Er geht mit einem Lachen
31.01.2025 AdelbodenEin Vierteljahrhundert lang hat Markus Hostettler die Geschicke der Bergbahnen Adelboden AG als Direktor gelenkt. Heute ist sein letzter Tag im Büro. Ein Gespräch über Fusionen, Amerikaner und seinen Lieblingslift.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Akten ...
Ein Vierteljahrhundert lang hat Markus Hostettler die Geschicke der Bergbahnen Adelboden AG als Direktor gelenkt. Heute ist sein letzter Tag im Büro. Ein Gespräch über Fusionen, Amerikaner und seinen Lieblingslift.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Akten und die Verantwortung hat Markus Hostettler ruhigen Gewissens an seinen Nachfolger Nicolas Vauclair übergeben. Dieser führt nun in Personalunion die Bergbahnen Adelboden AG (BAAG) sowie die Genossenschaft Lenker Bergbahnen (LBB). Man kennt sich seit Jahren, arbeitet eng zusammen, vertraut sich gegenseitig. Er gehe deshalb nicht – wie oft in solchen Momenten gesagt – «mit einem weinenden und einem lachenden Auge», sondern «einfach mit einem Lachen», sagt der Neu-Pensionär im Gespräch. Es sei alles so, wie es sein müsse.
Markus Hostettler, für einen abtretenden Bergbahndirektor ist der bisherige Winterverlauf wohl eine Art Abschiedsgeschenk?
Das ist so. Wobei der letzte Winter bis Ende Januar ähnlich gut war und dann kippte. Also wollen wir es noch nicht verschreien!
Fangen wir aber vorne an, im Jahr 2000: Erinnern Sie sich an den ersten Arbeitstag als Direktor der Bergbahnen Adelboden AG?
Ja, natürlich. Ich wurde zuhause von meiner Frau und den Kindern mit einem Geschenk ins Büro geschickt: Der alte Rucksack mit Erinnerungen und einer Kinderzeichnung ist mit mir älter geworden und hängt bis heute in meinem Büro. Und zwar bis zur letzten Stunde.
Was waren die ersten Tätigkeiten?
Ich hatte einen kleinen Sekretärinnenschreibtisch und ein Telefon. Alles kam zu mir, und ich machte alles. Ich gab auch Auskunft über Ticketpreise und das Wetter.
Der Direktor stand auch an der Kasse?
Ich habe im Kiosk in der Talstation den «Blick» und Süssigkeiten verkauft, wenn die Verkäuferin wegen Grossandrangs an die Ticketkasse musste. Ich kenne das Unternehmen buchstäblich von Grund auf. Jedoch habe ich nie selbst eine Bahn bedient oder einen Pistenbully gefahren. Da müssen – auch wegen der Verantwortung – de!nitiv die ausgebildeten Fachleute ran.
Die Bergbahnen haben sich stark verändert. Adelboden-Lenk wurde 2022 bezüglich Gästezahlen hinter Zermatt und Arosa-Lenzerheide zum drittgrössten Wintersportgebiet. Wie haben Sie das geschafft?
Ich führe das auf die gute Erschliessung, die Schneesicherheit durch die modernen Beschneiungsanlagen, die mehrfach für ihre Qualität prämierten Pisten und nicht zuletzt die Freundlichkeit unserer Mitarbeitenden zurück. Dazu braucht es zufriedene Angestellte, das kann man nicht befehlen. Das Engagement der Mitarbeitenden hat sich auch in diversen Auszeichnungen niedergeschlagen. Insbesondere bei der Qualität der Pisten wurden wir mehrfach mit europaweit vergebenen Preisen geehrt.
Gegen anfänglichen Widerstand wurden mehrere Zusammenschlüsse durchgeführt – die heutige BAAG entstand. Die Fusion mit den Lenkern ging zwar bachab, aber heute besteht eine sehr enge Zusammenarbeit via gemeinsame Tochtergesellschaft. Folgen weitere Zusammenschlüsse?
Denkbar ist sicher vieles. Im Moment ist aber nichts weiter geplant, sind wir doch bei der für den ganzen Betrieb zuständigen Bergbahnen Adelboden-Lenk (BAL) AG selber in der Konsolidierungsphase.
Aktuell ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit, die eine neue Seilbahnverbindung ins Wallis, nach Crans-Montana, beinhaltet. Wie schätzen Sie den Bedarf und die Erfolgsaussichten ein?
Die Beurteilung der Notwendigkeit und der Erfolgschancen überlasse ich den heute Verantwortlichen. Ich !nde es aber toll, hat unsere Führungscrew Visionen und neue Ideen. Dazu zähle ich übrigens auch das Bahnprojekt Kandersteg-Elsigenalp. Ob es eine wirtschaftliche Chance hat, kann ich nicht sagen, aber es wird zumindest sauber abgeklärt.
Apropos Grösse: Was verändert der Einstieg der finanzstarken Amerikaner aus dem Vail Resort in die Schweizer Skigebiete wie Andermatt-Sedrun?
Ich nehme an, dass der wirtschaftliche Druck in den Unternehmungen und sicher auch in den Destinationen dadurch steigt. Hoffentlich bringen die Amerikaner dann auch viele amerikanische Gäste mit. Von New York ist die Schweiz ja etwa so rasch zu erreichen wie Los Angeles und kostenmässig kann die Schweiz mit Skiferien in Amerika sicher mithalten. Nicht nur die Walliser, auch Oberländer Bahnunternehmen sind übrigens von den Amerikanern kontaktiert worden. Bei uns war das aber kein Thema.
Wenn wir über andere reden: Welche Seilbahn fasziniert den «Seilbahner des Jahres 2012» am meisten – und wieso?
Wenn ich ehrlich bin, gefallen mir die kleinen Voralpenskilifte wie zum Beispiel derjenige auf dem Grenchenberg. Ich bin in Grenchen aufgewachsen und habe viel Freizeit an diesem Lift verbracht. Auch heute habe ich noch Kontakt zu den aktuellen Betreibern. Beeindruckend ist für mich der freiwillige, ehrenamtliche Einsatz zur Förderung des Skinachwuchses.
Neben Grösse und Qualität bleiben die Preise eines Tourismusgebiets für die Kunden entscheidend. Nicht zu umgehen ist das Thema Dynamic Pricing. Einige Skistationen krebsen zurück, doch die BAAG bleibt dabei?
Es gibt auch Unternehmen, die dynamische Preise erst einführen. Unsere Erwartungen wurden mit der Einführung sicher übertroffen, sowohl was die Gästezahl als auch den Ertrag angeht. Viele Emotionen wurden natürlich auch im ersten Jahr nach der Einführung durch die Medien geschürt. Aktuell ist das kaum mehr ein Thema, die Gäste haben ihr Kaufverhalten angepasst.
Auch beim System gab es Anpassungen …
Natürlich mussten wir lernen, es gab Fehler. Aber ich denke, dass wir richtig reagiert und mit dem Kids Free-Samstag oder in der Gastronomie insbesondere für Familien tolle Angebote geschaffen haben.
In über 20 Jahren als Chef gab es sicher auch wirtschaftliche Flops?
Selbstverständlich gab es die. Ich denke da vor allem an den Höi-Turm auf Sillerenbühl. Der Kletterturm war de!nitiv nicht der Hit. Um so mehr freut es mich, dass er nun im Frutigresort steht und dort weit besser funktioniert. Auch gab es immer wieder mal kleinere Angebote, die rasch gestartet wurden – und aufgrund von fehlenden Marketingmitteln nicht richtig Erfolg hatten.
Welchen Anteil am Umsatz kann oder muss das Sommergeschäft bei den Adelbodner Bergbahnen angesichts der sich verändernden Umweltbedingungen erreichen? Oder anders gefragt: Das Wintergeschäft bleibt noch lange das Hauptgeschäft?
Die Klimathematik begleitet uns in den strategischen Gremien seit 2005. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung sind sehr professionell an der Planung. Die Strategie und Investitionsplanung stützen sich darauf ab. Aber klar ist, dass der Winter zentral bleiben wird, ein Wanderer oder Biker bringt der Bahn de!nitiv weniger Wertschöpfung als ein Skifahrer. Dennoch haben wir neben dem Ersatz von Bahnen und Liften beispielsweise das Trottiland oder die ersten Mountainbikestrecken realisiert. Es wird auch künftig alle Gäste brauchen.
Die Bergbahnen sind der Motor der Tourismusregion. Wenn Sie bei der BAAG Entscheide treffen, kann das über das Unternehmen hinaus Folgen haben – etwa durch die Anpassung der Betriebszeiten oder einer Marketingstrategie …
Dessen musste ich mir anfänglich auch bewusst werden, manchmal habe ich über die Auswirkungen gestaunt. Deshalb war der Einsatz in diversen Gremien wichtig und verschaffte mir einen wichtigen Blick über die Grenzen der eigenen Firma hinaus.
Eine gewisse Gereiztheit ist bei den Verantwortlichen spürbar, wenn es um das aktuell wichtigste Bahnprojekt in Adelboden geht: den Ersatz der Sillerenbahn. Die Planung für die Direttissima startete 2017 und zieht sich ewig hin. Ein Wermutstropfen für den Bergbahndirektor Hostettler?
Sicher. Wir alle wollen die Umwelt schonen. Für den Tourismus ist die Natur das wichtigste Gut. Ich !nde es deshalb mehr als legitim, dass wir Gesetze und Bewilligungen zur Umsetzung von Bauvorhaben haben. Was aber in den letzten Jahren in der Raumplanung – vorab im kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung – abgeht, ist wirtschaftsschädigend und kann nicht dem Volkswillen entsprechen. Es wird fast unmöglich, ein Projekt zeitnah und !nanziell noch tragbar umzusetzen, selbst wenn es die breite Unterstützung der Bevölkerung hat.
Haben Sie eine Lösung dafür?
Vielleicht sollte man zumindest mal für jede neue Vorschrift eines oder zwei bestehende Gesetze abschaffen müssen.
Sie sind jetzt 65 Jahre alt. Wann werden Sie an der Eröffnung der neuen Sillerenbahn teilnehmen können?
Da lasse ich mich nach meinen Erfahrungen nicht mehr auf die Äste hinaus. Das werde ich dann wohl aus den Medien erfahren (lacht).
ZUR PERSON
Markus Hostettler ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er ist gelernter Mikro-Ingenieur (Robotik) und kam im Jahr 2000 von der Frutiger Wandfluh AG zur Bergbahnen Adelboden AG. Ab 2023 war er stellvertretender CEO und Leiter Zentrale Dienste der neu gegründeten Bergbahnen Adelboden-Lenk AG (BAL), die das operative Geschäft des Ski- und Bikegebiets Adelboden-Lenk führt. Zwischenzeitlich hat Hostettler auch funktionsbedingt in vielen Gremien mitgewirkt: Ski-Weltcup, TALK, Volkswirtschaft Berner Oberland oder Berner Bergbahnen. 2012 wurde er zum «Seilbahner des Jahres» gekürt. HSF
Die BAAG in den letzten 20 Jahren
In der Zeit oder unter der Leitung von Markus Hostettler haben die Adelbodner Bergbahnen (BAAG) etliche Meilensteine gesetzt:
• Zusammenschluss der Bahngesellschaften Hahnenmoos, Chuenisbärgli und Silleren
• neue Sesselbahn Chuenisbärgli im 2005 und damit der Erhalt der Ski-Weltcuprennen
• neue Sesselbahn Lavey im 2007
• Gründung und Einführung des Infoteams im 2008
• Eröffnung neue Kombibahn Hahnenmoos im 2013
• Eröffnung neue Sesselbahn Höchst im 2015 • Lancierung des Projekts Direttissima (Ersatz Sillerenbahn) im 2017
• Ausbau und Erneuerung der Beschneiungsanlage gemeinsam mit den Lenker Bergbahnen (LB) 2018- 2020
• Einführung der Marke Vogellisiberg im 2019
• Eröffnung des ersten Mountainbike-Trails im Gebiet Adelboden-Lenk im 2022
• Gründung der Bergbahnen Adelboden-Lenk AG (Betriebsgesellschaft der BAAG und der LB) im 2023.
PRESSEDIENST BAAG / HSF