Gemeindesteuern und Eigenmietwert: Die Sicht der Gemeinden
28.10.2025 PolitikEs scheint noch lange hin bis zur endgültigen Einführung, doch die Ende September vom Stimmvolk beschlossene Abschaffung des Eigenmietwerts wird schon bald erhebliche Konsequenzen auf kantonaler und kommunaler Ebene haben – insbesondere bei den mittelfristigen ...
Es scheint noch lange hin bis zur endgültigen Einführung, doch die Ende September vom Stimmvolk beschlossene Abschaffung des Eigenmietwerts wird schon bald erhebliche Konsequenzen auf kantonaler und kommunaler Ebene haben – insbesondere bei den mittelfristigen Budgetplanungen.
MARTIN NATTERER
Der «Frutigländer» wird das Thema selbstverständlich im Blick behalten und hat bei den Gemeinden im Verbreitungsgebiet nachgefragt, wie die jeweilige Ausgangslage für die anstehenden Umstellungen nach dieser grundlegenden Entscheidung aussieht. Nicht alle Gemeinden konnten oder wollten in kurzer Frist antworten. Doch vier fundierte Stimmen liegen dankenswerterweise vor – aus Adelboden, Kandersteg, Reichenbach und Krattigen.
Ausgangslage
Der «Frutigländer» hatte bereits Anfang September 2025 über die ablehnende Haltung vieler Bergkantone berichtet. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter erklärten damals, sie könnten oder wollten die mit der Verfassungsänderung einhergehenden Möglichkeiten einer erweiterten Objektsteuer nicht oder nur teilweise umsetzen.
Insbesondere bei der Sondersteuer für Zweitwohnungen, so der Tenor, würden sich neue Rechts- und Abgrenzungsfragen stellen. Auch der administrative Aufwand der künftigen steuertechnischen Anpassungen lasse sich noch kaum abschätzen. Zudem befürchte man in einzelnen Kantonen eine Zunahme der Schwarzarbeit.
Der Kanton Bern – der sich nicht ausschliesslich als Bergkanton versteht – hat kürzlich mitgeteilt, dass er in den «nächsten Wochen und Monaten» über die Umsetzung beraten werde. Das Steuerrecht werde in mehreren Bereichen grundlegend verändert. «Dabei wird sicher auch Austausch mit anderen Kantonen und dem Bund nötig», heisst es. Von einem Austausch mit den Berner Gemeinden ist jedoch nicht die Rede. Erkenntnisse und Folgen aus Sicht des Kantons sollen fortlaufend publiziert werden. Eine inhaltliche Tendenz, wohin diese Beratungen führen könnten, ist bislang nicht absehbar.
Die den Gemeinden gestellten Fragen:
• Ist Ihre Gemeinde in diesen Sondierungsprozess eingebunden?
• Wie schätzen Sie die notwendigen Steuerumstellungen ein?
• Welche Rolle spielt das Thema Zweitwohnungen in Ihrem Steuer- und Bewirtschaftungskonzept?
• Sind erste Steuerschätzungen für die Zeit nach der Einführung des neuen Systems bereits möglich?
Stimmen aus den Gemeinden
Reichenbach:
«Da viele Fragen noch offen sind – etwa zur konkreten Ausgestaltung und zu den finanziellen Auswirkungen –, warten wir als Gemeinde derzeit auf weitere kantonale Vorgaben und Klärungen.
Unsere Gemeinde ist aktuell nicht direkt in den kantonalen Sondierungsprozess eingebunden, wird sich aber mit den Ergebnissen und Empfehlungen des Kantons auseinandersetzen, sobald diese vorliegen.
Was die Steuerumstellungen betrifft, gehen wir davon aus, dass sie auf mehreren Ebenen Anpassungen erfordern könnten. Der genaue zeitliche und inhaltliche Rahmen lässt sich derzeit nicht abschätzen.
Das Thema Zweitwohnungen spielt in Reichenbach durchaus eine gewisse Rolle. Es ist jedoch zu früh, um zu beurteilen, welche Bedeutung es im neuen Steuersystem konkret erhalten wird.
Steuerschätzungen oder Prognosen sind momentan nicht möglich, da die kantonalen Grundlagen und Übergangsbestimmungen erst erarbeitet werden.
Selbstverständlich werden wir die Entwicklungen verfolgen und in unsere Finanzplanung aufnehmen, sobald belastbare Informationen vorliegen.»
Adelboden:
«Der Prozess ist derzeit unklar. Seitens des Kantons wurde bisher nicht kommuniziert, wie die betroffenen Gemeinden eingebunden werden. Im Austausch mit anderen Tourismusgemeinden haben wir uns bereits über mögliche Vorgehensweisen ausgetauscht.
Wir werden beim Kanton nachfragen und sind gespannt, wie er vorgehen will. Falls nötig, werden wir mittels politischer Vorstösse aktiv werden.
Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts wird es zu Steuerausfällen kommen, die es gilt, ganz oder teilweise zu kompensieren.
Bei einem Zweitwohnungsanteil von 58,5 Prozent spielt das Thema Zweitwohnungen selbstverständlich eine grosse Rolle. Im Vorfeld der Initiative haben wir erste Schätzungen erstellt. Wir rechnen mit Mindereinnahmen von rund 250 000 bis 300 000 Franken bei der Einkommenssteuer. Das entspricht beinahe einem Steuerzehntel, der bei uns etwa 400 000 Franken beträgt.»
Kandersteg:
Gemeinderatspräsident René Mäder (Die Mitte), gleichzeitig Mitglied des Grossen Rates, hat in Bern eine Motion eingereicht, die dem in Adelboden erwähnten Impuls entspricht. Der Antrag lautet:
«Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer Objektsteuer auf Zweitliegenschaften vorzulegen.»
Die Begründung:
«Mit dem Wegfall des Eigenmietwerts drohen insbesondere in touristisch geprägten Regionen erhebliche Steuerausfälle. Diese Gemeinden sind jedoch auf stabile Einnahmen angewiesen, um ihre Infrastruktur und Dienstleistungen – etwa in den Bereichen Verkehr, Energie, Wasser, Abfallentsorgung, Tourismusförderung oder Raumplanung – finanzieren zu können. Zweitwohnungsbesitzerinnen und -besitzer profitieren von dieser Infrastruktur, leisten aber ohne eine Objektsteuer künftig weniger zur Finanzierung der Gemeindeleistungen. Die Einführung einer kantonalen Objektsteuer auf Zweitliegenschaften ist daher sowohl aus finanzpolitischer als auch aus fairnesspolitischer Sicht angezeigt. Sie gewährleistet, dass jene, die von der Infrastruktur und den Angeboten der Gemeinden profitieren, auch ihren angemessenen Beitrag leisten.Damit der Kanton rechtzeitig reagieren kann, sollte die Gesetzesvorlage so ausgestaltet werden, dass die Objektsteuer spätestens 2028 – zeitgleich mit der Aufhebung des Eigenmietwerts – in Kraft tritt. So können finanzielle Schieflagen in Tourismusgemeinden verhindert werden.»
Krattigen:
Krattigen zählt rund 1130 Einwohnerinnen und Einwohner, weist einen Zweitwohnungsanteil von etwa 16 Prozent auf und ist keine klassische Tourismusdestination. Die Einführung einer Sondersteuer auf Zweitwohnungen sei daher «nicht entscheidend». Eine Einbindung durch den Kanton erwarte man nicht.
Gemeindepräsident Daniel Kummer erklärt: «Wir werden die Abschaffung des Eigenmietwerts sicherlich spüren. In welchem Ausmass, wissen wir noch nicht. Seitens des Kantons wurden erste Angaben zur künftigen Planung in Aussicht gestellt.»
Ausblick
Angesichts der eingereichten Motion von René Mäder und der gleichlautenden Einschätzungen anderer Gemeinden liegt der Ball nun beim Kanton. Das Bedürfnis nach direkter Kommunikation – insbesondere mit den Gemeinden selbst – ist offenkundig.
Die Berner Kantonsverfassung garantiert allen Gemeinden eine bedeutende, wenn auch subsidiäre Autonomie. Sie dürfen aus Gründen ihrer unmittelbaren Betroffenheit nicht übergangen werden. Ein regionaler Konsultationsprozess drängt sich auf.
Mit dem Vorstoss im Grossen Rat ist dieser Prozess nun angestossen – und der «Frutigländer» wird ihn weiterhin eng begleiten.


