GESCHICHTE Die Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde veranstaltet seit Jahren am Samstag nach Auffahrt den «Schweizer Mühlentag». Verschiedene restaurierte Mühlen und Sägereien im ganzen Land können dann jeweils besichtigt werden. Die stillgelegte ...
GESCHICHTE Die Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde veranstaltet seit Jahren am Samstag nach Auffahrt den «Schweizer Mühlentag». Verschiedene restaurierte Mühlen und Sägereien im ganzen Land können dann jeweils besichtigt werden. Die stillgelegte Säge in Kandersteg gehört nicht dazu – die einst wichtige Einrichtung verfällt zu sehends.
KATHARINA WITTWER
Wer die Säge am Sagibach um 1810 bauen liess und wer sie anfänglich betrieb, ist nicht überliefert. 1855 erwarb sie die Bäuert Kandersteg. Möglicherweise konnte kein privater Käufer gefunden werden und die Bäuert wollte den einzigen Sägereibetrieb vor dem Untergang retten. Als Verkäuferin ist eine Barbara Berger geb. Germann, Johannes sel. Ehefrau, verbrieft.
In der Steigerungskaufbeile (= kantonaler Vertrag) von 1878 beurkundete der Amtsnotar den Erwerb «einer Sääge mit Saagestüblein und umliegendem Erdreich …» von Herrn Adolf Reichen, Rudolfs. sel. Gemeinderat im Kandersteg, zum Preis von 1414 Franken (inklusive Steigerungsrappen von 14 Franken). Als Bürgen sind Peter Ogi, Peters sel. Küfer, sowie Fritz Ogi, Peters sel. Herrenführer, eingetragen. Im Vertrag ist ausserdem festgehalten, wann der Zins (5 Prozent) der Restschuld zu begleichen sei und bis wann welches Mass an (Wand-)Läden gesägt sein müsse.
Betrieben wurde die Säge in der Folge von Reichen Adolf, Stoller-Reichen Samuel, Stoller-Schindler Samuel, Stoller Jakob (genannt Stollers Köbi) und bis zur Stilllegung in den 1970er-Jahren von Stoller Arthur.
Zuschlag für «feuergefährliches Gewerbe»
1922 erhöhte die Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern den Versicherungswert von 5000 auf 7900 Franken inklusive «Zuschlag für feuergefährliches Gewerbe». Nachdem Stollers Köbi Ende 1949 die Säge erworben hatte, liess er umgehend einen elektrisch betriebenen Motor einbauen. Daraufhin bezifferte die Versicherung den «Zustandswert» von Gebäude, Innenausstattung und hölzerner Zuleitung (Kännel) auf 12 137 Franken.
Das Wasserrad wurde fortan nur noch für die Seilwinde zum Herausziehen der schweren Holzträmel aus dem Sagibach verwendet. Stollers Köbi war ein begnadeter «Saager». Seine Flecken, Läden, Kanthölzer und Dachlatten waren stets millimetergenau gesägt und dafür von Zimmerleuten und Bauern sehr geschätzt.
Heute als Lager und Werkstatt genutzt
1998 vereinbarte die Gemeinde Kandersteg mit dem damaligen Besitzer vertraglich, dass die Gemeinde den Betrieb und den Unterhalt der Wasserradanlage übernehme. 2009 stufte die kantonale Denkmalpflege die alte Säge als schützenswert ein.
Mittlerweile verfallen Wasserrad, Fassung und Kännel allmählich. Der Sanierungsbedarf ist dem Gemeinderat bekannt und derzeit in Abklärung. Heute erinnert im Inneren nichts mehr an den einstigen Sägereibetrieb. Die eine Hälfte des Gebäudes dient als Lagerraum, im anderen Teil hat ein Gewerbetreibender eine Werkstatt eingerichtet.
Infos zum Schweizer Mühlentag vom 11. Mai 2024 finden Sie unter: muehlenfreunde.ch