Emotionen mit der «Band der Herzen»
23.09.2025 KulturAls sich am Freitagabend die Türen zum Kander-Kultur-Festival öffnen, finden sich rasch die ersten Besucher ein. Viele holen sich an den Foodständen ein leckeres Abendessen und setzen sich in das grosse Festzelt – und warten sehnsüchtig auf Patent Ochsner, ...
Als sich am Freitagabend die Türen zum Kander-Kultur-Festival öffnen, finden sich rasch die ersten Besucher ein. Viele holen sich an den Foodständen ein leckeres Abendessen und setzen sich in das grosse Festzelt – und warten sehnsüchtig auf Patent Ochsner, Bälpmoos, W. Nuss und Scharlachrot.
RAHEL ROESTI
Das Wetter zeigt sich von seiner allerbesten Seite, es ist ein heisser Spätsommerabend. Etwa eine Stunde vor dem lang ersehnten Hauptact treffen dann die grossen Massen ein und das Widi-Areal füllt sich mit den 7000 Zuschauern an diesem ersten Abend des grössten Konzertwochenendes, das der Verein Kander Kultur je veranstaltet hat. Nun wird es auch zunehmend schwierig, noch an ein gutes Abendessen zu kommen, die Schlangen vor den Foodtrucks sind endlos, man wartet über eine Stunde auf Pizza, Chili con Carne, Dumplings und Co.
Ab 18 Uhr treten als erstes Ex-Manu-Chao-Gitarrist Lucky Salvadori aus Argentinien und Tartaglia Aneuro aus Italien gemeinsam auf und hauchen dem Festival mit internationalen Klängen eine ausgelassene Stimmung ein. Das Rahmenprogramm führt anschliessend der aus Frutigen stammende Musiker Trummer weiter. Gemeinsam mit Shirley Grimes, Valeska Steiner und Annina Mossoni bringt er Lieder voller Poesie auf die Bühne.
Spezialgäste aus Aeschiried
Langsam füllt sich der Rasen vor der Bühne, dicht an dicht stehen die Besucher. Organisator Reto Grossen tritt auf die Bühne und kündigt an, dass vor dem Hauptact noch ein «Special Guest» auftreten wird. «Denn wir wollen unsere wunderbaren Berge beschwören.» Auf die Bühne bittet er die Bärgjodler Aeschiried, welche sich unter grossem Applaus aufstellen. Mit zwei heimeligen Stücken holen sie die Zuschauer ab.
Dann ist es so weit. Die neunköpfige Band Patent Ochsner tritt auf die Bühne. «Frutige, mir hei üs wahnsinnig gfröit uf öich. Aber ganz ehrlech, es isch o chli Melancholie mit derbi ...» Es sind am Freitag und Samstag die zwei letzten Konzerte für die Band, bevor sie eine längere Pause einlegt. Bis 2027 soll es keine weiteren Auftritte mehr geben. 74 Konzerte hatte die Band auf dieser Tour gespielt und feiert nun an diesem Wochenende einen würdigen Tourabschluss in Frutigen. «Mir si es Jahr elter worde, füehle üs aber drü Jahr elter», gibt Büne Huber zu bedenken. Patent Ochsner erfreut das Publikum an beiden Abenden mit vielen ihrer Hits wie «Bälpmoos», «W. Nuss» oder «Trybguet».
Kurz nach halb zehn am Freitagabend kommt die Band nach tosendem Applaus für die Zugabe zurück auf die Bühne. Mit einem Glas Rotwein in der Hand gibt Büne Huber erst «Für immer uf di» zum besten und schliesst das Konzert danach mit «Scharlachrot» ab. «Häbe mir Sorg zunenand. Passet uf öich uf u löt nech nüd la gfalle – nie, nie, nie ... Frutige, syt stolz uf öie Bürger, Reto, huere guet gmacht.»
Kander Kultur Backstage
«Dass wir mit der erfolgreichsten Mundartband ever den Tourabschluss in Frutigen zelebrieren dürfen, ist wie ein Ritterschlag. Ein absoluter Meilenstein für Kander Kultur», wie Präsident und Gründer des Vereins, Reto Grossen, vorgängig im Podcast Kander Kultur Backstage, «Heimat, Hits und Herzblut», erzählte.
Er hatte Büne Huber vor Jahren persönlich kennengelernt, als sie im Winter das erste Mal die «Alte Taverne» in Adelboden zum Konzertlokal umfunktioniert hatten. Schätzungsweise an die 30 Konzerte hat Grossen seither mit der Band veranstaltet. Im Jahr 2016 spielten sie zum ersten Mal in Frutigen am Open Air im Freibad-Areal, 2019 ein weiteres Mal. Heuer haben sie auch schon am Seaside in Spiez gespielt und daher habe es erst nicht gut ausgesehen, die Band auch noch nach Frutigen holen zu können. Am Seaside habe es einen riesigen Run auf die Tickets gegeben und es sei sehr schnell ausgebucht gewesen. Das und die Unterstützung von Chrigu Stuber von der Mühle Hunziken hat schliesslich zu den zwei Abschlusskonzerten in Frutigen geführt. «Beim ersten Mal in der Taverne hatten wir noch einen Vertrag, danach nie mehr, man vertraut sich», sagt Grossen nicht ganz ohne Stolz.
Für Reto Grossen ist Patent Ochsner eine «Band der Herzen». Eine Band, die immer die Kunst in den Vordergrund gestellt hat. Es sei nie ums Showbiz gegangen, sondern um die Musik. Das Gesamtkunstwerk Patent Ochsner mit der starken Frontperson Büne Huber, der auch Maler ist und aus dieser Band ein ganzes Kunstprojekt macht. Grossen kennt keine andere Band in der Schweiz, die von Alt bis Jung, von progressiv bis konservativ, Yuppie bis Hippie, links bis rechts eine dermassen grosse Menge verschiedener Leute abholt, die sich damit identifizieren kann. Es ist eine unglaubliche Breite, die diese Band abdeckt.
Organisatorisches Meisterwerk
Zwei ordentliche «Hallenstadion-Shows» mit total 14 000 Gästen nach Frutigen zu bringen, sei eine Riesenmotivation gewesen, für Reto Grossen und sein Team mit über 140 Helfern aber auch eine ganz neue Dimension. Organisatorisch – beispielsweise in Sachen Sicherheit – gebe es unglaublich viel zu berücksichtigen. Es sollte keine Dorf-Chilbi werden, im Zentrum sollten Patent Ochsner und ihre Musik stehen, eine schöne, runde Dynamik mit ruhigem Aufbau und sanftem Abklang. Ab Mitternacht dann langsam in den «Abspann» hinein und um ein Uhr früh den Abschluss finden. Und genau so war es: ein Konzertabend zum Geniessen.
«Kultur hat die grosse Kraft, Menschen wieder zusammenzubringen», sagte Reto Grossen im Podcast. Ein Abend mit 7000 Leuten, die am gleichen Strang ziehen, ohne Konfrontation, so sein Traum für dieses Festival. Mit zwei erfolgreichen Konzertabenden ging dieser Wunsch allemal in Erfüllung.