Es dreht sich alles um Käse

  13.12.2022 Frutigen

Der Käse hat Rudolf Rubin sein Leben lang nicht losgelassen. Er baute Dutzende Käsereien, produziert heute aber nur noch aus Spass einige Spezialitäten. Nun darf er sich Sommelier nennen.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Man schmeckt, ob der Alpkäse von Habkern oder aus dem Kiental stammt. Das Gras ist unterschiedlich und das macht sich deutlich bemerkbar», sagt Rudolf Rubin. Die Fähigkeit, so feine Unterschiede zu erkennen, ist sicher nicht allen Käsegeniessern gegeben. Doch Rubin hat das ganze Leben mit Käse verbracht, als Einjähriger ging er das erste Mal mit auf die Alp. Mit 13 Jahren hat er selbst gekäst und mit 14 holte er sich die erste Alpmulchenprämierung. Quasi gekrönt hat der heute 73-jährige Frutiger seine Lebensgeschichte kürzlich mit der erfolgreichen Prüfung zum Käse-Sommelier.

Zwar wollte er die Sommelier-Prüfung gar nicht machen. «Käse ist ja ein Hobby von mir, eine Auszeichnung bringt mir nichts. Für mich war wichtiger, das Wissen zu erlangen und meine Neugierde zu befriedigen. Doch dann haben sie mich doch überredet», sagt er lachend, schaut dabei auf das Diplom vor ihm auf dem Tisch. Auf die Idee gekommen ist Rubin durch den Erfolgsmusiker Trauffer, der Käse-Sommelier ist und dafür in den Medien gefeiert wurde.

Die Marktnische des Metallbauers
Der Frutiger Rudolf Rubin und der Heimweh-Aeschirieder Johann Wittwer – erfolgreicher Betriebsleiter und Käsermeister bei der Eigermilch AG in Grindelwald – waren in ihrem Kurs die einzigen Berner, die während eines Jahres die jeweils mehrtägigen Blöcke besuchten. Sie staunten nicht schlecht, was sich da für eine Gruppe gefunden hatte: Vom Käsermeister über eine Drogistin bis zur diplomierten Meteorologin reichte die Bandbreite der Berufe.

Rubin selbst ist gelernter Metallbauer. Er spezialisierte sich mit seinem Unternehmen aber früh auf die Herstellung von Käsereien – vom «Chäs-Chessi» aus Kupfer in der Alphütte bis zur modernen Käserei im Inforama Hondrich. Er hat während 42 Jahren in der Schweiz und den umliegenden Ländern Anlagen projektiert und gebaut, diese weiterentwickelt und modernisiert. Auch eine mobile Käserei in einem Lastwagencontainer hat er erfunden. Schliesslich gehörte auch die Inbetriebnahme dazu, was grundlegende Kenntnisse des Käsens voraussetzte.

Quer durch Europa
Er lernte durch die vielen Kontakte nicht nur die Käsesorten, sondern auch den Käsemarkt kennen. «Obwohl die Schweiz nur eine verschwindend kleine Menge der weltweiten Produktion herstellt, sind unsere Produkte durch ihre Qualität weltbekannt. Deshalb dürfen unsere Käse auch etwas mehr kosten», ist er überzeugt. Er macht den Vergleich mit Bayern, wo ebenfalls Emmentaler hergestellt wird. Deren Produktionsmenge ist 94 Prozent grösser als diejenige der Schweiz. «Von bayrischem Emmentaler redet aber niemand. Der grösste Exportmarkt für unseren Schweizer Emmentaler ist neben Italien und den USA übrigens das Land Bayern.»

Dann erzählt Rubin von einer seiner Käsereien in Südengland. Qualität und Preise seien durchaus vergleichbar mit der Schweiz. Doch der Versuch, einen Käser zur Produktion nach Schweizer Art zu motivieren, ging schief. Erfolg hatte er keinen, fand den Markt nicht, sondern arbeitet heute ausschliesslich für die britischen Betriebe einer brasilianischen Hotelkette. «Sein Käse ist heute einfach ein Käse. Mehr nicht», bedauert Rubin.

Die Kuhrasse gehört dazu
Der Frutiger produziert heute hobbymässig beim Sohn seines Bruders in Faltschen in einer kleinen Käserei, was ihm schmeckt und Freude macht. Vor allem mit Weichkäse, Weissschimmelkäse, Ricotta oder italienischer Burrata experimentiert er. Daneben hat er eine Vorliebe für den eingangs erwähnten regionalen Alpkäse, aber «wir haben hier so viele ausgezeichnete Käser, den muss ich nicht selber machen». Bei der Sommelier-Ausbildung und -prüfung war aber vom weitaus ältesten Kursteilnehmer noch weit mehr gefordert. «Alle Käse, auch jene der umliegenden Länder, musst du namentlich kennen oder auch alle Merkmale der 24 Schweizer AOP-Sorten. Dazu gehört auch, aus welcher Region welcher Käse stammt, wie dieser hergestellt wird, welche Mengen produziert werden und am besten auch, von welcher Kuh die Milch stammt», sagt er mit einem Lachen auf den Lippen. Das Wichtigste war aber die Sensorik. Bei der Prüfung erhalten die künftigen Sommeliers ein Stück Käse und müssen eine detaillierte Beschreibung abgeben. Das sei eine grosse Herausforderung.

Der Käse aus dem Berg
Eine seiner speziellen Käse-Erinnerungen ist der Kauf der ehemaligen Munitionsstollen in Kien. Nach dem Verkauf seines Betriebes in Frutigen konnte er dieses Lager erwerben und heute reifen in mehreren der grossen, umfassend umgebauten kühlen Felsenkavernen viele Tausend Käselaibe.

Die heutige Besitzerin Gourmino holt sich regelmässig mit dem Käse aus dem Berg Auszeichnungen, die letzte konnte Urs Leuenberger von der Bergkäserei Vorderfultigen für seinen Gruyère AOP surchoix an den World Cheese Awards 2022 in Wales holen. Neun Monate lagert sein Produkt für die Affinage, also die Veredelung, in Kien. Die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit sind enorm und umso mehr freut sich Rubin heute, dass diese spezielle Lagerung so erfolgreich funktioniert.

Sein Wissen liegt nicht brach
Rudolf Rubin macht ebenfalls noch Beratungen für ein Ingenieurbüro für Klimatechnik für Käsereifungskeller und betreut als technischer Berater einige seiner früheren Kunden. Kürzlich hatte er zudem eine ukrainische Flüchtlingsfrau zu Gast, die in ihrer Heimat als Käserin arbeitete. Diese lernte an mehreren Tagen bei ihm die Grundlagen von Hartkäse, Rubin erweiterte im Gegenzug sein Wissen über «einfache und sehr gute Weichkäse nach ukrainischer Art». Die Ukrainerin führe mittlerweile auch Online-Kurse für ihre in der Heimat zurückgebliebenen Kollegen durch, freut Rudolf Rubin sich.


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