Gute Erinnerungen ans Tessin
29.09.2023 FrutigenBELLINZONA / FRUTIGLAND Vier Volksmusikgruppen aus dem Tal spielten letztes Wochenende am Eidgenössischen Volksmusikfest in Bellinzona auf. Dieser Grossanlass fand erstmals südlich des Gotthards statt. Trotz einiger organisatorischer Hürden im Vorfeld blicken hinterher alle ...
BELLINZONA / FRUTIGLAND Vier Volksmusikgruppen aus dem Tal spielten letztes Wochenende am Eidgenössischen Volksmusikfest in Bellinzona auf. Dieser Grossanlass fand erstmals südlich des Gotthards statt. Trotz einiger organisatorischer Hürden im Vorfeld blicken hinterher alle befragten TeilnehmerInnen auf ein schönes Erlebnis zurück.
KATHARINA WITTWER
Einer der Frutigländer Teilnehmer war Peter Grossen: «Ich nehme an, wir wurden aus verschiedenen Gründen zur SRF-Live-Fernsehsendung ‹Potzmusig› eingeladen: Die Swiss Ländler Gamblers gibt es seit 25 Jahren, wir decken herkunftsmässig drei Landesteile ab (West- und Deutschschweiz sowie das Bündnerland) und wir spielen mit einer vielseitigen Instrumentierung.» Begeistert blickt Grossen aufs eidgenössische Volksmusikfest in Bellinzona zurück. Nebst den Proben am Samstagnachmittag auf der Burg Castel Grande genoss der Frutiger das Wiedersehen mit vielen Musikfreunden aus der ganzen Schweiz. «Es war fast wie eine Klassenzusammenkunft.» Als weitere Höhepunkte nennt er einerseits das Konzert der Swiss Ländler Gamblers auf der Piazza Collegiata sowie das Zusammentreffen mit Pepe Lienhard und Carlo Brunner am Abend im Festzelt. «Ich kenne die zwei Profis schon lange und finde es toll, dass sie sich nicht zu schade sind, an einem Anlass von Hobbymusikanten aufzutreten.»
Die Radios der französischen und italienischen Schweiz (RTS und RSI) produzierten am Sonntagvormittag auf der Piazza del Sole eine (Live-)Sendung. «Ursprünglich fragte uns der Verband Schweizer Volksmusikfreunde (VSV) an, ob wir auch dort mitmachen würden. Da aber einige von uns bereits am frühen Sonntag zurückkehrten, nahm ich stattdessen mit der Gruppe Ländlerkompass teil. In dieser Formation spiele ich mit drei Kameraden aus Grindelwald.»
Schwungvolle, norditalienische Klänge
Auch Kobi Trachsel schwelgt in Erinnerungen. Zusammen mit seiner Frau Eva und mit Hans Wittwer musiziert er seit einem Jahr als Trio Wärocht. Dies ist ein alter Frutigausdruck und bedeutet «währschaft», «knorrig» oder «wehrhaft». Die drei hatten ihre Teilnahme im Frühling mit viel Hin-und-Her-Mailverkehr angemeldet. Auf eigenen Wunsch spielten sie zwei Stücke nach Wahl, um ihr Spiel bewerten zu lassen. «Da wir bereits am Freitag angereist waren, machten wir uns schon mal auf die Suche nach dem Teatro Oratorio, wo die Bewertung am nächsten Tag stattfand – zum Glück, denn dieses Kleintheater zuoberst an einem steilen, schmalen Gässchen ist gut versteckt. Als wir dort spielten, war es im gut gefüllten Zuschauerraum fast so still wie in einer Kirche», so Trachsel. Am Nachmittag spielte das Trio auf der Piazza Nosetto. «Die ‹Sonnenstube der Schweiz› wurde ihrem Ruf am Freitag alles andere als gerecht. Es regnete in Strömen und stürmte zeitweise. Am Samstag hingegen war die Stimmung schlichtweg grossartig», erinnert sich der Musikant. Dazu beigetragen habe zweifellos das fröhliche Gemüt der Tessiner und Norditaliener. «Zu deren leichter und schwungvoller Volksmusik gehört oft auch Gesang. Dieser Klangteppich in den Gassen und den schmucken Innenhöfen bleibt unvergessen.»
Zeitweise gabs kein Durchkommen
«Man hätte auch vor einer Jury auftreten können, ohne einen Bericht zu bekommen. Wir haben uns aber dafür entschieden», erklärt Bernhard Rubin. Der Bassgeiger der Niesenländler nahm erstmals mit Oswald Wäfler, dessen Tochter Fränzi Eckert und mit Peter Theiler an einem eidgenössischen teil. Angemeldet hatten sie sich ebenfalls für einen Auftritt auf einer Freiluftbühne und wurden dafür für zweimal je 45 Minuten eingeteilt: Einmal auf der Piazza Viale und einmal in der Galleria Benedettini. «Spontanes Aufspielen, auch gemeinsam mit anderen Musikanten, war nicht oder kaum möglich. Die Gassen waren am Samstag voller Leute, sodass es zeitweise kaum mehr ein Durchkommen gab. Dazu kam, dass sämtliche Stücke, die man zu spielen gedachte, im Vorfeld wegen der Urheberrechte schriftlich angemeldet werden mussten», so Rubin. Trotzdem blickt er äusserst positiv zurück: «Es war ein wunderbares Fest, das uns in bester Erinnerung bleiben wird. Wegen des weiten Reiseweges sind wir aber am Sonntagmittag abgereist und haben auf den Umzug verzichtet.»
Spontan zum Mitspielen aufgefordert
Ruedi Schmid und das Ländlerquartett Schmid waren ebenfalls mit von der Partie: «Da es uns vor vier Jahren in Crans-Montana dermassen gut gefallen hatte, war für uns klar, dass wir auch an diesem Eidgenössischen Volksmusikfest teilnehmen würden. An solch einem gefälligen Anlass bietet sich die seltene Gelegenheit, andere Formationen zu hören und Gleichgesinnte zu treffen. Das taten wir ausgiebig!» Auch die Frutiger Kapelle spielte vor der Jury und wartet nun auf den Bericht. Am Samstagmittag wäre ein einstündiger Auftritt auf der Piazza Coverno vorgesehen gewesen. Da der Sturm in der vorangegangenen Nacht aber die Bühne komplett zerstört hatte, musste die Gruppe im behelfsmässig aufgespannten Zelt spielen. Zudem war es noch recht kühl. Anschliessend flanierten die vier mit Örgeli und Akkordeon durch die Stadt. Marianne Schmid deponierte ihre Bassgeige im Hotel, denn in den vollen Gassen gab’s kein Durchkommen mit dem grossen Instrument. Vernahmen sie aus einem Restaurant Musik, traten sie ein und wurden stets aufgefordert, mitzuspielen. «Obwohl die Volksmusik im Tessin weniger populär ist als in der Deutschschweiz, hatten sich die Organisatoren Mühe gegeben, ein unvergessliches Fest auf die Beine zu stellen.» Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Anmeldungen waren rasch vergessen und verziehen. «Wir genossen das Fest in vollen Zügen! Ein Wermutstropfen war die Rückfahrt im Stau über Gotthard und Susten.»