Es geht um die Zukunft des Dorfes
29.08.2023 KrattigenOrtsplanungsrevision tönt nach trockener Materie – was sie weitgehend auch ist. Dennoch will der Gemeinderat diese Chance nutzen und holt von Beginn weg die Bevölkerung ins Boot.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Etwa alle 15 Jahre müssen sich die ...
Ortsplanungsrevision tönt nach trockener Materie – was sie weitgehend auch ist. Dennoch will der Gemeinderat diese Chance nutzen und holt von Beginn weg die Bevölkerung ins Boot.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Etwa alle 15 Jahre müssen sich die Gemeindepolitiker, die lokale Verwaltung und die Fachplaner mit dem Thema Ortsplanungsrevision befassen. Allein schon, um die kommunalen Richtlinien den übergeordneten kantonalen und eidgenössischen Vorgaben anzupassen, die sich in einigen Bereichen fast jährlich verändern, ist das erforderlich. Dies ist aber auch die Gelegenheit, sich intensiver mit der Entwicklung der eigenen Gemeinde zu befassen.
Aktuell startet in Krattigen der Prozess für eine Überarbeitung der Ortsplanung, die jetzige stammt aus dem Jahr 2008. Im Gemeinderat ist dafür Vizepräsident Lukas Bühler zuständig. Der Bautechniker ist motiviert, dieses Werk anzugehen, wie er betont, obwohl er sich bewusst ist, dass dies keine einfache und keine rasch zu erledigende Aufgabe ist.
Grosses Interesse am Mitmachen
Die Gemeinde am Thunersee will die Chance nutzen und hat beschlossen, dass nicht nur Politik und Fachleute, sondern auch die Bevölkerung mitarbeiten kann oder soll, schliesslich gehe es um die Zukunft des Dorfes. Sie hat deshalb den Aufruf gestartet, dass sich interessierte Personen für die entsprechende neu aufgestellte Kommission melden können. «Ich bin sehr erfreut und überrascht, dass sich doch gut ein Dutzend Personen gemeldet haben», sagt Bühler. «Wir haben jetzt vier Leute für die sechsköpfige Kommission bestimmt, welche die Quartiere und deren Anliegen vertreten und auch die unterschiedlichen Generationen abdecken.» Zudem wurde bei der Zusammenstellung darauf geachtet, dass die verschiedenen Interessengruppen von Wohnbevölkerung, Landwirtschaft, Gewerbe und Tourismus vertreten sind. Von Amtes wegen sitzt je ein Vertreter der Bau- und Planungskommission sowie des Gemeinderates in der Spezialkommission.
Die Möglichkeiten sind beschränkt
Und was kommt thematisch auf die Kommission zu? Die aktuellen Schwerpunkte umfassen Anpassungen der lokalen Richtlinien an die verschiedenen Raumplanungsgesetzrevisionen und beispielsweise das Energiegesetz. «Nachdem die Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern heute geregelt ist, kommt jetzt das Thema mit Anlagen an Fassaden. Diese werden das Dorfbild verändern. Wollen wir das und wie weit gehen wir?» Weiteren Klärungsbedarf gibt es gemäss Bühler wie in vielen Gemeinden bei Wohngebäuden in Landwirtschaftszonen und sicher überprüft auf Zweckmässigkeit werde die gemeindespezifische Zone Hang. Darin werden unter anderem die Anzahl Stockwerke bei Gebäuden in Hanglage geregelt.
Natürlich seien der Gemeinde auch Anliegen für Um- respektive Einzonungen bekannt. «Da sind unsere Möglichkeiten aber klein bis null», betont Bühler. Eine grosse Parzelle neben dem Volg ist für die Bebauung frei und die Baubewilligung liege seit Kurzem vor. Weiter seien einzelne über das Dorf verteilte Baulandparzellen vorhanden. «In der Summe haben wir damit genug Baulandreserve. Mit diesen Rahmenbedingungen können wir wohl noch kein neues Bauland einzonen.»
Das Kernstück REK
Spannend könnte für die Kommission das REK sein. Um für künftige Kommissionen die Überlegungen hinter den Entscheiden festzuhalten, wurde ein Regionales Entwicklungskonzept (REK) in Auftrag gegeben. Dies ist das eigentliche Herzstück der Revision, da das Baureglement solche Kommentare nicht zulässt. «Vielleicht sagen unsere Nachfolger einmal, wir hätten falsche Überlegungen gemacht, aber immerhin begründen wir diese für alle nachvollziehbar», meint der Vizepräsident mit einem Schmunzeln.
Im REK werden gestalterische und optische Aspekte aufgenommen, da sich auch die Architektur weiterentwickelt oder neue Materialien zum Einsatz kommen. Die Frage ist, wie das «Krattiger Haus» künftig aussehen soll. Auch die Gestaltung des öffentlichen Raumes gehört dazu, beispielsweise der Dorfplatz. In dieser Phase werde es wohl monatliche Kommissionsitzungen geben und dies sei sicher der intensivste Arbeitsabschnitt.
Spaziergänge durchs Dorf
Aktuell startet die Erkundungsphase, das heisst, dass von den Fachplanern in einer Bestandesanalyse alle Grundlagen zusammengetragen werden. Anschliessend folgt die Konzeptphase, die vor allem für die Kommission interessant und fordernd werde. Bei der Detailarbeit stützt sich die Gemeinde auf ein Planungsteam ab, anders sei es für das Milizgremium des Gemeinderates gar nicht möglich, alle nötigen Aspekte und gesetzlichen Richtlinien zu berücksichtigen. Eingebunden sind die von der Gemeinde als externe Bauverwaltung engagierte Firma, der Ortsplaner, eine Landschaftsarchitektin und ein Architekturbüro, wenn es um bauliche Aspekte des Ortsbildes geht. Zusätzlich ist angedacht, dass in der Konzeptphase beispielsweise von Fachleuten begleitete Führungen organisiert werden, und dabei die Bevölkerung befragt wird, welche Gebäudeformen oder baulichen Details denn im Dorf gefallen oder eben nicht. «Ich hoffe auf lebendige Diskussionen und diese Meinungen können durchaus ins aktualisierte Baureglement einfliessen», betont der Vize-Gemeindepräsent.
2025 als Zielvorgabe
Nach der Vorprüfung durch den Kanton wird schliesslich die Gemeindeversammlung das umfassende Regelwerk absegnen, das mindestens für ein Jahrzehnt Gültigkeit haben und Leitplanken setzen wird. «Die Bewilligung wird idealerweise 2025 passieren. Uns ist aber klar, dass es durchaus ein Jahr länger dauern könnte, insbesondere die Vorprüfungen beim Kanton dauern ihre Zeit», sagt Lukas Bühler realistisch.
Alles kann aber in einer Ortsplanung nicht geregelt werden, dafür werden separate Überbauungsordnungen erstellt – ein Beispiel dafür sind die umfangreichen Pläne des Alters- und Pflegeheims Oertlimatt (der «Frutigländer berichtete). Und fast bedauernd ergänzt er, dass drängende Themen wie die bessere Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr vor allem in Richtung Bödeli nicht allein von der Gemeinde gelöst werden könnten. Diese Erschliessung sei bei der Regionalen Verkehrskonferenz Oberland West angesiedelt und leider nicht Teil der Ortsplanungsrevision.