Grüne Wiese statt Gewerbepark
05.07.2024 FrutigenDie Gemeinde will eigentlich wirtschaftsfreundlich sein. Im Rat sitzen allerdings auch mehrere Landwirtschaftvertreter. Dass sich die verschiedenen Interessen nicht immer vereinbaren lassen, zeigt das Beispiel eines grösseren Bauprojekts.
JULIAN ZAHND
Mitten im ...
Die Gemeinde will eigentlich wirtschaftsfreundlich sein. Im Rat sitzen allerdings auch mehrere Landwirtschaftvertreter. Dass sich die verschiedenen Interessen nicht immer vereinbaren lassen, zeigt das Beispiel eines grösseren Bauprojekts.
JULIAN ZAHND
Mitten im Frutiger Gewerbegebiet beim ehemaligen Flugplatz befindet sich eine sogenannte Zoneninsel. Saftiges Kulturland, das Gras wächst hier kniehoch – ein lauschiges Bild allemal. Ob die Fläche derzeit aber optimal genutzt wird, darüber lässt sich zumindest streiten.
Die rund 2700 m2 grosse Wiese zwischen Roll- und Christoph Kunz-Olympiastrasse ist umgeben von Gewerbebetrieben und Wohnhäusern. Die genannte Parzelle ist in Privatbesitz und wird zurzeit an eine Bauernfamilie verpachtet, welche die Fläche landwirtschaftlich nutzt.
Ginge es nach Markus Rupp, würde sich das aber bald ändern. Der Unternehmer führt in Mitholz die Rupp Kälte GmbH. Der Betrieb baut Kühlanlagen und Wärmepumpen, bietet auch Serviceleistungen an. Und er steht in jener belasteten Zone, die von den Arbeiten im Munitionsstollen, beispielsweise von den Staubemissionen, betroffen sein wird.
Überraschender Marschhalt
Bereits vor Jahren machte sich der Kandergrunder auf die Suche nach einem alternativen Standort – und wurde in Frutigen fündig. Unterstützt wurde er dabei auch vom VBS, das bestrebt ist, für Mitholzer Firmen und Haushalte zukunftstaugliche Perspektiven zu schaffen. Weil die neue Parzelle um einiges grösser war als der alte Standort, hatte Rupp auch Grosses vor: Er wollte einen Gewerbepark für bis zu zehn Kleinunternehmen errichten – «30 bis 50 neue Arbeitsplätze», schätzt er. Das Interesse an den Räumlichkeiten sei gross gewesen, die Finanzierung in trockenen Tüchern.
Rupp einigte sich mit dem Grundeigentümer, setzte mit der Gemeinde einen Vertrag auf, erstellte einen Erläuterungsbericht, der zunächst gut ankam: Die Raumplanungskommission winkte das Projekt einstimmig durch. Daraufhin brachte der damals ressortverantwortliche Hans Schmid das Geschäft in den Gemeinderat. Dieser sollte grünes Licht geben für eine Umzonung von der Landwirtschafts- in die Gewerbezone, die beim kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) hätte beantragt werden müssen.
Zu all dem kam es aber nicht. Im Mai entschied sich der neunköpfige Gemeinderat gegen den Gewerbepark. Zwar trat der Rat auf ein Wiedererwägungsgesuch des Antragstellers ein und behandelte das Geschäft letzte Woche erneut. Der Entscheid blieb jedoch derselbe.
Markus Rupp kann die Ablehnung des Projekts nicht nachvollziehen. Der Gewerbepark mit einem Budget von rund sechs Millionen Franken bezeichnet er als «Chance fürs Gewerbe im Dorf. Denn in meinem Alter, ich bin jetzt 58-jährig, baut man auch für die nächsten Generationen.» Die Umzonung ausserhalb einer Ortsplanungsrevision wäre für das AGR nur deshalb infrage gekommen, weil die Situation in Mitholz ein Sonderfall sei. «Das Projekt war bereits weit fortgeschritten», sagt er, «es wäre günstiger Gewerberaum entstanden. Dadurch wären auch die Mietpreise erschwinglich gewesen.»
Ein «demokratischer Entscheid»
Tatsächlich hätte das Projekt sogar dem Grundsatz des «Verdichtens» entsprochen. Weshalb entschied sich der Gemeinderat dennoch dagegen?
Hans Schmid, der mittlerweile nicht mehr im Amt ist, spricht von einem «überraschenden Entscheid», verweist aber für weitere Auskünfte an seinen Ratskollegen Thomas Gyseler.
Man habe sich mit dem Traktandum ausgiebig auseinandergesetzt und danach einen demokratischen Entscheid gefällt, so Vize-Gemeinderatspräsident Gyseler. «In den vergangenen Jahren wurde in Frutigen viel Kulturland in Gewerbeland umgezont. Im vorliegenden Fall hat die Mehrheit des Gemeinderats entschieden, zum jetzigen Zeitpunkt nicht noch mehr Gewerbeland zu schaffen. Die Umzonung wird daher mindestens bis zur nächsten Ortsplanungsrevision verschoben.» Für weitere Auskünfte verweist Gyseler auf eine Medienmitteilung, welche die Gemeinde zu Beginn der nächsten Woche versenden will.
Folgt noch eine Beschwerde?
Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung im Rat lässt sich der Entscheid indes nachvollziehen: Vier der neun Mitglieder haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund, daher war bloss noch eine weitere Stimme nötig, um das Projekt zu bremsen.
Markus Rupp verbleibt nun die Möglichkeit, beim Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde einzureichen. Doch selbst wenn dieser stattgegeben würde: Die Entscheidungskompetenz läge nach wie vor bei der Gemeinde, weshalb sich am jetzigen Beschluss vermutlich nichts mehr ändern würde. Der Unternehmer muss sich daher erneut mit seinen Zukunftsperspektiven auseinandersetzen. Als Möglichkeit nennt er einen kleinen Standort an Rybrügg. Eine Option sei aber auch, den Betrieb ganz aus dem Kandertal wegzuzügeln. Klar ist schon heute: Es eilt. «Spätestens Ende 2026 müssen wir Mitholz verlassen. Das ist mit dem VBS so vereinbart.»