«Gutes Standortmarketing wäre ein Fortschritt»
31.10.2025 FrutigenIn zwei Wochen öffnet die Gewerbeausstellung in der Sporthalle Widi ihre Tore. Das Frutig-Gwärb wird sich in seiner Vielfalt präsentieren. Andreas Trachsel, Präsident des Handwerker- und Gewerbevereins Frutigen (HGVF), äussert sich im Interview über den ...
In zwei Wochen öffnet die Gewerbeausstellung in der Sporthalle Widi ihre Tore. Das Frutig-Gwärb wird sich in seiner Vielfalt präsentieren. Andreas Trachsel, Präsident des Handwerker- und Gewerbevereins Frutigen (HGVF), äussert sich im Interview über den Arbeitsmarkt, die Zusammenarbeit und Erwartungen an die lokale Politik.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Nach acht Jahren wird Mitte November wieder eine Gewerbeausstellung durchgeführt. Andreas Trachsel (50) ist Präsident des lokalen Handwerker- und Gewerbevereins mit knapp 190 Mitgliedern. Zudem ist er Mitglied des Organisationskomitees der dreitägigen Ausstellung. Diese ist eine Leistungsschau und bietet Anlass für einen Blick auf die allgemeine Situation des Frutig-Gwärbs.
Andreas Trachsel, der HGVF ist in diesem Jahr 120 Jahre alt und hat aktuell 187 Mitglieder. Ist das Potenzial damit ausgeschöpft?
Andreas Trachsel: Nein, keinesfalls. Ich denke, wenn wir neben den traditionellen Betrieben beispielsweise die Landwirte einbeziehen, die zunehmend auch als Unternehmer agieren müssen, wären theoretisch wohl gegen 300 Mitglieder möglich. Derzeit sind nur zwei Landwirte HGVF-Mitglied.
Die Bandbreite an Unternehmen in Frutigen ist sehr gross, von der Einfraufirma bis zum Industrieunternehmen mit mehreren Hundert Angestellten. Gibt es dennoch Angebote, die Ihnen fehlen?
Wir haben hier Handwerker und Industrie, Detailhandel und Grossverteiler, Landwirtschaft und Tourismus. Es ist insgesamt erfreulich, dass man in Frutigen für den Alltagsbedarf fast alles erhält. Oftmals anerkennen die Einheimischen zu wenig, wie gut wir es hier haben. Zur Attraktivität gehören aber auch die Verkehrsanbindung, der Wohnraum, das Spital und die vielen Vereine, was nicht selbstverständlich ist. Und wir müssen Sorge dazu tragen.
Sie sind rund 20 Jahre im HGVF-Vorstand, seit 5 Jahren Präsident. Wie hat sich Frutigen entwickelt?
Die Entwicklung – Stichwort Online-Handel – ist nicht Frutigen-spezifisch, die Herausforderungen sind gross. Es hat aber etliche Kleinst- und Kleinunternehmen, die man gar nicht so wahrnimmt, da sie keinen Verkaufsladen haben. Auch anzahlmässig sind diese bedeutend, ebenso, was die Angestellten angeht. Diese Unternehmen sind oftmals sehr widerstandsfähig und können schnell und flexibel auf neue Situationen reagieren. Daneben haben wir hier Firmen, die auf nationaler Ebene in ihrer Branche ganz vorn mitmischen.
Und negative Veränderungen?
In der persönlichen Erinnerung war natürlich die Corona-Zeit prägend und einschneidend. Auch unabhängig davon sind etliche Betriebe verschwunden, insbesondere in der Gastronomie: Hotel/ Restaurant Rustica, Restaurant Pony, Express-Buffet, Leist, Kiöski, Stärnä5i, Elsigbach oder auch das Tropenhaus. Andererseits haben wir neu eine Bierbrauerei, eine Kaffeerösterei und neue Dienstleistungsbetriebe. Der anstehende Ausbau des Neat-Tunnels wird wahrscheinlich neue Entwicklungen vorantreiben. Ein Wandel findet immer statt, ein Unternehmer muss bereit sein, sich darauf einzulassen.
Wie sieht die Lage auf dem Stellenmarkt aus?
Je nach Sicht von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite unterschiedlich. Es ist aber allgemein in den letzten Monaten eine leichte Entspannung zu spüren, ausser in der Gastronomie. Deren Probleme, Angestellte für Küche und Service zu finden, nehme ich als Getränkehändler sehr direkt in den Gesprächen wahr. Ich sehe beim Thema Arbeitsmarkt aber auch die Politik in der Pflicht, um ein attraktives Umfeld zu schaffen. Ich erwähne erneut den Wohnraum oder Bauland für Unternehmen - zusammengefasst unter dem Begriff «Standortförderung». Das ist nicht nur die Aufgabe der Unternehmen.
Sie sind bei der beruflichen Nachwuchsförderung sehr aktiv, beispielsweise mit der Lehrstellentischmesse. Mit Erfolg?
Diese Mission wird wohl nie enden, das ist eine Daueraufgabe. Aber es gibt Eltern, die plötzlich bemerken, dass ihre Kinder nicht nach Bern müssen, um eine gute Ausbildung zu machen, oder sie staunen über die Breite an Ausbildungsangeboten im Tal. Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist mittlerweile etabliert und hat einen festen Platz erhalten.
Die Rahmenbedingungen werden oftmals durch die Politik bestimmt. Wie ist dies auf lokaler Ebene?
Die behördliche Bürokratie kann nerven. Ich kenne aus eigener Erfahrung respektive aus meinem Umfeld einige Beispiele aus unserem Dorf im Baubereich. Für kleinste Projekte müssen Formulare um Formulare eingereicht werden. Was dazu führt, dass vielfach einfach gehandelt wird, um das Ganze erst im Nachhinein zu legalisieren – weil dies oft der einfachere Weg ist. Das ist kein befriedigender Zustand. Weder für die Unternehmen noch für die Verwaltung ist das so aktuell ein guter und effizienter Weg.
icht für alles ist die Gemeinde zuständig …
Das ist korrekt. Gewünscht wäre mehr Miteinander, wenn es der Allgemeinheit dient und zwar auf allen Ebenen. Ich muss dazu natürlich sagen, dass die Stossrichtung des HGVF oftmals nicht eindeutig ist, da wir so viele unterschiedliche Unternehmen und Branchen umfassen. Zudem werden viele Entscheide oder Rahmenbedingungen nicht auf Gemeindeebene festgelegt und fallen somit unter übergeordnetes Recht oder in die Aufgaben der kantonalen oder schweizerischen Dachverbände, die wir mit den Mitgliederbeträgen mitfinanzieren. Oftmals sind aber die Politiker als Gesetzgeber eher Problemverursacher als Problemlöser.
Zum Abschluss der Gewerbeausstellung am Sonntag, 16. November, wird der neu zusammengesetzte Frutiger Gemeinderat vorgestellt. Wie sehen die Erwartungen an den Gemeinderat aus?
Ein gutes Standortmarketing wäre ein grosser Fortschritt. Ein brennendes Problem für unsere Politiker ist zudem der mangelnde Raum für die wirtschaftliche Entwicklung. Dass teils nun höher gebaut werden darf, geht zumindest in die richtige Richtung. Das darf aber nicht das Ende sein. Wir würden nicht gern weitere Betriebe an andere Gemeinden verlieren.
Bleiben wir gleich bei der Ausstellung vom 14. bis 16. November in der Sporthalle Widi. Der Aufwand für alle Beteiligten ist nicht zu vernachlässigen, auch das Ausstellungs-Organisationskomitee zu besetzen war nicht einfach. Woran liegt das?
Wir haben schliesslich gute Leute gefunden, das allein zählt. Dass sich niemand neben dem eigenen Betrieb um solche ehrenamtlichen Arbeiten reisst, ist klar. Aber diese Gewerbeausstellung ist sicher ein Bedürfnis, das zeigt die lange Ausstellerliste. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben.
Die Ausstellung als Bühne – wieso muss man als Aussteller dabei sein?
Es gibt meines Erachtens wenig Gründe, die dagegen sprechen. Der direkte und unkomplizierte Dialog mit bestehenden, aber auch potenziellen Kunden ist sehr wichtig. Das kann eine Marketingkampagne kaum ersetzen. Vertrauen schafft man durch persönliche Kontakte.
Und warum sollen Besucherinnen und Besucher hingehen?
Diese werden staunen über die Vielfalt an Angeboten, Produkten, Unternehmen sowie Arbeits- und Ausbildungsplätzen, die es in der Gemeinde Frutigen gibt.
Alle Infos zur Gewerbeausstellung vom 14. bis 16. November in der Sporthalle Widi gibt es unter www.gwaerbusstellig.ch

