Im Gasterntal ist rasche Hilfe gefragt
08.09.2023 KanderstegDie Schäden im Gebiet Selden sind so gross, dass die Behörden nun unkompliziert helfen. Die Gemeinde hat einen Spendenaufruf gestartet, und Ratspräsident René Mäder formuliert Visionen bezüglich der Zukunft des Gasterntals.
PETER ...
Die Schäden im Gebiet Selden sind so gross, dass die Behörden nun unkompliziert helfen. Die Gemeinde hat einen Spendenaufruf gestartet, und Ratspräsident René Mäder formuliert Visionen bezüglich der Zukunft des Gasterntals.
PETER ROTHACHER
Als Präsident der Bäuert Gastern zeigt sich der Aeschiner Hansueli Rauber vom Ereignis des 24. August 2023 sehr beeindruckt: «Der Hagelzug im Gebiet Lötschenpass, Hockenhorn und Petersgrat liess die Gegend aussehen, als wäre sie mit Schnee bedeckt. Und innert zwei bis drei Stunden liessen die Wassermassen des Gewitters die Bäche und Gräben im Gebiet Hohwide so anschwellen, dass sich gewaltige Murgänge lösten.» Das Geschiebe – er schätzt die Dimension auf 100 000 bis 200 000 Kubik – ergoss sich hauptsächlich auf die Ebene von Selden. «Wie zum Beispiel aus dem Leitibach ein regelrechter Sturzbach wurde – das war absolut abartig», so Rauber.
Das schöne Wiesland Chüebode wurde meterhoch zugeschüttet, und vom Wohnhaus mit dem benachbarten Stall sind nur noch die Dachgiebel zu sehen. «Glücklicherweise kamen Mensch und Tier nicht zu Schaden, und das Wildhüterhaus wurde wie durch ein Wunder verschont», erklärt Rauber.
Kraftwerke stark beschädigt
Weil das Gasterntal über keine Stromzufuhr verfügt, sind die Betriebe Berghotel Steinbock, Berghotel Gasterntal und das Berghaus Gfellalp mit je einem Kleinkraftwerk ausgerüstet. Deren Einlaufbauwerke für das Wasser sind allesamt zerstört worden. «Die Pfadfinder, die sich auf der Gfellalp befanden, habe ich telefonisch gewarnt und sie gebeten, das Berghaus nicht zu verlassen», berichtet der Bäuertpräsident. «Sie haben dann ohne Strom übernachtet. Die dortige Trinkwasserversorgung konnte schon wieder repariert werden. Aber das 90-jährige Kleinkraftwerk – das bisher noch nie beschädigt worden ist – kann wie die beiden anderen wohl nur mit einem sehr grossen Aufwand erneuert werden.»
Strasse kaum betroffen
Die Zufahrtsstrasse ins Gasterntal sei zum Glück von der Kander kaum tangiert worden, freut sich Rauber. «Am Abend des Unwetters gab es null Probleme, erst am darauffolgenden Vormittag, als die Flut zurückging, wurde das Wasser wegen des in der Ebene abgelagerten Geschiebes durch das unterste Auengebiet in Richtung Strasse gelenkt.» Die Zufahrt sei aber passierbar geblieben. Vier Brückenwiderlager von Seitensträsschen seien dagegen stark beschädigt worden. «Einige landschaftliche Schäden werden sich nicht mehr beheben lassen», ist Hansueli Rauber überzeugt. Aber man müsse auch das Positive sehen: «Zum Glück war nur die linke Talseite betroffen – wenn auf der Doldenhornseite ebenso viel Wasser gekommen wäre, würden wir das Gasterntal jetzt kaum mehr wiedererkennen.»
Schutzdämme rasch ersetzen
Eine ähnliche Bilanz zieht Simon Hari, der Präsident der Schwellenkorporation Kandersteg. «Die Lage hat sich nach dem Unwetter beruhigt, obschon es am darauffolgenden Wochenende noch einmal zu starken Regenfällen gekommen ist. Am Auffälligsten sind natürlich die beiden zugeschütteten Häuser im Chüeboden. Diese dürften entsorgt werden; aber damit haben wir von der Schwellenkorporation nichts zu tun, das ist Privateigentum. Die Matte wird man kaum freilegen können. Ich wüsste zumindest nicht, wohin mit dem Geschiebe. Zudem ist das Gasterntal für schweres Gerät nicht zugänglich.»
In Haris Zuständigkeit fallen die Arbeiten an der Kander: «Es gilt, diverse aus der Zeit von 2011 stammende Schutzdämme, die jetzt weggeschwemmt wurden, rasch wieder zu ersetzen», stellt Hari in Aussicht. Das Unwetter damals sei noch schlimmer gewesen. Seither habe es in den Jahren 2016 und 2022 ähnliche Ereignisse wie das aktuelle gegeben, allerdings nicht mit solchen Gebäudeschäden.
Das Gefahrenpotential steigt
Die Murgänge im Gebiet Hohwiede hätten in Selden bis zu drei Meter hoch Material abgelagert, weiteres Geschiebe sei aber durch die Kander weiter transportiert worden, sagt Simon Hari. «Der Fluss sucht sich ja immer wieder unvorhersehbare Wege und lagert das Material dann im Flachen Gebiet ab. Das Flussbett landet so zunehmend auf, ähnlich wie beim Tschingelsee im Kiental. Das hat zur Folge, dass die Strasse und zunehmend auch Gebäude gefährdet werden.» Aber bei Auengebieten von nationaler Bedeutung seien Eingriffe nicht erwünscht, und unterhalb der Klusbrücke seien keine Schäden bekannt.
Im Moment gehe es darum, die Kosten für die Instandstellungsmassnahmen zu erheben. Nach den Subventionszusagen des Kantons sollen die Arbeiten im Herbst so schnell wie möglich ausgeführt werden.
Baldige Hilfe dank Sofortmassnahmen
René Maeder, Gemeinderatspräsident von Kandersteg, hat das Schadensgebiet gemeinsam mit Regierungsstatthalterin Ariane Nottaris und den Betroffenen besichtigt. «Zusammen mit Vertretern der Gebäudeversicherung, der Schwellenkorporation sowie den zuständigen kantonalen Ämtern haben wir uns ein Bild über das Ausmass der Zerstörung machen können», berichtet Maeder. «Die Sachschäden an Gebäuden, Infrastrukturanlagen und Kulturland werden auf Millionenhöhe geschätzt.» Einige Zuständigkeiten bezüglich der Kosten seien zwar kontrovers diskutiert worden, doch der Statthalterin macht Maeder ein Kompliment: «Ariane Nottaris hat in ihrer Kompetenz diverse Sofortmassnahmen unkompliziert entschieden, die bis Ende Jahr auszuführen sind. Und ich habe per Präsidialbeschluss entschieden, die Kosten für die Instandstellung der betroffenen Wanderwege zu bewilligen.» Maeders Bilanz: «Alle waren willens, rasch zu handeln.»
Auf zusätzliche Spenden angewiesen
Da es absehbar ist, dass ungedeckte Restkosten von über 100 000 Franken übrigbleiben werden, hat die Einwohnergemeinde Kandersteg ein Spendenkonto eröffnet (siehe Hinweis unter dem Artikel). «Bisher sind gut 5000 Franken eingegangen, aber ich hoffe, dass Service-Clubs und Firmen noch einiges beisteuern werden», so Mäder.
Sorgen bereitet dem Ratspräsidenten die Situation um das Berghaus Heimritz. «Nebst der Problematik um Mitholz – die Familie wohnt dort – hat das Unwetter im Gasterntal nun auch noch ihr bestes Weideland zerstört. Und der Stall an der Kander konnte jetzt nur behelfsmässig geschützt werden. Dort bräuchte es zur Existenzsicherung der Familie eine definitive Lösung mit einem Damm.»
Mit Blick in die Zukunft hofft René Maeder auf ein gewisses Umdenken bezüglich der alten Strukturen, konkret: «dass dereinst entweder eine Stromleitung ins Gasterntal gezogen wird oder Elektrizität mittels Solarpanels auf den Dächern erzeugt und in einer Batterie gespeichert werden kann.» Zudem sei eine gemeinsame Wasserversorgung anzustreben und eine entsprechende Lösung für das Abwasser zu suchen.
Spenden an «Hilfe für das Gasterntal»:
Einwohnergemeinde Kandersteg, Spendenkonto Gasterntal, Aeussere Dorfstrasse 26, 3718 Kandersteg, IBAN: CH17 0878 4032 7902 7825 2. Einzahlungsscheine können unter Tel. 033 675 82 22 oder via E-Mail info@gemeindekandersteg.ch bestellt werden.