«Ich will kein Geisterdorf erleben» – neue Zahlungsart Verd Cash startet durch
08.07.2025 WirtschaftMit der Verd Cash kommt eine neue Debitkarte ins Frutigland. Verd arbeitet mit einer fixen Gebühr und genossenschaftlicher Struktur. Ziel ist eine faire Bezahllösung, Wahlfreiheit und mehr Geld für die Schweiz.
ANGELA KRENGER
Von den Gebühren, ...
Mit der Verd Cash kommt eine neue Debitkarte ins Frutigland. Verd arbeitet mit einer fixen Gebühr und genossenschaftlicher Struktur. Ziel ist eine faire Bezahllösung, Wahlfreiheit und mehr Geld für die Schweiz.
ANGELA KRENGER
Von den Gebühren, die beim täglichen Zahlungsverkehr anfallen, fliessen Millionen von Franken aus der Schweiz direkt ins Ausland. Es ist Geld, das nicht mehr für und von der hiesigen Bevölkerung genutzt werden kann. Das neue Zahlungsmittel Verd will das ändern. Mit niedrigeren Gebühren und einer Genossenschaft, über die das Geld in die Gemeinden zurück!iesst, tritt Verd in den Markt ein und will für mehr Selbstbestimmung sorgen.
Niedrigere Abgaben für Gewerbler
«Für mich als Händler sind die günstigen Verd-Kommissionsgebühren auf Kartenzahlungen interessant», erklärt Roland Müller, Geschäftsführer der Müller Sport GmbH in Reichenbach. «Zudem fliesst die Hälfte davon in Projekte der Bevölkerung. Das ist ein massiver Mehrwert für das Gewerbe und die Dörfer», so der Unternehmer.
Roland Müller ist seit 30 Jahren im Detailhandel tätig. Er unterrichtet überbetriebliche Kurse für Detailhandelsleute in der Branche Sport und ist langjähriger Jugend+Sport-Trainer. «In unserem Sportbetrieb bilden wir Personen vom Lehrling bis zur Geschäftsführerin aus», hält er nicht ohne Stolz fest.
Leben und Läden im Dorf
«Verd motiviert, regional einzukaufen und so wird es möglich, dass wir auch in 20 Jahren noch Detaillisten vor Ort haben und Dörfer, die lebendig sind und wo sich die Leute oft und gerne begegnen können», ist der 49-jährige Reichenbacher überzeugt.
Er ist bereits im Vorstand des Loyalitätsprogramms ProBon. Für Verd übernimmt er nun die Rolle eines Bindeglieds zwischen der Verd-Genossenschaft und dem Frutigland. «Als designierter Präsident von ProBon Schweiz bin ich auch aktiv an dem Joint Venture zwischen ProBon und Verd beteiligt», so Müller. Er sieht Verd als «neuen Motor» für das 70-jährige ProBon-System. Das Ziel: «Mit Verd und ProBon können wir von ‹unten› her die Gemeinschaft stärken.» So könnten sich regionale Detaillisten behaupten, erklärt Roland Müller. Ein zentraler Ansporn für den Unternehmer, denn für ihn ist klar: «Ich will keine Geisterdörfer erleben.»
Also, was ist Verd?
Christian Wohlwend ist Initiant und Geschäftsführer von Verd. Er ist 64 Jahre alt, wohnhaft in Riggisberg und eigentlich «Eisenbähnler». Wohlwend war mehrere Jahre als Betriebsdisponent in diversen Funktionen bei der SBB tätig. Danach widmete er sich unterschiedliche Aufgaben. Wohlwend war im HR an Spezialprojekten beteiligt – zum Beispiel als Project Director und Human Resource Director beim Start und Aufbau von Orange Schweiz (heute Salt).
Mit Blick auf Verd besonders wichtig: Citelligent. Eine Forschungs- und Entwicklungsreihe, die Lösungen für öffentlich-rechtliche Institutionen erarbeitet.
So auch für die Stadt Lenzburg. «Die Finanzabteilung Lenzburg gab die Problemstellung der Digitalisierung bei einer Finanzabteilung bei Citelligent ein», erzählt Christian Wohlwend. Dieses Projekt habe ihn näher an die Finanzwelt gebracht.
Der «Eisenbähnler» ging also mit einem vollen Rucksack in die Finanzbranche und rüttelte sie prompt mit neuen Ideen auf. «Es gibt grosse Anbieter wie VISA, Mastercard oder TWINT. Doch diese belächeln Verd zurzeit bloss», berichtet Wohlwend. «Oft hören wir ‹Wo ist da der Haken?› Dann müssen wir erklären, was wir tun: Jeder Mensch soll selbst entscheiden können.» Verd sei eine faire Bezahllösung mit zwei Vorteilen. «Die Bevölkerung bekommt Geld für Aktivitäten in ihrer Wohngemeinde und das Gewerbe wird durch niedrigere Transaktionsgebühren entlastet», fasst der Geschäftsführer zusammen.
Das gehe, ohne dass sich zum Beispiel jemand daran bereichern würde, betont er. Zum Beispiel gelang es Verd – nach fünf Jahren – einen Weg zu finden, die grossen Technologieanbieter zu umgehen und trotzdem das gleiche Terminal zu nutzen, das die Geschäfte bereits haben. Im Herbst wird eine App fürs Bezahlen mit QR-Code kommen und im 2026 soll die Möglichkeit der direkten Kontoanbindung folgen. Ambitionierte Ziele, die zum Namen passen. «Verd» ist Rätoromanisch und bedeutet «grün», die Farbe der Hoffnung.
0,6 Prozent
Und so funktioniert es: Bei jedem Einkauf mit der Verd-Karte werden 0,6 Prozent Kommissionsgebühren erhoben. Davon werden 0,3 Prozent für das System selbst und für Steuern verwendet. Die anderen 0,3 Prozent gehen zur Hälfte an die Wohngemeinde des Kartenhalters und in einen allgemeinen Landestopf der Genossenschaft. Die Verd-Genossenschafterinnen einer Gemeinde stimmten dann darüber ab, wozu das Geld genutzt wird, so Wohlwend. Das könnte zum Beispiel ein Pumptrack sein.
Bis zu 97 500 Franken für Reichenbach
«Wenn in Reichenbach 1,4 Prozent der Haushalte mit der Verd-Karte einkaufen, dann entsteht ein Gewinn von rund 1500 Franken, der an die Bevölkerung zurückgeht», rechnet Wohlwend vor. Machen alle Haushalte mit, werden pro Jahr sogar um die 97500 Franken zusammenkommen, die dann in Gemeindeprojekte investiert werden können.
Auch für Städte ist Verd interessant, so etwa für die Bundesstadt. «Nutzen die Bernerinnen und Berner Verd, dann sind es mindestens 55 000 Franken und maximal 4 Millionen, die den Einwohnern Berns pro Jahr zur Verfügung stehen», illustriert Wohlwend.
So geht’s
«Die Prepaid-Debitkarte wird auf verd. swiss bestellt und via E-Banking aufgeladen. Danach kann sie schon genutzt werden. Für Gewerbler geht’s ähnlich rasch: «Jedes Geschäft kann sich über verd.cash online anmelden, danach wird ein Händlervertrag von fünf Seiten verschickt. Retournieren – und die Kundschaft kann übers übliche Terminal mit der Verd-Karte bezahlen», beschreibt der Geschäftsführer.
«Zurzeit kann in über 80 Geschäften mit Verd bezahlt werden. Und es werden immer mehr», verrät Wohlwend. National tätige Player würden nach der Testphase im Herbst folgen, zum Beispiel dank der Partnerschaft mit ProBon. Dabei gilt: «Für jedes Unternehmen, egal wie gross oder klein, gilt dieselbe Transaktionsgebühr von 0,6 Prozent.»
Wer steckt dahinter?
«Verd ist ein Ökosystem, das der Schweiz gehört. Es erwirtschaftet Geld und gibt es wieder an die Bevölkerung zurück», sagt der Geschäftsführer. Es bestehe aus der Verd-Purpose-Genossenschaft und zwei Tochtergesellschaften: einerseits aus der Verd Services GmbH für Angelegenheiten wie HR oder IT, andererseits aus der Verd Finanzas AG für den Betrieb, so den Betrieb der Bezahlmöglichkeit.
«Insgesamt sind wir 14 Personen, ohne Boni oder dergleichen. Zudem arbeiten wir mit Schweizer Hochschulen und mit zahlreichen Betrieben mit Sitz und Produktion in der Schweiz zusammen», so der Verd-Initiant.
Mit den Gemeinden
«Es sind aktuell 17 Gemeinden dabei. Nach dem Sommer werden es schon massiv mehr sein. Weit fortgeschritten sind Gespräche mit über 130 Gemeinden, etwa der Stadt Bern, Burgdorf, Uznach oder Schwyz.» Jede Gemeinde entscheide für sich, ob sie das Geld aus dem Gemeinde-Topf den ansässigen Genossenschaftern freigeben wolle, erklärt Wohlwend. Ansonsten fliesst alles in den Landestopf. Organisiert werde die Vergabe von örtlichen Verd-Vereinen.
Reichenbach geht voran
«Die Gemeinde Reichenbach hat an einer Gemeinderatssitzung im Juni beschlossen, bei Verd mitzumachen», berichtet Gemeindepräsident Martin Gerber. Ausschlaggebend für den Entscheid sei das Gewerbe gewesen. Die örtlichen Detaillisten würden bei der Zahlungsart mitmachen und die Gemeinde habe sie darin unterstützen wollen.
«Wir haben die Aktivierungsvereinbarung unterzeichnet», beschreibt Gerber die Vereinbarung mit Verd. «So fliesst ein Teil der Kommissionsgebühren in Gemeindeprojekte.»
Entscheiden, wo das Geld hinfliesst
«Heute geht ein Grossteil der 1,7 Milliarden Franken an Transaktionsgebühren jährlich ins Ausland», erinnert Wohlwend. Verd sei nun ein Tool, das den Konsumenten die Wahlmöglichkeit gebe. «Jeder Mensch sollte im Rahmen seiner Ressourcen entscheiden, was er umsetzen will», ist er überzeugt. Verd steht jeder in der Schweiz wohnhaften Person offen. Eine Genossenschafts-Mitgliedschaft kostet einmalig fünf Franken. Die Vision von Verd fasst Wohlwend kurz: «Ziel ist die Selbstbestimmung.»
ANGELA KRENGER