«Ich wusste immer, dass ich Kritik ausgesetzt sein würde»

  03.03.2023 Frutigen

Neun Jahre lang war Peter Wenger Bauverwalter in Frutigen, seine Amtszeit verlief phasenweise turbulent. Kurz nach seiner Pension zieht er nun Bilanz.

JULIAN ZAHND
Peter Wenger war ein beruflicher Quereinsteiger. Den gelernten Metallbauschlosser mit Weiterbildung zum Technischen Kaufmann zog es schon früh in die Politik – zunächst in die Baukommission seiner Heimatgemeinde Längenbühl, danach in den dortigen Gemeinderat ins Ressort Bau und schliesslich ins Gemeindevizepräsidium. Nachdem er sich im Alter von 50 Jahren entsprechend weitergebildet hatte, amtete er in Wohlen vier Jahre lang als stellvertretender Bauverwalter. 2014 wechselte er nach Frutigen, wo er bis zur Pension bleiben wollte – also bis letzte Woche.

Es waren teils ruppige neun Jahre. Zunächst musste sich der neue Bauverwalter um Altlasten seiner Vorgänger kümmern: Das Gebühreninkasso in den Bereichen Abwasser und Strassen war während Jahren mangelhaft ausgeführt worden, bis der Regierungsstatthalter Druck machte. Die zunehmende Gesetzesdichte – vor allem was das Bauen ausserhalb der Bauzone betrifft –, führte in der Bevölkerung zu Unmut, der sich unter anderem explizit gegen den Bauverwalter richtete.

Seit Ende Februar ist Peter Wenger im Ruhestand. Im Interview verrät er, wie er sich im Spannungsfeld zwischen Bürgernähe und Gesetzestreue zurechtfand und weshalb er seinem Nachfolger bei der Amtsübergabe ein Stück Eisenerz überreichte.

«Frutigländer»: Herr Wenger, mit welchem Gefühl verliessen Sie Frutigen nach Ihrem letzten Arbeitstag?
Peter Wenger:
Mit einem guten Gefühl. Ich ging ohne Groll und bin der Ansicht, dass eine wesentliche Mehrheit der Bevölkerung mit meiner Arbeit zufrieden war.

Das war wohl nicht immer so: Im März 2020 forderten fast 250 Personen mit einer Petition Ihren Rücktritt.
Diese Zahl hatte mich damals tatsächlich überrascht. Ich gewann später aber den Eindruck, dass längst nicht alle UnterzeichnerInnen ein Problem mit mir hatten. Einige kannten mich gar nicht persönlich und würden die Petition heute womöglich nicht mehr unterstützen.

Trotz dieser Relativierungen: Eine solche Kampagne nagt doch an einem. Wie kamen Sie mit der Kritik zurecht?
Ein Bekannter von mir sagte einmal, 3 Prozent Unzufriedene gebe es immer. Wenn nicht, mache man seinen Job nicht richtig. Bereits vor Stellenantritt war mir bewusst, dass ich als Bauverwalter Kritik ausgesetzt sein würde, das gehört halt einfach dazu. Ich konnte beispielsweise nicht erwarten, nach der Einforderung von zwei Millionen Franken nachträglicher Gebühren Jubel zu ernten. Ich bin vor neun Jahren nach Frutigen gekommen, um mich hier pensionieren zu lassen, daher liess ich mich nicht so rasch verunsichern. Nach Eingang der Petition signalisierte ich dem Gemeinderat aber: Wenn ich für euch nicht mehr tragbar bin, dann gehe ich. Innerhalb von 30 Minuten ist mein Schreibtisch geräumt.

Dazu kam es nicht. Wie hat sich die Situation seit 2020 entwickelt?
Es gab eine Aussprache zwischen Gemeinde und Betroffenen und die Lage hat sich beruhigt. Manche haben wohl eingesehen, dass sie ihren Unmut in die falsche Richtung gelenkt hatten.

Welche wäre denn die richtige Richtung gewesen?
Die Gesetze werden in der Politik gemacht. Ich führe sie nur aus.

Als Bauverwalter muss man einen Spagat zwischen Gesetzestreue und Bürgerfreundlichkeit vollführen. Wie meisterten Sie ihn?
Ich versuchte immer, faktenbasiert zu argumentieren und so die Leute zu überzeugen, wenn etwas nicht gesetzeskonform war. Dabei gewährte ich aber auch Spielräume: Ich legte das Gesetz so mangelhaft aus, wie das für mich noch vertretbar war. Doch etwas Illegales konnte ich beim besten Willen nicht gutheissen – und wenn mich jemand wiederholt darum bat, dann wurde ich schon mal ungeduldig.

Ist das Oberland für dieses Amt ein besonders hartes Pflaster?
Das Eigentum, das eigene Land hat hier einen besonders grossen Wert und ist für viele unantastbar. Mit der zunehmenden Dichte an Gesetzen im öffentlichen Recht werden die Eigentumsrechte aber immer mehr eingeschränkt, was zu Konflikten führt. Grundsätzlich ist die Gesetzestreue hier wohl etwas weniger ausgeprägt als im Mittelland. Das kann man sich gewissermassen auch eher leisten als im dicht besiedelten städtischen Raum, wo jeder Regelverstoss ziemlich rasch auffällt.

Als Bauverwalter, so scheint es, muss man sich eine harte Schale zulegen. Sie sind gelernter Metallbauschlosser. Hat Ihnen die Erstausbildung dabei geholfen?
Ein handwerklicher Beruf ist physisch hart, als Bauverwalter war ich eher emotional gefordert. Insofern sehe ich wenige Parallelen. Was mir aber geholfen hat, ist ein gewisses praktisches Verständnis, das ich mir aufgrund der Erstausbildung angeeignet hatte. Manchmal sah ich als Bauverwalter mit blossem Auge, dass mit einem bestimmten Gebäude etwas nicht in Ordnung sein kann.

In Ihrer Anfangsphase mussten Sie ein während Jahren mangelhaftes Gebühreninkasso der Gemeinde aufarbeiten. Heute steht der Richtplan Widi im Fokus, die Behörden ernten teils massive Kritik. Hat Frutigens Bauverwaltung ein grundlegendes Problem?
Ich will meinen ehemaligen Arbeitgeber nicht bewerten. Ich kann nur sagen, wie ich der Kritik aus der Bevölkerung begegnen würde: Mit maximaler Transparenz, damit möglichst wenig Misstrauen entsteht.

Die angedachte regionale Bauverwaltung würde zu mehr Professionalisierung führen. Ist das der richtige Weg, die Herausforderungen anzupacken?
Die Professionalisierung hätte definitiv Vorteile. Allerdings habe ich angesichts des Fachkräftemangels meine Zweifel, ob das geeignete Personal überhaupt gefunden werden könnte. Zudem erachte ich es als kompliziert, wenn sich dieselbe Behörde mit vielen unterschiedlichen Gemeindereglementen auseinandersetzen muss. Ich bin daher kein Freund dieser Idee und finde, dass sich eine Gemeinde in der Grösse Frutigens, Adelbodens oder Reichenbachs eine eigene Bauverwaltung leisten sollte. Wenn man schon über eine Zentralisierung nachdenkt, müsste man sich eher fragen, ob die Baubewilligungskompetenz nicht gleich ans Regierungsstatthalteramt übertragen werden könnte, was die Gemeinden entlasten würde.

Nun übernimmt Patrick Suter Ihr Amt. Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
Dass er seine Arbeit in Ruhe ausführen kann und starke Nerven hat. Bei der Amtsübergabe schenkte ich meinem Nachfolger ein Stück Eisenerz, das Beständigkeit und Widerstandsfähigkeit symbolisieren soll.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote