Es begann in einer Stube
20.09.2022 FrutigenVor 100 Jahren entstand die Pfingstmission (Pfimi) Frutigen. Was einst bescheiden begann, ist heute eine bedeutende Institution mit zahlreichen Arbeitszweigen.
MARCEL MARMET / LUKAS ZAUGG
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte das Frutigland verschiedene ...
Vor 100 Jahren entstand die Pfingstmission (Pfimi) Frutigen. Was einst bescheiden begann, ist heute eine bedeutende Institution mit zahlreichen Arbeitszweigen.
MARCEL MARMET / LUKAS ZAUGG
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte das Frutigland verschiedene freikirchliche Aufbrüche durch die Evangelische Gesellschaft (heute Evangelisch-methodistische Kirche EMK), die Heilsarmee und den Evangelischen Brüderverein (heute Gemeinde für Christus GfC). 1921 kam Smith Wigglesworth, ein Evangelist und Prediger aus England, nach Frutigen. Nach starken Erlebnissen mit dem Heiligen Geist verkündete er, dass die biblische Apostelgeschichte nicht abgeschlossen sei; Gott würde heute genauso wirken.
Die Versammlungen jener Zeit fanden im alten Bahnhofssaal statt, und die zahlreichen Zuhörer erlebten dabei ganz stark und auf besondere Weise die Gegenwart Gottes, manche erfuhren Heilungen. Als der englische Prediger weiterreiste, traf sich eine kleinere Gruppe weiter zu Bibellesen und Gebet. Aus diesen Stubenversammlungen entstand 1922 im Heim von Gottfried Germann «an der Leischen» in Frutigen eine kleine Pfingstgemeinde.
Immer wieder zu wenig Platz
Schon bald reichte der Platz in Germanns Heim nicht mehr aus. 1923 baute Fritz Trummer einen kleinen Saal, in dem sich die Gläubigen fortan versammeln konnten. Sie erlebten einen geistlichen Aufbruch und die Kraft des Heiligen Geistes und erfuhren viele positive Veränderungen in ihrem Leben.
Die Gemeinde wuchs über die Jahrzehnte stetig. Nach einem Vereinslokal am Altenweg wurde schliesslich im Jahr 1963 an der Zeughausstrasse ein neues Gemeindehaus gebaut. In diesem Gebäude waren auch ein Massenlager und eine Gemeinschaftsküche untergebracht, die von Jugend- und Gemeindefreizeiten gerne und oft genutzt wurden.
Dieses Haus bot für längere Zeit genügend Raum, wenn auch zeitweilig aus Platzgründen gleich zwei Sonntagsgottesdienste – einer am Morgen, der andere am Abend – gefeiert wurden.
2006 kam es dann zum Spatenstich für einen noch grösseren und modernen Gemeindesaal, der 2007 festlich eingeweiht wurde. Das alte Gebäude konnte renoviert werden und bietet heute Räume für die Kinder- und Jugendtreffen sowie Büros für die Mitarbeiter.
Vom Laiendienst zum Vollzeit-Gemeindeleiter
Nach der Gründung hatten sich Notar Gottfried Germann und Fritz Trummer die Gemeindeleitung geteilt. Zusammen waren sie ein Team, das sich perfekt ergänzte. Germann war der Organisator, während Trummer seine Begabungen in der Seelsorge hatte. Beide wurden auch von anderen Gemeinden der Schweizerischen Pfingstmission SPM zum Predigen angefragt und durften immer wieder erfahren, wie Menschen unter ihrem Dienst auch körperliche Heilung erlebten. Ebenso dienten in Frutigen Referenten aus anderen Gemeinden.
1966 ging die Gemeindeleitung an Karl Graf über, der 1974 in Vollzeit als Seelsorger der Pfingstgemeinde Frutigen angestellt wurde. Er hielt auch packende Kinderstunden und hatte ausserdem eine starke Gabe zur Krankenheilung. So wurde er immer wieder zu besonderen Anlässen von anderen Gemeinden als Gastreferent eingeladen.
1981 trat Otto Jenzer aus Burgdorf die Nachfolge Karl Grafs an. Seine Vision für eine starke Jugendarbeit zeigte Auswirkungen, sodass die Jugendgruppe zahlenmässig stark wuchs. Unter Jenzers Leitung entstanden die ersten Hauskreise als Ergänzung zum sonntäglichen Gottesdienst.
Gesundheitliche Probleme beendeten Jenzers Dienst, 1996 übernahm Godi Scheuermeier aus Zürich die Gemeindeleitung. Er verstärkte die Ausrichtung der Hauskreise und förderte Leiter für ihren Dienst an den Mitmenschen. Nach Scheuermeiers Pension wurde Lukas Zaugg als Nachfolger eingesetzt, der seit 2015 die Gemeindeleitung innehat.
Eine lebendige Freikirche für alle Generationen
Bis heute versteht sich die Pfimi Frutigen als eine Gruppe von Menschen, die mit Gott unterwegs sind und miteinander Kirche leben. Es verbindet sie die Erwartung, dass Gott den Menschen in seinem Wirken und Reden begegnet. «Wir glauben, dass Gott uns Menschen liebt und dass Jesus Christus uns einen Weg eröffnet hat, Frieden mit Gott zu finden», erklärt Pastor Zaugg. «Diese Hoffnung schöpfen wir aus der Bibel, die wir als Gottes Wort an uns Menschen verstehen.»
Über 100 MitarbeiterInnen engagieren sich ehrenamtlich, um den Bedürfnissen der verschiedenen Generationen, von den Kindern bis zu den Senioren, gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür ist das Kidscamp, eine Kinderwoche in den Frühlingsferien, die auch von Kindern ohne Bezug zur Freikirche besucht wird. Auch das Angebot an Beratung, Seelsorge und Gebet für Menschen in herausfordernden Lebensumständen gehört dazu. Mit dem Frutig-Abendtreff wird viermal im Jahr gar ein unkonventioneller Gottesdienst organisiert, der sich an Menschen richtet, die mit Religion und Kirche nicht viel am Hut haben. Weiter engagiert sich die Pfimi Frutigen auch über die Landesgrenzen hinaus und unterstützt beispielsweise die Familie Nick und Katja Däpp aus Frutigen, die sich bei der Helimission in Madagaskar für Menschen in Not einsetzt.
Ein Geschenk an die Dorfvereine zum 100-jährigen Bestehen
In diesem Jahr durfte die Pfimi Frutigen nun ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Am letzten Wochenende gab es anlässlich dieses Jubiläums verschiedene Festaktivitäten, zu denen auch die lokale Bevölkerung eingeladen war. Mit den verschiedenen Essensständen und den Aktivitäten für Kinder und Junggebliebene kam am Samstag richtiggehend Dorffest-Stimmung auf. Gemeinderat Markus Grossen-Sommer gratulierte im Namen der Behörden und dankte für das Engagement der Pfimi zugunsten der Gesellschaft. In einer Zeitreise wurde am Samstagabend die 100-jährige Geschichte aufgerollt. Besonders eindrücklich waren die Zeitzeugen, die von früher berichteten. Der Festgottesdienst am Sonntag bildete dann den Abschluss der Feierlichkeiten.
«Wir wollten nicht nur für uns feiern, sondern auch dem Dorf etwas zurückgeben!», so Pastor Zaugg. Demnächst würden deshalb die verschiedenen Vereine angeschrieben mit dem Angebot, die Infrastruktur der Pfimi Frutigen kostenlos für ihre Anlässe nutzen zu dürfen. Dafür steht ein mit moderner Eventtechnik ausgestatteter Saal mit bis zu 350 Sitzplätzen zur Verfügung, der eine ideale Bühne für Konzerte, Filmvorführungen oder Vorträge bieten kann.