbringerin. Auch besitzt sie weder einen Zylinder noch jene Kleidung, welche die schwarzen Männer auf den Neujahrskärtchen tragen. Trotzdem: Der (Aber-)Glaube, Kaminfeger brächten Glück, hat sich bis heute gehalten. Sein Ursprung führt zurück bis ins Mittelalter. Damals wurde ausschliesslich mit offenen Holzfeuern gekocht und geheizt. Die in den Kaminen abgelagerten Russ- und Pechschichten fingen leicht Feuer. Kaminfeger sorgten für saubere Kamine und trugen somit zu Verhinderung von Bränden bei. Blieb man von einem Brand verschont, durfte man sich glücklich schätzen – und dafür verantwortlich war der Kaminfeger.
KATHARINA WITTWER