Kolumne – SCHRITT FÜR SCHRITT
16.09.2025 Kolumne«Über den Wolken», sang einst Reinhard Mey, «muss die Freiheit wohl grenzenlos sein...» Nun leben wir aber leider nicht über den Wolken sondern unter den Wolken, und dort scheint es sehr wohl Grenzen zu geben. Da gibt es Grenzen in der Erziehung, im Sport, bei ...
«Über den Wolken», sang einst Reinhard Mey, «muss die Freiheit wohl grenzenlos sein...» Nun leben wir aber leider nicht über den Wolken sondern unter den Wolken, und dort scheint es sehr wohl Grenzen zu geben. Da gibt es Grenzen in der Erziehung, im Sport, bei der Arbeit, Grenzen zum Nachbarn, Altersgrenzen, Staatsgrenzen. Oftmals scheinen Grenzen im Allgemeinen einfach akzeptiert zu werden, und manchmal grenzt man sich in seinem Tun und Handeln einfach selber ein.
Grenzen sind der Rand eines physischen Raums und damit eine Trennfläche, meint Wikipedia. Die Definition «Eine Grenze ist eine Stelle, wo etwas aufhört und etwas anderes anfängt» (Klexikon) gefällt mir da schon besser. Doch gibt es diese Grenzen wirklich oder sind sie nur ein gedachter Raum, eine gedachte Fläche oder gar eine Illusion? Oder sind Grenzen nur ein Übergang in etwas Neues, ein Wandel? Was kann passieren wenn Grenzen überschritten werden?
Im Zug von Italien in die Schweiz kontrollieren ein paar bewaffnete Männer die Zug reisenden in Domodossola. Ein neben mir sitzendes australisches Ehepaar zeigt bereitwillig die Dokumente, doch irgendwie scheint der bewaffnete Mann nicht zufrieden zu sein. Er fragt nach einem Visum, das die beiden aber nicht vorweisen können, da sie lediglich Ferien in den Bergen der schönen Schweiz verbringen möchten. Der Mann erklärt ihnen, dass sie illegal in der Schweiz seien und Probleme bekommen würden, würden sie dies nicht sofort nachholen. Die Laune der beiden ist, man kann es ihnen nicht verübeln, im Keller wegen dieser Grenze.
Bei meiner Überquerung zu Fuss über den Alpenhauptkamm laufe ich öfters an der Grenze. Weniger an meiner physischen Grenze, manchmal aber an meiner mentalen Grenze und oft an der Staatsgrenze. Überall stehen grosse Schilder: Achtung Staatsgrenze! Sehen oder spüren tut man davon nichts. Auf der italienischen Seite des Höhenwegs sieht die Landschaft gleich aus wie auf der österreichischen Seite, alles fliesst harmonisch ineinander. Kontrollen gibt es hier nicht. Es kümmert niemanden, ob man jetzt in Österreich, Italien, Deutschland oder sonst wo ist.
Wenn Grenzen also Trennung darstellen sollen, so muss es ohne Grenzen auch Verbindungen geben. Der Rote Weg der Via Alpina verbindet als Fernwanderweg acht Länder miteinander, die gemeinsam den Alpenhauptkamm bilden. Hier ist es möglich, dass ein Ukrainer und ein Russe gemeinsam reisen können. Zu Fuss und ohne ein Visum vorzeigen zu müssen. Und obwohl die Staatsgrenzen mehrmals überschritten werden, sind sie nichts weiter als ein Übergang in eine neue Perspektive mit anderen Menschen und anderen Kulturen. Hier werden Grenzen höchstens verschoben. Wo vorher die Grenze der individuellen Leistungsfähigkeit erreicht zu sein schien, tun sich neue Erkenntnisse auf. Wo man scheinbar an seine mentale Grenze gestossen ist, tritt Ruhe und Entspannung ein. Wo Staatsgrenzen die Menschen zu Feinden machten, entstehen hier wunderbare Freundschaften. Menschen aller Altersgruppen treffen aufeinander, verbinden sich und gehen dann wieder ihren eigenen Weg.
Jeder tut das in seiner für sich begrenzten Zeit oder zeitlos und unbegrenzt. Man schreitet von einer Grenze über die andere und lernt dabei ständig Neues. Dies nenne ich grenzenlose Freiheit!
HELENE OGI
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