Grosser Bahnhof in Frutigen
16.07.2024 KulturNach Jahrzehnten fuhr am späten Samstagnachmittag wieder ein Dampfzug durchs Frutigland. Organisiert hatte die Fahrt von Konolfingen via Thun bis Frutigen der Verein Freilichtspiele Tellenburg zusammen mit der BLS und dem Verein Dampfbahn Bern (DBB).
KATHARINA ...
Nach Jahrzehnten fuhr am späten Samstagnachmittag wieder ein Dampfzug durchs Frutigland. Organisiert hatte die Fahrt von Konolfingen via Thun bis Frutigen der Verein Freilichtspiele Tellenburg zusammen mit der BLS und dem Verein Dampfbahn Bern (DBB).
KATHARINA WITTWER
Die insgesamt 49 Passagiere stiegen entweder am Ausgangsbahnhof oder beim Zwischenhalt in Thun zu, wo Wasser aufgefüllt wurde und das Triebwerk geölt werden musste. «Ich habe die Fahrt meinem Partner zum 30. Geburtstag geschenkt», verriet eine junge Frau. Zusammen mit einem befreundeten Paar waren sie erst vom Engstligtal nach Konolfingen gereist, um von dort aus die entschleunigte Fahrt geniessen zu können. Die erste Flasche Wein war in Thun bereits geleert, sodass der halbstündige Aufenthalt fürs Organisieren von Nachschub genutzt werden konnte. Nach dem Abendessen, das im Arrangement inbegriffen war, und dem Besuch der Freilichtaufführung «Lötschberg – ein Tal im Aufbruch» verzichtete die kleine Reisegruppe auf die Retourfahrt.
Die gut gelaunten Passagiere im nostalgischen Waggon namens «Schmucktruckli» waren aus dem Aargau, dem Baselbiet, dem Gürbetal oder aus dem Raum Burgdorf-Bern angereist. Die meisten haben eine Beziehung zum Frutigland, sind Dampflok-Fans oder interessieren sich für die Geschichte des Tunnelbaus.
Entlang der Strecke waren winkende Fussgänger oder Velofahrer zu beobachten, die von der Attraktion nichts gewusst hatten und vom Auftauchen des Dampfzugs überrascht wurden. Je näher das Ziel rückte, desto mehr Zuschauer standen mit gezückter Kamera an der Strecke. Am Perron in Frutigen bereiteten zahlreiche Theatermitwirkende in ihren Kostümen sowie Funktionäre und weitere Interessierte den Ankömmlingen einen herzlichen Empfang.
«Bähnler» von Beruf und als Hobby
Ist der Dampfkessel kalt, dauert es rund viereinhalb Stunden, bis der Zug fahrbereit ist. Zu den Vorbereitungsarbeiten gehören unter anderem das Auffüllen des Wassers, die Kontrolle sämtlicher Maschinenteile und die Schmierung der Stangenlager. «Den Kessel heizen wir erst mit Holz und später mit Kohle vor, bis das Wasser eine Temperatur von maximal 195 Grad Celsius erreicht hat», erklärte Allrounder Reto Leuenberger. «Das entspricht einem Dampfdruck von 13 bar. Bei voller Leistung muss die brennende Kohle in der Feuerbüchse Temperaturen von bis zu 1500 Grad Celsius entwickeln, um fortlaufend genügend Wasser zu verdampfen.» Leuenberger ist Lokomotivführer von Beruf, genau wie sein heutiger Kollege und der Führergehilfe. «Als Heizer auf dem Dampfzug zu arbeiten, ist mein Hobby», erklärte ein SBB-Mechaniker. Die beiden Kondukteure sind auch in ihrem «echten» Beruf Zugbegleiter.
Nach der Ankunft in Frutigen stellten sie den Dampfzug auf ein Abstellgleis, wo ihn die Rückfahrtschicht übernahm. Zu deren Aufgaben gehörten das erneute Wassernachfüllen, das Schmieren und Kontrollieren und der Unterhalt des Feuers. Ausserdem musste der Waggon gesäubert werden. «Sobald wir wieder in Konolfingen sind – das wird weit nach Mitternacht sein –, übergeben wir den Zug der nächsten Schicht, denn am morgigen Sonntag ist die Komposition im Emmental unterwegs», verriet Leuenberger.
Am Samstag, 3. August, wird der Dampfzug erneut in Frutigen einfahren: Ankunft um 17.39 Uhr. Am Samstag, 27. Juli fährt der «Blaue Pfeil» von Burgdorf via Bern durchs Gürbetal und erreicht Frutigen um 18.33 Uhr.
Infos und Reservation unter www.freilichtspieletellenburg.ch/tickets
https://www.frutiglaender.ch/der-dampfzug-faehrt-nach-frutigen-13.-juli-2024?gallery=1
Die Dampflokomotive Ed 3 / 4
Die Lokomotive Baujahr 1906 gehört dem Verein Dampfbahn Bern DBB. Ursprünglich wurde sie für die Strecke Bern–Schwarzenburg gebaut und konnte auf dieser Verbindung mit 36 Promille Steigung 90 Tonnen ziehen, was fünf bis sechs Waggons entspricht. Die Typenbezeichnung hat folgende Bedeutung:
E = Tenderlok: die Kohle wird in der Lokomotive mitgeführt
d = maximale Geschwindigkeit: 40 bis 50 km/h
3 = 3 Antriebsachsen
4 = die 4. Achse ist eine Laufachse, welche das Kurvenfahren erleichtert
Theoretisch würden für die Fahrt ein Lokführer und ein Heizer reichen. Da die Lokomotive jedoch ohne moderne Zugsicherung unterwegs ist, steht zusätzlich ein Führergehilfe (ebenfalls ausgebildeter Lokführer) im Führerstand. Nach dem Vier-Augen-Prinzip achten die beiden auf die Signale entlang der Strecke.
WI
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