Markus Grossen-Sommer ist nicht mehr Mitglied des Liberalen Frutigen. Sein Austritt kam offenbar überraschend, die Parteispitze ist enttäuscht. Der 2021 gewählte Gemeinderat will nun unabhängig politisieren – zumindest bis zu den nächsten ...
Markus Grossen-Sommer ist nicht mehr Mitglied des Liberalen Frutigen. Sein Austritt kam offenbar überraschend, die Parteispitze ist enttäuscht. Der 2021 gewählte Gemeinderat will nun unabhängig politisieren – zumindest bis zu den nächsten Wahlen.
JULIAN ZAHND
Parteipolitik, so hört man es immer wieder, spielt in Frutigen keine Rolle. Tatsächlich mag die auf nationaler Ebene entworfene offizielle Parteilinie im Gemeinderatszimmer in den Hintergrund rücken. Ganz richtig ist die Aussage trotzdem nicht: Erstens bezweckt die Proporzwahl in Frutigen, dass primär Parteimitglieder und nicht Köpfe gewählt werden. Zweitens pflegen Lokalpolitiker derselben Partei einen vertieften Austausch, der die Meinungsbildung beeinflusst.
Es erstaunt daher nicht, dass der Austritt Markus Grossens aus dem Liberalen Frutigen (LF) nicht spurlos an der Parteispitze vorbeigeht: «Der Entscheid hat uns alle sehr überrascht und wir bedauern ihn», sagt Niklaus Liechti, Präsident des LF.
«Für mich stimmte es einfach nicht mehr»
Der Trennung ging offenbar kein Streit voraus. Vielmehr, so scheint es, haben sich der 2021 gewählte Gemeinderat und das LF im Laufe der Jahre auseinandergelebt. «Meine Interessen und jene der Partei unterschieden sich manchmal.» Konkret wird Grossen nicht, denkbar ist aber, dass die Meinungen insbesondere im Bereich Landwirtschaft nicht immer deckungsgleich waren. Markus Grossen ist Meisterlandwirt.
Doch ihm geht es noch um etwas anderes: «Meiner Meinung nach braucht es in der Lokalpolitik nicht nur Parteidenken, sondern gemeinsame Nenner. Vielleicht sind die Parteien für den Wahlkampf wichtig, nicht aber für die gute Zusammenarbeit im Gemeinderat.» Für ihn stimme es einfach nicht mehr, einer Partei anzugehören.
Insofern erstaunt der Weg nicht, den Grossen nun vorerst einschlägt: «Ich werde als Parteiloser im Gemeinderat verbleiben.» Darüber hinaus denkt er aber noch nicht. «Ob ich Ende 2025 für eine weitere Legislatur kandidieren werde, lasse ich noch offen.»
Vielleicht trifft man sich wieder – auf derselben Liste
Grossens liberale Wurzeln reichen nicht weit zurück: Der Partei trat er erst im Zuge der Gemeindewahlen 2021 bei. Dass er damals mit 786 Stimmen (7 Stimmen mehr als Thomas Egger) den zweiten LF-Sitz holte, erstaunte ihn ziemlich.
Niklaus Liechti ist dennoch überzeugt: «Die Parteiwahl war die richtige. Wir passten eigentlich gut zusammen, denn Markus Grossen ist nicht nur Bauer, er ist eben auch Unternehmer.» Grossen selbst bezeichnete sich während des Wahlkampfs als «Landwirt, Rybrügg-Milch-Unternehmer und Schneesportlehrer, der die Zusammenarbeit zwischen Gewerbe, Landwirtschaft und Tourismus fördern will». Dass er seinen Austritt bekannt gab, ohne zuvor mit der Parteileitung das Gespräch gesucht zu haben, enttäuschte den LF-Präsidenten. Er stellt jedoch in Aussicht, Grossen bei den nächsten Wahlen wieder auf die Liste zu nehmen, sollte er erneut kandidieren. Solche «Gästeplätze» sind in Frutigen nicht unüblich. Für die Partei hätte das klare Vorteile: Grossens Bisherigen-Bonus müsste zwar unter allen Listenpartnern aufgeteilt werden, verbliebe aber im eigenen politischen Lager.
Ein Dämpfer für die Wahlen
Frutigens Gemeindepolitik dürfte sich durch Grossens Schtritt kaum verändern. Die Ausgangslage fürs LF im Hinblick auf die nächsten Wahlen aber schon: «Eigentlich möchten wir nun Vollgas geben, um den dritten LF-Sitz zurückzuholen», sagt Niklaus Liechti. Diesen Sitz hatte das Liberale Frutigen im November 2021 an die SP abtreten müssen. Das Ziel scheint nun angesichts der jüngsten Entwicklungen noch ambitionierter. Gleichzeitig ist klar: Die aktuelle Sitzverteilung verzerrt die Realität beträchtlich. Während der nächsten knapp zwei Jahre besetzt das LF einen von acht Gemeinderatssitzen (ohne den separaten Obmann gerechnet). Der Wähleranteil der Partei beträgt allerdings mehr als das Doppelte. Spätestens im November 2025 dürfte sich dieses Ungleichgewicht aber wieder austarieren – unabhängig davon, ob Grossen erneut kandidiert.