«How Can I Be Free?»: William White im Interview
19.09.2025 KulturDer Musiker William White lebt schon seit vielen Jahren in Frutigen. Anlässlich seines 20 Jahre-Jubiläums seiner Bühnenkarriere, die er hier in Frutigen in der Badi mit einem Konzert zusammen mit seiner neuen Band feierte, wollte der «Frutigländer» von ihm ...
Der Musiker William White lebt schon seit vielen Jahren in Frutigen. Anlässlich seines 20 Jahre-Jubiläums seiner Bühnenkarriere, die er hier in Frutigen in der Badi mit einem Konzert zusammen mit seiner neuen Band feierte, wollte der «Frutigländer» von ihm wissen, wer er denn eigentlich ist.
JACQUELINE RÜESCH
William White, du bist in Barbados aufgewachsen, einem bezaubernden Inselstaat in der Karibik, und hast dich bereits mit 19 Jahren dazu entschieden, ins Geburtsland deiner Mutter, in die Schweiz, auszuwandern. Warum?
Ich wolle immer schon weg. Das war für mich immer schon klar. Einerseits war es das Kind, das nicht mehr zuhause sein wollte, welches das Abenteuer suchte, und den Schweizer Pass hatte. Andererseits war es für mich bereits als ich zwölf war klar, dass ich, sobald ich kann, einfach weg möchte. Wohin ich gehen soll, war mir nicht so wichtig, einfach irgendwohin, wo es für mich eine Möglichkeit gab für eine gute Zukunft.
Du wolltest irgendwo an einem guten Ort studieren?
Wenn das die Bedingung dazu war, weg zugehen, dann ging ich halt weg, um zu studieren, ja. Mir selbst war es aber wichtiger, etwas anderes zu sehen.
Für alle anderen wäre eigentlich Barbados das paradiesische Traumziel, nicht?
Ja, es kann ein Traumziel sein. Aber wenn du schon am Ziel bist, was willst du dann?
Klar, dann sucht man sich ein neues Ziel. Und dann wolltest du nach Zürich?
Da war noch viel mehr involviert. Zuerst musste ich ins Militär, mit allem, was dazu gehört, Aushebung und so weiter. Ich musste mich an die Kultur und das Klima der Schweiz gewöhnen und Deutsch lernen. Dann musste ich auch Aufnahmeprüfungen fürs Studium machen, weil sie meiner karibischen Matura nicht getraut haben. Dann erst konnte ich anfangen mit dem Studium.
Was hast du studiert?
Erst mal war ich ein Semester an der ETH. Ich wollte Ingenieur werden. Nach einem Semester habe ich gedacht, «nein, wohl doch nicht». Danach studierte ich Anglistik. Ich habe noch an viel anderem rumgebastelt und rumstudiert, nach drei Jahren Uni hörte ich dann auf. Ich entdeckte die Musik für mich.
Erst dann?
Es kommt darauf an, wie man aufwächst. Welche guten Ratschläge man erhält, welches Umfeld man hat. Für meine Eltern war Kunst oder auch Sport nicht im Spektrum meiner Berufswahl. Also hat es Zeit gebraucht, bis ich meine eigene Stimme wahrgenommen, meine eigene Wahl getroffen habe.
Dann irgendwann hast du selbst herausgefunden: Das ist meines.
Ja, sagen wir es so: Man setzt auf das beste Pferd und welches das ist, musst du erst entdecken, dafür braucht es Zeit, Ruhe und verschiedene Versuche mit verschiedenen Dingen. Das habe ich gebraucht. Es war eine sehr schwierige Entscheidung. Sehr viele Leute haben viel für mich investiert, und sich darum gekümmert, dass ich in die Schweiz kommen konnte, dass ich da sein kann. Und dann schmeiss ich das alles hin. Das war nicht so einfach. Aber es war gut.
Die Wette hat sich gelohnt. Und was sagte deine Mutter? Ist sie immer mal wieder hierher zurück in die Schweiz gekommen, um dich zu besuchen?
Nein, ich ging eher nach Hause zu ihr. Jetzt möchte ich gerne wieder zu ihr, um sie zu besuchen, aber ich weiss nicht, ob ich kann. Mein Vater lebt leider nicht mehr, aber meine Mutter möchte ich gerne bald wieder besuchen.
Später würde ich gerne wieder ganz zurück nach Barbados, aber das Leben macht, was es will. Ich habe familiäre Verpflichtungen hier in der Schweiz. Wir werden sehen. Es kommt, wie es kommt, es ist ok.
Also bleibst du dem Frutigland noch eine ganze Weile erhalten?
Ja, sicher. Mir gefällt es hier, auch wenn es mir mittlerweile etwas voll wird, hier in Frutigen. Früher war Frutigen viel ruhiger. Im Moment, der ganze Verkehr und alles, ist etwas viel.
Du hast die Einsamkeit gesucht. Bist du deshalb nach Frutigen gekommen?
Nicht unbedingt die Einsamkeit, nein, einfach Frieden. Einen anderen Rhythmus. Einsamkeit ist schon anders. Frutigen war nie einsam. Hier ist es ruhiger, der Rhythmus ist hier nicht derselbe. An anderen Orten geht es oft Schlag auf Schlag, es ist ein anderes Gefühl hier. Ich brauche Zeit für mich, zum Überlegen, zum Geniessen, zum Gärtnern – Platz und «Schnuuf».
Dein Vater war Landwirt, nicht?
Mein Vater besass vor allem viele Tiere: Schweine, Kühe und vieles mehr. Wir hatten alles, aber angefangen hat er mit Schweinen. Dann wurde es immer mehr. Mein Vater hatte sehr gerne Tiere. Er arbeitete auch in der Stadt. Er war Landsteuerkommissar. Die Landwirtschaft war vielmehr ein Hobby. Wir hatten Hühner und Eier, plötzlich hatten wir auch Hunderte von Hasen.
Hattest du keine Probleme damit, die Tiere zu haben, damit sie dann irgendwann in der Pfanne landeten?
Das ist dann die andere Seite davon, ja. Für mich war es einfach so. Ich bin damit aufgewachsen. Das musste man akzeptieren, man gewöhnt sich ja nicht dran, aber man muss es akzeptieren. Es ist ein Teil unserer Realität, in der wir leben. Es gab bei uns keinen Druck, nicht diese Massentierhaltung mit dieser industriellen Produktion. Hier in Europa geschieht leider vieles mit sehr viel Druck, das gehört hier zum System, mittlerweile.
Dasselbe wie mit dem ganzen Verkehr, es wird zu viel verlangt, mit zu wenig Ruhe.
Ja, aber ich kann nur von mir sprechen. Ich sage mir einfach, «ich suche mir einen ruhigeren Ort». Frutigen hat zum Glück viele ruhige Orte.
Du hast einen sehr schönen Song geschrieben, wo es um eben diese Freiheit geht «How Can I Be Free». Darin geht es unter anderem auch um Zeit. Hast du Zeit? Für das, was dir wichtig ist, für das, was du liebst?
Im Moment, ehrlich gesagt, wenig. Es gibt vieles, das ich grade tun muss, das vorrangig ist. Aber das kommt wieder.
Was ist dir denn besonders wichtig, was liebst du?
Meine Familie, die Musik, aber auch kochen. Ich koche sehr gerne, karibisch, aber auch international. Vor allem «home food», «good food». Also gesundes und gutes Essen. Ich bin ein grosser «home»-Mensch. Ich verbringe meine Zeit am liebsten mit Gärtnern, mit Kochen, mit Einmachen, mit Musik machen und zu den Kindern schauen, den Haushalt machen. Ich !nde das den wertvollsten Zeitvertreib, den es gibt. Es ist eine Herausforderung, bei der man sehr viel lernt. Ich !nde es wesentlich, dass das, was man lernt, Sinn macht. Für mich ist es nicht wichtig, zu wissen, wie das neuste Excel-Programm läuft. Man muss es lernen, es gehört dazu, aber mich nur damit zu beschäftigen, würde ich nicht wollen.
Im Kochen steckt auch viel mehr, als man meint: Physik, Chemie, Geschmackskunde, Optik…
Und es braucht vor allem die Liebe dazu, die Leidenschaft. Man mag es und die Informationen um das herum zu sammeln, fällt einem somit leicht, weil man die Regale, um bildlich zu sprechen, schon aufgebaut und angeschrieben hat.
Und wenn Informationen kommen, gibt’s ein «Aha!», und dann geht’s los… Es ist kein anstrengendes Anlernen, es passiert einfach. Wenn man kocht, dann kocht man mit jemandem oder für jemanden und spricht mit ihnen und tauscht sich aus. Man fragt sich, was hat hier gefehlt, warum ist das nicht knusprig geworden, der andere gibt Ratschläge, «nein, schau, du musst eben…» - Dann gehst du nach Hause und sagst zu dir selbst: «Ha, jetzt habe ich’s». Das kommt alles mit dem Machen, wenn man es macht, dann ist man drin. Das ist nicht nur im Kochen so. Das ist dort, wo man seinen Interessen, seinen Träumen folgt.
Du willst die Dinge, die du gerne machst, auch teilen.
Ja, eventuell kommt es eh dorthin. Irgendwann wird es dann jemand merken: «Das machst du?» - «Ja, das mache ich».
Das ist mit der Musik auch so.
Ja, genau.
Zurück zu seinem Song «How Can I Be Free». Bist du irgendwo zuhause?
Im Moment, nicht wirklich, nein.
Was fehlt dir, damit du zuhause sein könntest?
Die Ruhe, die Sicherheit, dass ich irgendwo in einen Ort investieren kann. Ich bin sehr viel herumgezogen, sehr viel umgezogen. Jetzt ziehe ich schon wieder um, anfangs November, und hoffe, dort dann mehr als zwei oder zweieinhalb Jahre sein zu dürfen. Bis es heisst: «Ah, wir bauen um» oder sonst etwas. Mein Leben hatte sehr viele Wendungen genommen. Es ist kein Wunder, dass ich mich nirgends wirklich zuhause fühle. Es ist etwas, das für mich schwierig ist. Aber ich hoffe, dass es dieses Mal irgendwie geht. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Der hat der Familie gehört. Da wusste man, dein Durcheinander ist dein Durcheinander, wenn du nicht aufgeräumt hast, hast du nicht aufgeräumt. Wenn du renoviert hast, hast du renoviert, so wie du es wolltest. Das ist sehr befriedigend, das gibt einem sehr viel Energie und man eignet sich viele Skills an dabei. Ich investiere nicht gerne in Wohnungen, jemand wohnt oben, jemand unten. Wenn man einzieht, wird alles fotogra!ert und mit diesen Fotos wird dann alles wieder verglichen, wenn man wieder auszieht. Ich mag es lieber, in einem älteren Haus zu wohnen, bei dem der Besitzer nicht recht weiss, was machen damit und sagt: «Komm, mach einfach, isoliere du das» und mit der Zeit wird etwas draus. Das wird keine Villa werden, aber etwas Besonderes, Heimeliges. Das, wo ich jetzt einziehen werde, ist zwar nicht alt, aber es ist ein Bauernhaus und hat viel Platz und ich bin alleine im Haus. Das ist super.
Hast du Träume?
Ja. Ich träume davon, nach Hause zu gehen. Und ich träume davon, meinen Hof zuhause zu renovieren. Jetzt mache ich es einfach in den Ferien. Stück für Stück. Es ist kein Bauernhof mehr, aber man könnte etwas Cooles draus machen. Das wäre mein Traum. Ich mache gerne etwas aus nichts.
Die wichtigste Frage deines Songs: Bist du frei?
Ich glaube schon. Eigentlich bin ich frei, weil es nichts gibt, das ich machen muss. Auch wenn es anstrengend ist und ich es lieber nicht machen würde. Es gibt nichts, das ich machen muss. Ich könnte zu allem, was ich mache, «nein» sagen. Die Schwierigkeiten, die ich habe, oder all das Unangenehme, dem ich michstellen muss, dazu habe ich «ja» gesagt. Ich werde von niemandem gezwungen, etwas zu machen. Also ja, ich bin frei.
«Geits euch guet?»
Am Samstagabend gab der in Frutigen wohnhafte Sänger William White ein Jubiläumskonzert im Freibadareal des Frutigresorts. Seit 20 Jahren ist der aus der Karibik stammende Sänger nun in der Schweiz und anderswo auf den Bühnen unterwegs.
JACQUELINE RÜESCH
Der Abend versprach ja erst nichts Gutes. Gespannt auf ein tolles Konzert und voller Vorfreude fand sich das Publikum am Samstagabend in der Nähe der Frutiger Badi Lounge ein. Doch die Wolken hingen düster über dem Dorf und schon einige Zeit vor Konzertbeginn !ng es dann auch an zu regnen. Die Anwesenden standen etwas lustlos unter den aufgestellten Festzelten herum und warteten ab, was kommen mag. Mitorganisator des Anlasses, Reto Grossen, sprach zwar in seiner ruhigen gelassenen Art von «Tröpfelchen», doch die Anwesenden lächelten nur teils müde über seine freundlichen Beschwichtigungsversuche. Punkt acht Uhr fand sich dann William White auf der für ihn hergerichteten Bühne ein und nahm der Stimmung die Kälte. Seine neue Band und er griffen in die Saiten und Tasten und sogleich nahm eine karibische Brise dem herbstlichen Schweizer Wetter die Nässe. Der Regen hörte auf und es kam Bewegung ins Publikum – einige Menschen tanzten, einige trippelten hin und her, Kinder rannten herum und spielten im kurz gemähten Gras.
Ein schönes Jubiläum
Man merkte, der Mann hat 20 Jahre Bühnenerfahrung und wusste, wie er das Publikum zu nehmen hat. Dennoch war er nah an den Menschen, auf der Bühne kaum anders als daneben und einfach der «Willi», wie ihn Reto Grossen nennt, der heute mal etwas Musik macht, für seine Nachbarn, die Frutiger Bevölkerung. So fragte er denn auch anteilnehmend in die Runde «geits euch guet?» als er bemerkte, dass das Wetter doch noch etwas kälter war als gedacht. Er erzählte von sich selbst, wie er anfangs Mühe hatte, mit den Schweizer Temperaturen und nun selbst nicht mehr merkt, wenn es für andere einfach zu kalt wird und hauchte in die Luft, die vor Kälte leichte Rauchwölkchen bildete. Die Musik selbst verdient mehr Aufmerksamkeit, als sie im Musikbusiness tatsächlich erhält, darüber waren sich die ZuhörerInnen einig. William White hat mehr drauf, als man es sich vielleicht denkt. Das Beste: die Mischung aus Reggae, Soul und Funk macht es einem leicht, mehrere Stunden hinzuhören und einfach zu sein. Wie ein kleines Kaleidoskop kommt immer genau das, was grade noch gefehlt hat, teils alt Bewährtes, teils ein paar neue Stücke und zum Schluss zwei sanfte, eindringliche Melodien, die als Zugabe einen bezaubernden Musikabend beschlossen.