«Ich war früher selbst Journalist»
20.01.2023 PolitikDer gebürtige Frutiger Peter Lauener steht derzeit im Fokus der Öffentlichkeit. Im Jahr 2020, zu Beginn der Corona-Krise, befragte der «Frutigländer» den damals kaum bekannten Kommunikationsprofi zu seinem Arbeitsalltag und seinen Aufgaben im Innendepartement ...
Der gebürtige Frutiger Peter Lauener steht derzeit im Fokus der Öffentlichkeit. Im Jahr 2020, zu Beginn der Corona-Krise, befragte der «Frutigländer» den damals kaum bekannten Kommunikationsprofi zu seinem Arbeitsalltag und seinen Aufgaben im Innendepartement von Bundesrat Alain Berset.
Ende Mai 2020 ging die erste Welle der Pandemie allmählich zu Ende. Neben den obligatorischen Schulen durften auch Läden, Restaurants, Bibliotheken und Museen wieder öffnen, sofern sie Schutzvorkehrungen getroffen hatten. Der öffentliche Verkehr fuhr wieder weitgehend normal.
Anfang Juni konnten Kultur- und Sporteinrichtungen wieder öffnen, ebenso die nachobligatorischen Schulen. Die Obergrenze für Veranstaltungen wurde auf 300 Personen ausgeweitet. Mitte Juni gab der Bund dann einen Teil seiner Kompetenzen wieder an die Kantone ab. Die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz endete, es galt die «besondere Lage».
In jenen Tagen zeichnete sich also eine gewisse Entspannung ab, die auch dem Kommunikationschef des EDI einen Moment des Durchatmens gewährte. Dem «Frutigländer» bot das die Gelegenheit, Lauener einige Fragen zu seinen Aufgaben während der Pandemie zu stellen. Das daraus resultierende Interview erschien am Mittwoch, dem 3. Juni 2020. Angesichts der jüngsten Entwicklungen (siehe Spalte ganz rechts) drucken wir es hier noch einmal in Auszügen ab.
Peter Lauener, wie erleben Sie als Kommunikationschef im Eidgenössischen Departement des Innern diese ausserordentliche Zeit?
Eigentlich hat das Virus unseren Berufsalltag kaum verändert – oder doch: Es muss einfach alles doppelt so schnell gehen. Unter normalen Bedingungen sind die Prozesse in der Verwaltung klar strukturiert und etwas träge. Die Kommunikation hat darin ihren zugewiesenen Platz. Alles wird gegengelesen, diskutiert, korrigiert, es werden viele Fachleute und Stellen einbezogen. In der ausserordentlichen Lage haben wir viel weniger Zeit und müssen trotzdem sehr sorgfältig und dreisprachig arbeiten.
Gibt es in der Krise besondere Herausforderungen für Sie?
Wir wollten von Anfang an die Bevölkerung mitnehmen und vom Sinn der Massnahmen überzeugen: erklären und nicht einsperren oder verbieten. Die SchweizerInnen sind mündig. Eine Ausgangssperre kam daher nicht in Frage. Das bedingt aber eine intensive Kommunikation. Wir mussten immer wieder aufs Neue erklären: Weshalb macht es Sinn, dass man zu Hause bleibt, nur einmal in der Woche einkaufen geht? Wir merkten, dass wir stark mit grafischen Elementen, Tabellen und Piktogrammen kommunizieren müssen. Man darf sich auch nicht scheuen, dieselben Botschaften ständig zu wiederholen, denn nicht alle lesen dieselbe Zeitung oder schauen die gleichen Sender. Wir haben versucht, auf möglichst vielen Kanälen präsent zu sein und dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung die Informationen erhalten.
Mussten Sie diese Kommunikationsstrategie erst erfinden oder gab es eine solche für die «ausserordentliche Lage» schon?
Es gibt ein gutes Konzept für die Krisenkommunikation beim Bund. Es regelt die Zuständigkeiten und Prozesse. Die Inhalte diskutieren wir regelmässig mit der Bundeskanzlei und den Kommunikationsverantwortlichen aller Departemente. Man kann aber die Kommunikation in der Krise nur bis zu einem gewissen Grad planen. Vieles muss sehr schnell entschieden werden. Vieles muss man auch einfach ausprobieren und dann noch nachjustieren.
Was reizt Sie an Ihrem Job als Sprecher eines Bundesrats?
Das ist im Bereich Kommunikation einer der spannendsten Jobs, die es gibt: nahe an der politischen Entscheidung zu sein und das in einem Departement, das aussergewöhnlich breit aufgestellt ist. Es umfasst neben dem Gesundheitswesen und den Sozialversicherungen etwa auch die Kultur, die Statistik oder die Meteorologie – viele Themen, die nah bei den Menschen sind und über die auch immer wieder abgestimmt wird.
Welche besonderen Kompetenzen braucht man als Mediensprecher eines Bundesrats?
Belastbarkeit, gute Nerven, Kontaktfreudigkeit. Man muss Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, aber auch delegieren können. Ich muss merken, wenn unsere Kommunikation nicht verstanden wird.
Wie verläuft Ihr Arbeitstag? Wie informieren Sie sich als Kommunikationschef?
Ich beginne meinen Arbeitstag etwa um 6.45 Uhr im Büro und lese zuerst alle wichtigen Schweizer Zeitungen, immer in derselben Reihenfolge. Die Lektüre des Pressespiegels folgt um 7.30 Uhr. Anschliessend, um 8 Uhr, trifft sich das engste Team mit Bundesrat Berset zu einer Sitzung. Der Rest des Tages variiert. Manchmal begleite ich meinen Chef auf Reisen, an Veranstaltungen oder Pressekonferenzen. Manche Tage verbringe ich im Büro mit – wie ich meinen Job häufig beschreibe – Lesen, Schreiben und Telefonieren. Natürlich auch mit Sitzungen.
Sie sind täglich, wöchentlich, monatlich in Kontakt mit Journalisten. Welche Erfahrungen machen Sie mit den Medienvertreterinnen und -vertretern?
Beide Seiten arbeiten professionell und in gegenseitigem Respekt. Ich war früher selbst Journalist, das hilft mir in meiner jetzigen Funktion als Mediensprecher.
Wie gross ist Ihr Team?
Wir sind in der Kommunikation des Generalsekretariats neun Personen, verteilt auf 700 Stellenprozente, sowie zwei Lernende. Unsere Aufgaben sind die Begleitung und Beratung des Departementschefs, die Kommunikation der Bundesratsgeschäfte, das Redigieren von Texten und Medienmitteilungen, die Koordination mit den Ämtern und den anderen Departementen sowie die Betreuung der Webseite und der sozialen Medien.
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In der ausserordentlichen Lage wurden demokratische Prozesse abgekürzt, die typisch schweizerische Mitbestimmung «übersteuert». Wird die Corona-Krise unsere Demokratie längerfristig verändern?
Auch unser Notrecht basiert auf der Verfassung und das Epidemiengesetz wurde vom Volk deutlich angenommen. Es hat sich in der schlimmsten Covid-Phase bewährt. Entscheidend ist ja, dass die Phase des Notrechts nur vorübergehend ist. Der Bundesrat ist froh, dass das Parlament seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Die Analyse der Krisenbewältigung steht noch an. Diese wird uns sicher gute Erkenntnisse bringen, was anders gemacht werden muss. Vielleicht sind auch gesetzgeberische Anpassungen nötig.
INTERVIEW (2020): PETER SCHIBLI
EINLEITUNGSTEXT: MARK POLLMEIER
ZUR PERSON
Peter Lauener ist in Frutigen geboren und aufgewachsen. Nach der Matura studierte er an der Universität Bern Neuere Deutsche Literatur und im Nebenfach Geschichte sowie Religionswissenschaft. Auf die Promotion zum Dr. phil. folgten Weiterbildungen, zum Beispiel im Management von Non-Profit-Organisationen oder in Digital Marketing. Journalistisch tätig war er bei Radio BEO, Radio 32, bei «Der Bund» und beim «Bieler Tagblatt» sowie für die Schweizerische Depeschenagentur (SDA). Anschliessend wurde er Kommunikationsbeauftragter beim Schweizerischen Eisenbahnund Verkehrspersonal-Verband sowie Leiter Kampagnen und Kommunikation bei der SP Schweiz und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Im Februar 2012 wechselte Lauener als Kommunikationsberater ins EDI, wo er bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2021 die Kommunikationsabteilung leitete.
TEXT UND BILD: PETER SCHIBLI