Hopfen und Malz, Gott erhalt’s!
30.07.2024 GesellschaftGENUSSMITTEL Am nächsten Freitag, passend zum (möglichen) langen Wochenende, ist der internationale Tag des Bieres. Kaum ein Land trägt zu d iesem Anlass mehr bei als die Schweiz: Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es nirgends mehr Brauereien als hier. Die Rohstoffe ...
GENUSSMITTEL Am nächsten Freitag, passend zum (möglichen) langen Wochenende, ist der internationale Tag des Bieres. Kaum ein Land trägt zu d iesem Anlass mehr bei als die Schweiz: Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es nirgends mehr Brauereien als hier. Die Rohstoffe für das beliebte Getränk kommen allerdings grösstenteils aus dem Ausland. Doch es tut sich etwas.
1991 wurde das Schweizer Bierkartell aufgelöst. Der Entscheid war wie eine Initialzündung für die hiesige Braubranche. Er legte den Grundstein für den Craft-Bier-Trend, die Zahl der Brauereien und Mikrobrauereien stieg rasant. Ein Jahr vor dem Fall des Bierkartells waren in der Schweiz 32 Brauereien registriert – heute sind es über 1500, viele davon kleine bis mittelgrosse Braubetriebe. Mit 146 Brauereien pro eine Million Einwohner hat die Schweiz mittlerweile die grösste Brauereidichte in Europa.
Die Vielfalt erschliesst neue Zielgruppen
Das gewachsene Angebot schlägt sich auch im Bierkonsum nieder. Zwischen 1997 und 2017 hat er im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken um knapp 20 Prozent zugenommen. Zuletzt wurden in der Schweiz pro Jahr 4,7 Millionen Hektoliter «Gerstensaft» getrunken – im Durchschnitt rund 53 Liter pro Person.
Mit der Entwicklung neuer Sorten und Geschmacksrichtungen hat sich die Braubranche neue Zielgruppen erschlossen. Erhebungen des Bundesamts für Statistik im Rahmen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung zeigen, dass Bier auch bei Frauen immer beliebter wird. Und auch das ist ein Trend: In den letzten zehn Jahren hat sich die Nachfrage nach alkoholfreiem Bier verdoppelt.
Über alle Bierstile hinweg greifen KonsumentInnen vermehrt zu lokalen Bieren, die vor Ort gebraut werden. Doch die Zutaten dafür stammen bislang grösstenteils aus ausländischer Produktion.
Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Neben Wasser und Hefe sind Hopfen und Malz die wichtigsten Zutaten für Bier. Malz, also gekeimtes und wieder getrocknetes Getreide, liefert dem Bier die Stärke, während ihm der Hopfen sein Aroma verleiht. Bisher werden diese Getreideprodukte für die Schweizer Bierproduktion grösstenteils importiert. Die grössten Hopfenanbaugebiete befinden sich heute in den USA, knapp dahinter folgt Deutschland. So ist die Hallertau in Bayern mit 2400 Quadratkilometern das grösste zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Daneben nimmt sich die Anbaufläche in der Schweiz mit nur knapp 20 Hektaren (0,2 Quadratkilometern) sehr bescheiden aus. Anbauflächen befinden sich unter anderem im Stammertal (ZH), im Fricktal (AG) sowie in den Kantonen Solothurn und Thurgau.
Mit dem Erstarken der Schweizer Brauszene, verbunden mit dem Trend zu regionalen Produkten, setzen die Brauereien vermehrt auf hiesigen Hopfen. Für das «Quöllfrisch» der Appenzeller Brauerei Locher etwa wird nur Hopfen aus Schweizer Anbau verwendet.
Ausländisches Malz ist günstiger
Seit gut 10 Jahren widmen sich einige Landwirte auch wieder dem anspruchsvollen Anbau von Braugerste. Zuletzt erreichten die entsprechenden Kulturen eine Fläche von über 250 Hektaren. Für das Vermälzen muss der Grossteil dieses Getreides jedoch aus- und danach wieder eingeführt werden – der für das Bierbrauen so wichtige Schritt passiert nach wie vor hauptsächlich im Ausland.
Bei den Schweizer Brauereien stieg zuletzt aber nicht nur die Nachfrage nach einheimischem Hopfen, sondern auch nach regionaler Braugerste, die vollständig in der Schweiz verarbeitet wird. Seit 2022 gibt es in Möriken-Wildegg im Kanton Aargau eine Mälzungsanlage. Sie verfügt über drei 10-Tonnen-Trommeln und soll jährlich rund 1500 Tonnen Malz produzieren. Es ist ein Wachstum auf tiefem Niveau. Mehr als 70 000 Tonnen Braumalz jährlich – rund 98 Prozent – stammen derzeit noch aus dem Ausland. Beim Einkauf des Bierrohstoffs spielt auch der Preis eine Rolle. Schweizer Malz kostet momentan noch bis zu dreimal so viel wie importiertes Malz.
Immerhin: Der Trend zur Regionalität steigert auch die Nachfrage nach heimischem Malz. Die IG Mittellandmalz, die an der genannten Mälzungsanlage in Möriken-Wildegg beteiligt ist, hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil von Schweizer Malz langfristig auf rund zehn Prozent zu erhöhen.
MARK POLLMEIER / LID.CH
Verantwortlich für Alkohol und Geschmack
Damit Gerste fürs Bierbrauen taugt, muss sie zu Malz weiterverarbeitet werden. Dafür wird sie kurz zum Keimen gebracht und wieder getrocknet. Mit diesem Vorgang wird die im Korn enthaltene Stärke in Malzzucker umgewandelt und für die spätere Gärung zu Alkohol verfügbar gemacht. Für einen Hektoliter Lagerbier sind etwa 21 Kilogramm Gerste beziehungsweise 17 Kilogramm Malz notwendig.
Wildhopfen stammt ursprünglich aus feuchten Bergtälern in Südwestasien. Heute wird er in über 50 Ländern kultiviert, weltweit existieren über hundert Sorten. Hopfen ist enorm wuchsstark: bis zu 30 Zentimeter innerhalb 24 Stunden sind möglich. Die Pflanzen wachsen immer rechtswindig und werden bis zu sieben Meter hoch. Für 100 Liter Bier sind etwa 100 bis 150 Gramm Hopfendolden notwendig. Der sogenannte Aromahopfen ist dabei für das Aroma, Bitterhopfen für den herben Geschmack verantwortlich.
Weil Hanf und Hopfen zur gleichen Pflanzenfamilie gehören, gibt es Versuche, den Hopfen durch Hanfblüten zu ersetzen. Die Gründe: Erstens fallen die Blüten bei der Produktion von Industriehanf als Abfallprodukte an, sind also billig. Zweitens kommt Hanf mit der Klimaerwärmung besser zurecht als Hopfen.
POL