«Hawaii ist das höchste aller Gefühle!»
11.10.2022 SportNachdem sie vor sieben Jahren ihren Ehemann kennengelernt hatte, verschrieb sich Patricia Circelli-Rauber dem Ausdauersport. Rund um den Globus nahm sie an verschiedenen Marathons, Triathlons und Ironmen teil und klassierte sich in ihrer Kategorie oft an der Spitze. Letzte Woche ...
Nachdem sie vor sieben Jahren ihren Ehemann kennengelernt hatte, verschrieb sich Patricia Circelli-Rauber dem Ausdauersport. Rund um den Globus nahm sie an verschiedenen Marathons, Triathlons und Ironmen teil und klassierte sich in ihrer Kategorie oft an der Spitze. Letzte Woche erfüllte sie sich ihren grossen Traum: Die gebürtige Aeschinerin absolvierte den Ironman Hawaii, der zugleich als Weltmeisterschaft gilt. Elf Stunden nach dem Zieleinlauf erzählte sie dem «Frutigländer» von ihrem einschneidenden Erlebnis.
«Im Frühsommer 2021 beschloss ich, auf eine Qualifikation für den Ironman in Hawaii im Herbst des gleichen Jahres hinzuarbeiten. Damals wusste man noch nicht, dass er wegen Corona ins Wasser fallen würde. Ein Puzzlestein zum Erreichen meines Traums war der Wechsel meines Coaches. Mit dem Sieg in meiner Alterskategorie am Ironman in Estland am 7. August 2021 hatte ich den Startplatz auf sicher. Damals wurde bekannt, dass der Ironman Hawaii erst 2022 wieder durchgeführt würde. Sofort buchte ich für mich, meinen Mann und den Coach – er wollte selbst auch teilnehmen – den Flug und eine Ferienwohnung in der Nähe von Kona, dem Start- und Zielort.
Viele Teilnehmer, hohe Kosten
Erfreulicherweise qualifizierte sich mein Mann Ludovic zwei Monate vor der Austragung ebenfalls. Hätte ich Reise und Unterkunft nicht bereits gebucht gehabt, wäre ihm die Teilnahme verwehrt geblieben, denn Hawaii ist sehr teuer. Weil der Anlass im Vorjahr ausgefallen war, wurden erstmals je 2500 AthletInnen an zwei Tagen zugelassen – also doppelt so viele wie bisher. Dadurch stiegen die Flug- und Unterkunftspreise ins Unermessliche. Das Startgeld war auch nicht gerade günstig, weshalb einige Spätqualifizierte aus Kostengründen zu Hause blieben.
Am 24. September flogen wir mit weiteren TeilnehmerInnen aus der Schweiz nach Hawaii. Mir ist es stets wichtig, rechtzeitig vor Ort zu sein, um genügend Zeit für die Akklimatisation zu haben. An den ersten Tagen nach unserer Ankunft war das Wetter recht angenehm, doch leider änderte sich das bald: Tagsüber kletterte das Thermometer auf gegen 40 Grad, dazu blies ständig ein heftiger Wind. Nach wenigen Tagen wurde ich von Durchfall und einem unangenehmen ‹Gstürm im Bauch› geplagt, woran ich noch immer leide. Wir kochten zwar selbst, aber möglicherweise war in meinen Speisen verstecktes Gluten, was ich nicht vertrage. Vielleicht war die klimatische Umstellung, kombiniert mit der Aufregung, der Auslöser. Um Kräfte zu sparen, schraubte ich das Training herunter.
Schwimmen über den Fischen
Einen ersten Eindruck von der grossartigen Stimmung vor Ort erhielt ich bei der Nationenparade. Inmitten von 110 SchweizerInnen mitzulaufen, war ein richtiger Hühnerhautmoment. Als ich mich am Donnerstagmorgen zum Start begab, hatte ich bereits das Gefühl, gewonnen zu haben. Alle HelferInnen applaudierten uns. Das hat meine aktuell mentale Stärke zusätzlich beflügelt, obwohl ich körperlich geschwächt war.
Dann wurde der Böllerschuss abgefeuert – und ab gings ins Meer. Bei Sonnenaufgang durch die Wellen zu schwimmen und dabei Fische unter mir zu beobachten, war ein einzigartiges Erlebnis. Beim Überholen musste ich ‹ellbögelen›, was wertvolle Zeit kostete. Nach 3,86 Kilometern erfolgte der Wechsel aufs Velo. Das Salzwasser so gut wie möglich abzuwischen, war wichtig, denn in der prallen Sonne kann eine Salzkruste auf der Haut unangenehme Folgen haben.
Weil es auch auf der anderen Seite des Erdballs schwierig ist, HelferInnen für einen Grossanlass zu finden, waren die Verpflegungsposten auf der 180,2 Kilometer langen Rad- und der 42,2 Kilometer langen Laufstrecke weiter voneinander entfernt als üblich. Sich privat Stärkung zu organisieren, war nicht erlaubt.
Was zählte, war der Finish
Die Hitze, der Wind, mein Bauch und das stete Auf und Ab von insgesamt rund 1800 Höhenmetern waren anstrengend. Beim Wechsel auf die Laufstrecke merkte ich, dass dies ein sehr langer Marathon werden würde. Meine Beine waren müde, ich musste mich übergeben und der Durchfall plagte mich noch ärger. Also musste ich meine Kräfte einteilen. Statt zu rennen, war ich grösstenteils im Marschtempo unterwegs. Ich schaltete den Kopf aus und scherte mich keinen Deut darum, dass manche Konkurrentinnen mich überholten. Ich fokussierte mich nur noch aufs Überschreiten der Ziellinie. Kurz vor Streckenende stand mein Mann am Strassenrand und überreichte mir eine Schweizerfahne. Unter tosendem Applaus lief ich nach 13 Stunden, 29 Minuten und 46 Sekunden ins Ziel. Es war mir völlig egal, dass ich fast exakt fünf Stunden länger benötigt hatte als die Siegerin Chelsea Sodaro. An der WM spielte die Zeit eine sekundäre Rolle. Was zählte, war der Finish – und das war für mich das höchste der Gefühle!
Zur Erholung verbringen wir nun einige Tage auf der Nachbarinsel Maui und fliegen anschliessend nach San Francisco, mieten ein Auto und fahren Richtung Utah. In St. George werde ich die Triathlon-WM über die Mitteldistanz bestreiten. Die Rückkehr in die Schweiz ist für Anfang November geplant, wo im Büro die Arbeit wartet.»
AUFGEZEICHNET VON KATHARINA WITTWER
Ludovic Circelli erreichte das Ziel mit einer Zeit von 11:35.19.
ZUR PERSON
Patricia Circelli-Rauber (Jahrgang 1993) kommt aus Aeschi. Sie absolvierte auf der Gemeindeverwaltung ihre KV-Ausbildung und arbeitete anschliessend bei der Spar- und Leihkasse Frutigen. Nebenbei bildete sie sich in Richtung Betriebswirtschaft weiter. Vor fünf Jahren zog sie der Liebe wegen in den Kanton Freiburg. Mit ihrem Partner und am Arbeitsplatz (100-Prozent-Pensum) spricht sie ausschliesslich Französisch.
WI