Hoffnung und Sorgen zugleich: Schweizer KMU-Barometer vorgestellt
07.11.2025 WirtschaftDer Schweizerische Gewerbeverband (SGV) hat mit dem neuen KMU-Barometer ein Instrument geschaffen, das die Lage der kleinen und mittleren Unternehmen im Land erstmals systematisch erfasst. Neben einer gesamtschweizerischen Einschätzung standen vor allem die drei Kantone Bern, ...
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) hat mit dem neuen KMU-Barometer ein Instrument geschaffen, das die Lage der kleinen und mittleren Unternehmen im Land erstmals systematisch erfasst. Neben einer gesamtschweizerischen Einschätzung standen vor allem die drei Kantone Bern, Graubünden und Neuenburg im Fokus.
MARTIN NATTERER
Konkret: Im Kanton Bern
Die gute Nachricht zuerst: Den Berner KMU scheint es gut zu gehen. Der Präsident der Berner KMU, der Emmentaler Holzbauunternehmer Ernst Kühni, betonte dies deutlich: «Den Berner KMU geht es überwiegend gut, ja sehr gut.»
49 Prozent der Berner KMU klagen jedoch über Fachkräftemangel. Das sei nur schwer zu beheben. Betroffen seien vor allem Betriebe mit über elf Mitarbeitenden – eine auffallende Schwelle. Zudem würden vermehrt viele KMU künstliche Intelligenz einsetzen, vor allem in der Administration, im Verkauf und im Marketing. Diese werde weitgehend als Chance begriffen. Dennoch könne sie das «unternehmerische Denken, das Bauchgefühl und die persönliche Begegnung – insbesondere mit den Kundinnen und Kunden – nicht ersetzen», unterstrich Kühni.
Im Bausektor – Kühnis Kerngeschäft, das er mit 180 Mitarbeitenden in Ramsei betreibt – habe sich jedoch bei den Baugenehmigungen eine «Null-Fehler-Mentalität» eingeschlichen, die praktikable Lösungen oft verhindere. Und dann die Einsprachen, beklagte er: Diese hätten sich zu einem echten Hindernis entwickelt. «Einsprachen verteuern – und natürlich verlangsamen sie auch, was oft gleichbedeutend ist.»
Konkret: Neuenburg
Der Neuenburger Garagist und Vizepräsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Pierre Daniel Senn, gab Einblick in seine Situation und die seiner Westschweizer Kolleginnen und Kollegen, die sich von Bern deutlich unterscheidet. Generell beobachte er eine «erschwerte Situation der Schweizer Randregionen» («une situation aggravée dans les régions périphériques de la Suisse»). Sein Gewerbe leide vor allem unter Nachwuchsmangel. Im persönlichen Gespräch gab er zu bedenken, dass nur elf Prozent der Neuenburger Garagisten Lernende ausbildeten. In seinem Betrieb mit rund 150 Beschäftigten seien es jedoch 25. Alles in allem seien es «schwierige Zeiten» für die Garagisten.
Konkret: Graubünden
Aus Bündner Sicht sieht Maurus Blumenthal, Direktor des Bündner Gewerbes, insbesondere die Raumplanung als grosse Herausforderung. Diese hemme die Wertschöpfung – über 30 Prozent der Bündner KMU sähen das ebenso. «Wohlstand kommt aus Wertschöpfung», so Blumenthal.
Ein weiterer Drittel der Bündner KMU könne dringend benötigte Fachkräfte wegen des Wohnungsmangels nicht anstellen. Es gebe jedoch im Kanton eine «Green-Tech-Initiative», die Umweltschutz und Raumplanung zu verbinden versuche. Darin sehe er eine Chance für den Bergkanton.
Die gesamtschweizerische Sicht
Zusammengefasst, so der Tenor des SGV-Vorstands, beschäftigen die Schweizer KMU drei grosse Sorgen: Bürokratie, Fachkräftemangel und Raumplanung. Schweizweit hätten die KMU eine eher besorgte Sicht auf die Zukunft: Niemand sehe die heutige Situation als ‹besser› als vor einem Jahr an. 42 Prozent der befragten Unternehmen stuften sie als ‹unverändert› ein, rund 52 Prozent hingegen als ‹schlechter›.
Im Bereich Raumplanung müsse man die Gesamtsituation betrachten: Nur 43 Prozent der Schweizer Gemeinden könnten überhaupt verdichten. Alle anderen hätten mit einer Fülle von Einsprachen und Einschränkungen – etwa wegen des Ortsbildschutzes – zu kämpfen. Auf entschiedene Ablehnung des Schweizerischen Gewerbeverbandes stösst die Service-Citoyen-Initiative. Dies aus vier Hauptgründen: Sie schwäche die Armee, mache den Staat zum Konkurrenten der KMU, belaste die Wirtschaft und verstärke den Fachkräftemangel.
Auch die Juso-Initiative zur 50-Prozent-Besteuerung im Erbfall begüterter Familienunternehmen wurde abgelehnt – mit deutlichen Worten: «Das hat uns gerade noch gefehlt!» Fast alle KMU befürchteten eine Bedrohung und Abwanderung der Familienunternehmen sowie eine Schädigung der Schweizer Wirtschaft. Pierre Daniel Senn ergänzte im persönlichen Gespräch, dass seit dem Scheitern der Credit Suisse der Zugang zu KMU-Krediten erschwert sei – dies jedenfalls gaben 36 Prozent der Befragten an. Der Direktor des SGV, Urs Furrer, fasste am Ende in einer Art «Highlights» zusammen: Das Gewerbe schaffe Jobs, Regulierungen müssten zugunsten von mehr Produktivität abgebaut werden, die Juso-Initiative schade dem Gewerbe und bestehende Freihandelsabkommen – insbesondere mit der EU – müssten «KMU-tauglich» überarbeitet werden.
Auf politischer wie auf unternehmerischer Ebene, so Furrer im Gespräch, seien vor allem in den Grenzkantonen direkte Kooperationen mit den umliegenden Ländern und Regionen möglich. Besonders die deutschen Bundesländer hätten schon lange Sonderregelungen für die Ansiedlung von Schweizer GmbH geschaffen – etwa seit 1986 in Bayern.
Fazit: Den Schweizer KMU geht es insgesamt nicht schlecht – doch sehr viele blicken mit Sorgen in die Zukunft.


