«Hammer» oder Begleiterscheinung?
26.08.2025 WirtschaftWie treffen die US-amerikanischen Zölle das Frutigland? Das war die Ausgangsfrage, die sich die Redaktion des «Frutigländer» seit Mai 2025 immer wieder stellte.
Insbesondere die exportorientierten KMU der Schweiz haben in der einen oder anderen ...
Wie treffen die US-amerikanischen Zölle das Frutigland? Das war die Ausgangsfrage, die sich die Redaktion des «Frutigländer» seit Mai 2025 immer wieder stellte.
Insbesondere die exportorientierten KMU der Schweiz haben in der einen oder anderen Form damit zu kämpfen. Und gerade die international vernetzten Firmen des Frutiglands könnten ebenfalls betroffen sein. Sind sie es wirklich, und in welchem Ausmass? Für ihre weltweiten Verbindungen bekannt ist – neben anderen – auch die Bucher Hydraulics, die in Frutigen bereits heute über 400 Menschen beschäftigt und im Moment weiter ausbaut (der «Frutigländer» berichtete).
Sind jetzt, durch die erhöhten Zölle, auch die Frutiger Arbeitsplätze von Bucher Hydraulics gefährdet? Und wie sehr trifft die internationale Zollentwicklung das Frutiger Werk überhaupt? Wir haben uns intensiv mit der Frage beschäftigt und konnten dazu den Chef der Eigentümerfirma Bucher Industries AG befragen. Bucher Industries ist das viertälteste Unternehmen mit Börsennotierung in der Schweiz und gehört zu den 500 grössten Familienunternehmen der Welt.
Zuversicht in Person: der Bucher-Chef
Sehr viel Zeit hat sich Jacques Sanche, der Chef (CEO) der Bucher Industries AG in Niederweningen (ZH), zu der das Frutiger Werk der Bucher Hydraulics gehört, für das Gespräch mit uns genommen. Zusätzlich konnten wir noch an der Halbjahres-Pressekonferenz vom 30. Juli teilnehmen und haben so noch weitere Einblicke in die Ergebnisse, aber auch in die Strategie von Bucher bekommen. Der gebürtige Kanadier mit Schweizer Pass ist Dr. oec. der Universität HSG in St. Gallen und seit 2016 CEO der Bucher Industries AG.
Zuversichtlich berichtet Jacques Sanche in dem Gespräch, dass «nur wenige Prozent» des Unternehmensumsatzes der Bucher-Gruppe überhaupt von den amerikanischen Einfuhrzöllen betroffen sind. Und sicher sei die Situation für sein Unternehmen nicht existenzbedrohend. Man müsse aber auch sehen, dass die momentane Zollpolitik der USA auch dort Werte vernichte und dass auch dort notwendigerweise die Preise steigen werden. Das gelte auch für die Märkte, in denen die Bucher-Gruppe tätig ist.
Gleichzeitig habe man vonseiten der amerikanischen Administration ein ständiges Fallen des US-Dollars in Kauf genommen, vor allem, um amerikanischen Produkten auf dem Weltmarkt mehr Chancen zu geben. Der Dollarkurs schwankt zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung immer um etwa Fr. 0.81.
Die Märkte werden jedoch den immer weiter erhöhten Nahrungsmittelbedürfnissen der Weltbevölkerung folgen, und dem könnten sich auch die USA nicht entziehen. Wohl stagniere dort im Moment die Nachfrage nach Agrar-Ausrüstung, was so in Europa zurzeit nicht der Fall ist, aber diese Nachfrage sei letztlich nur aufgeschoben.
Weltweit werde aber die Nachfrage nach Maschinen und Ausrüstungen rund um die Agrarproduktion weiter steigen, und auf globaler Ebene sei Bucher sehr gut aufgestellt. Es ist dieses Vorgehen, das solche vernetzten Geschäftsbeziehungen das Unternehmen Bucher schützen. Die Schweiz als Ganzes müsse nun aber schon sehen, dass sie kein Spielball anderer werde, sondern eine eigenständige Politik verfolgen könne.
Um zu verstehen, wie das in dem konkreten Fall Bucher gemeint ist, kommt man nicht umhin, sich die Geschichte des weitverzweigten Bucher-Konzerns vor Augen zu halten; eine Geschichte, aus der heraus erst die heutige Handlungsfähigkeit und Zuversicht der Bucher-Gruppe gewachsen ist.
Heutige Strategie in über 200 Jahren entwickelt
Es ist fast ein Schweizer Wirtschaftsmärchen: 1807 aus einer Schmiede in Niederweningen (ZH) entstanden, hatte der Betrieb, der anfangs einfach landwirtschaftliche Geräte herstellte, 1871 erst vier Beschäftigte. 1874 erfolgt der Handelsregistereintrag mit dem Geschäftsgegenstand «Johann Bucher, mechanische Werkstätte, Fabrikation von mechanischen Bestandteilen landwirtschaftlicher Maschinen».
Danach ging alles sehr schnell: Seit 1890 vertreibt Bucher auch landwirtschaftliche Maschinen ausländischer Hersteller. 1896 erfolgt eine Firmenänderung in «Maschinenfabrik Johann Bucher-Manz, Niederweningen». Man hat jetzt 30 Beschäftigte und beginnt kurz darauf mit der zusätzlichen Fabrikation hydraulischer Obstpressen. 1918 dann die Umfirmierung in «Maschinenfabrik Jean Bucher-Guyer». Das Werk hat jetzt – trotz der Nachkriegszeit – schon 150 Beschäftigte.
Mit der Internationalisierung kommt eine neue Art von Erfolg: Neue Märkte beschleunigen das Firmenwachstum erheblich. 1923 wird zunächst die «Maschinenfabrik Johann Bucher» in Griessen, Südbaden (D), gegründet, mitten in der damaligen Phase der extremen Geldentwertung. Und bereits 1934 hat das Unternehmen 215 Beschäftigte in Niederweningen (CH) und 40 in Griessen (D). Direkt nach dem letzten Krieg (1945) bringt das Unternehmen den ersten einachsigen Motormäher auf den Markt, ein Gerät, von dem bis 2003 insgesamt 116 000 Exemplare ausgeliefert werden.
Dann, 1946, beteiligt sich das Unternehmen (jetzt «Bucher-Guyer») am französischen Landmaschinenhersteller Kuhn in Saverne (F). Neben dem grossen französischen Markt werden damit auch Überseeverbindungen möglich. 1951 erfolgt dann die Umwandlung von Bucher in die Aktiengesellschaft «Bucher-Guyer AG». 1954 beginnt man mit der Produktion des Bucher-Traktors, von dem bis 1964 insgesamt 5000 Stück ausgeliefert werden. Danach vertreibt man nur noch Fiat-Traktoren.
Umstrukturierung und Gründung
Die weitere Geschichte des Unternehmens kann hier nur stichwortartig dargestellt werden: 1969 beginnt Bucher damit, Transporter für den kommunalen Einsatz zu produzieren und zu vertreiben. 1984 strukturiert man um und formt die Holdingstruktur der Firmengruppe, Gründung der «Bucher Holding AG». Es folgen mehrere Firmenübernahmen, die dem schnell gewachsenen Konzern eine weltweite Geltung verschaffen. Schon 1986 beträgt der Gruppenumsatz 430 Mio. Franken, die man mit 2730 Beschäftigten erwirtschaftet.
Ab 1994 beginnt dann auch der Ausbau von Bucher Hydraulics durch den Erwerb von mehreren Unternehmen in Europa, darunter auch die Hydrotechnik Frutigen (1997).
Im Jahr 2000 wird aus der Bucher Holding AG die heutige Bucher Industries AG, in der auch das Frutiger Werk eingebettet ist. In den Jahren 2007 und 2008 erfolgt der Ausbau von Bucher Hydraulics auch in Nordamerika: Es entstehen die Firmen Monarch (2007) und Command Control (2008).
Auch die Entwicklung der Holding Bucher Industries wird weltweit fortgesetzt: 2011 wird ein Joint Venture mit Sanjin in China eingegangen, für den Bucher-Konzern handelt Bucher Emhart Glass. Das Joint Venture wird 2018 vollständig von Bucher übernommen.
2013 erfolgt die heutige Gliederung des Bucher-Konzerns in fünf Divisionen:
• Kuhn Group (Landmaschinen),
• Bucher Municipal (Kommunalfahrzeuge),
• Bucher Hydraulics (Hydrauliksysteme),
• Bucher Emhart Glass (Glasbehälterindustrie) sowie
• Bucher Specials (Einzelgeschäfte).
Der Konzernumsatz beträgt bereits im Jahr 2013 2,7 Mrd. Franken, bei rund 11 000 Beschäftigten. 2018 erfolgt dann die Bildung eines Joint Ventures, der Bucher Hydraulics (Wuxi) Co., Ltd. in China, durch die Bucher Hydraulics. Weitere Übernahmen stärken dann vor allem das Asien-Geschäft.
Die Konzern-Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres 2024 der Bucher Industries AG lesen sich heute prächtig:
• 3,2 Mrd. Franken Umsatz, 9 Prozent EBIT-Marge, Hauptsitz in der Schweiz
• 14 200 lokal rekrutierte und hoch qualifizierte Mitarbeiter
• über 50 Produktionsstandorte weltweit, auf 5 Kontinenten
• kotiert an SIX Swiss Exchange, Gründerfamilie hält 35 Prozent
Und das soeben veröffentlichte Halbjahresergebnis 2025 gibt einen guten Ausblick:
Einige Märkte stabilisierten sich, während die allgemeine Erholung derzeit durch die unsichere politische Lage gebremst wird. Ein höherer Auftragseingang ist aber wieder zu verzeichnen, angeführt von den Landmaschinen.
Die Bucher-Strategie: «Wir produzieren in der Regel lokal für lokale Märkte»
Es ist die Bucher-Strategie, die den Konzern nur bedingt anfällig macht für das «Zoll-Spiel», das wir momentan beobachten: Grundpfeiler dieser Strategie sind eine konsequente Orientierung an den Kundenbedürfnissen mit langfristigen Kundenbeziehungen dank einem ausgefeilten Service-Angebot. Weiter sind es die faktische Technologieführerschaft und kontinuierliche Innovation, beides mit dem Ziel, eine starke Marktstellung zu erhalten. Und schliesslich ist es immer wieder – und schon historisch begründet – die Übernahme von komplementären Geschäftstätigkeiten.
Dies führt zu einer globalen Expansion in grosser Differenzierung, deren Grundpfeiler die lokale Produktion für lokale Absatzmärkte ist. So entstand ein Zusammenspiel von
• Differenzierung (neue Produktvarianten im selben Markt) und
• Diversifikation (neue Märkte mit be stehenden Produkten) auf allen fünf Kontinenten. «Wir produzieren in der Regel lokal für lokale Märkte», so drückt es der CEO Jacques Sanche aus.
Trifft es auch Frutigen?
Ob und vor allem inwieweit die amerikanischen Zölle auch Frutigen treffen, das kann man zurzeit schon deshalb nicht abschliessend sagen, weil der Vorgang selbst – die «Findung» der tatsächlichen Zollhöhen – längst nicht abgeschlossen scheint.
Das Geschehen ist jedoch in weltweite Zusammenhänge eingebaut: Die USA sind zwar ein sehr grosser Markt, aber inwieweit es Verschiebungen der auch in Frutigen hergestellten Produkte auf andere Kontinente geben wird, ist zurzeit unklar. Vor allem aber kann man nicht sagen, ob und wie lange die Zölle überhaupt bleiben. Die bisherige Inkonsistenz der US-amerikanischen Entscheidungen lässt hier nicht einmal den Ansatz einer langfristigen Beurteilung zu.
Frutigen ist bedeutend
Frutigen hat aber eine wichtige Funktion innerhalb des Bucher-Konzerns, wie die Kommunikations-Chefin, die Betriebsökonomin Saskia Rusch, erläutert: «Frutigen ist eines der Werke, welches seine Berechtigung durch die Spezialisierung festigt. In Frutigen werden kundenspezifische Hydrauliklösungen mit höchster Präzision entwickelt und produziert, die dann in anderen Werken weiter verbaut werden.
Der Standort Frutigen differenziert sich also durch Innovation im Design und in der Fertigung. Unterdessen wird Bucher aber, das wurde in den Gesprächen mit dem CEO und seiner Kommunikationschefin klar, die Frutiger Produktionskapazitäten weiter ausbauen (der «Frutigländer» berichtete).
Ein solcher Akt ist nicht nur ein Lippenbekenntnis zum Standort Frutigen, sondern vielmehr bereits heute Ausdruck einer langfristigen Strategie des Konzerns, die auch dem Standort Frutigen nützt.
MARTIN NATTERER