Im Namen der Orte
08.11.2024 TourismusSeit sieben Jahren bündelt die gemeindeübergreifende Tourismusorganisation TALK die Interessen der angeschlossenen Ortschaften. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Dominique Lüthy über Transparenz, Grusskultur und «Markenkleider».
...Seit sieben Jahren bündelt die gemeindeübergreifende Tourismusorganisation TALK die Interessen der angeschlossenen Ortschaften. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Dominique Lüthy über Transparenz, Grusskultur und «Markenkleider».
JULIAN ZAHND
Vor gut zwei Wochen informierte die Gemeinde Reichenbach an einem öffentlichen Anlass über die beiden Urnenabstimmungen vom 24. November (der «Frutigländer» berichtete). Der Kirchgemeindesaal war damals gut gefüllt, und wie sich im Laufe des Abends herausstellen sollte, stiess vor allem eines der beiden Geschäfte auf Interesse: die Erhöhung des Gemeindebeitrags an die Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg (TALK) AG. Anwesend war an diesem 22. Oktober auch Dominique Lüthy, seit 2022 Geschäftsführer der Organisation. Und er hatte einiges zu tun: Die anwesenden BürgerInnen richteten zahlreiche Fragen an ihn, sie hatten offensichtlich Redebedarf.
Ein kurvenreicher Lebenslauf
Dass die gemeindeübergreifende Tourismusorganisation kein Selbstläufer sein würde, zeichnete sich bereits beim Gründungsprozess ab: Mit klarem Mehr lehnte Lenk Tourismus 2017 den Beitritt zur TALK AG ab, man bevorzugte eine unverbindlichere Form der Zusammenarbeit. Vier Jahre später brodelte es auch im Kander- und Engstligtal: Wegen Unstimmigkeiten zwischen Aktionariat und Verwaltungsrat trat Letzterer zusammen mit dem damaligen Direktor geschlossen zurück.
Der neue Verwaltungsrat und der neue Geschäftsführer ergriffen diverse Massnahmen, um die Akzeptanz im Tal zu erhöhen – mit einigem Erfolg: In den letzten Jahren hat sich die Situation beruhigt. Die Infoveranstaltung in Reichenbach zeigte jüngst aber, dass eine gewisse Restskepsis noch heute besteht.
Wie beurteilt Dominique Lüthy die aktuelle Situation, wo steht die Tourismusorganisation heute? Im Interview gibt der Geschäftsführer Antworten.
«Frutigländer»: Herr Lüthy, welchen Eindruck hinterliess der Infoanlass vom 22. Oktober bei Ihnen?
Der Abend in Reichenbach war sehr wichtig für uns. Die Bevölkerung hatte viele Fragen, und wir erhielten an diesem Anlass die Gelegenheit, sie direkt zu beantworten. Ein solcher Austausch bringt uns voran. Ich erlebte die Stimmung als konstruktiv.
Die Fragen betrafen vor allem den Tätigkeitsbereich der TALK AG sowie die Finanzflüsse. Weshalb ist es der Organisation nach sieben Jahren nicht gelungen, diese Fragen abschliessend zu klären?
Vor allem in der Anfangszeit bestanden erhebliche Zentralisierungsängste. Wir konnten und können diese laufend abbauen, indem wir beispielsweise an Events oder auf der Strasse den direkten Kontakt zu den Menschen suchen. Dazu kann ich Ihnen eine nette Anekdote erzählen: Als ich den Trailrunning-Event Wildstrubel UTMB besuchte, sprach mich plötzlich eine Frau an. Sie beschwerte sich, ich hätte sie zuvor nicht gegrüsst. Normalerweise grüsse ich die Leute natürlich, vermutlich hatte ich sie an diesem Anlass schlicht übersehen. Was am Ende aber zählte: Durch ihre Kontaktaufnahme entstand ein anregendes Gespräch, und wir hatten einen guten Austausch. Solche Erlebnisse bauen Hürden ab. Doch es ist klar: Die Tourismusorganisation ist ein komplexes Gebilde, da wird es immer auch Überbleibsel an Kritik geben.
Was hat sich seit dem Jahr 2021 konkret verändert, als die damalige TALK-Führung geschlossen zurücktrat?
Der neue Verwaltungsrat besteht aus mehr Mitgliedern, dadurch ist er breiter abgestützt. Die Tourismusvereine der Orte haben zudem mehr Kompetenzen als früher. Ebenfalls existiert seit einiger Zeit ein Aktivitätenplan, in dem ersichtlich ist, welches Projekt wie viel kostet und wer was zahlt. Wir setzen ganz auf Transparenz.
Profitieren auch die einzelnen BürgerInnen von dieser Transparenz?
Ja, aber indirekt. In erster Linie ist der Einblick für die Leistungsträger und die Gemeinden wichtig. Ich bezweifle, dass jede Einzelperson das Bedürfnis hat, unsere Prozesse zu durchleuchten, die wie gesagt ziemlich vielschichtig sind. Das zeigt sich beispielsweise bei der Finanzierung.
Geben Sie uns dennoch einen vereinfachten Überblick?
Die Finanzierung besteht aus folgenden vier Töpfen:
• Der grösste Topf wird aus den Kurtaxeneinnahmen gespeist. Dieses Geld ist zweckgebunden und muss für touristische Events und Infrastruktur in jenem Ort verwendet werden, in dem es generiert wurde. Typische Beispiele sind der Weltcup oder der Unterhalt der Wanderwege sowie neue Erlebniswege.
• Topf zwei besteht aus der Beherbergungsabgabe. Diese beträgt einen Franken pro Logiernacht, der Betrag wird vom Kanton anschliessend verdoppelt. Das Geld wird für Marketingzwecke verwendet.
• In touristischen Gemeinden wie Adelboden und Kandersteg fällt zudem eine Tourismusförderungsabgabe für Unternehmen an, die von den Behörden erhoben wird. Auch diese Beträge fliessen ins Marketing der Tourismusorganisation, die daraus unter anderem TV-Spots oder Kampagnen auf Social Media erstellt.
• Ergänzt wird die Finanzierung durch den Topf der freiwilligen Mittel. Dabei handelt es sich um Beiträge von Leistungsträgern wie Bergbahnen oder um Geld, das wir durch Diensteistungen erwirtschaftet haben.
Die Kurtaxeneinnahmen fliessen also zur TALK und danach wieder zurück an die Gemeinden. Weshalb dieser Umweg?
Wir kreieren Ideen und arbeiten für die Orte konkrete Projekte aus. Diesen Auftrag haben die Gemeinden an uns delegiert, da sie den Aufwand nicht selbst stemmen könnten. Zudem haben wir als gemeindeübergreifende Tourismusorganisation einen Gesamtblick, was ein koordiniertes Vorgehen ermöglicht. Den finalen Entscheid über ein Projekt fällt aber nicht die TALK AG, sondern der örtliche Tourismusverein, in dem auch die Gemeinde vertreten ist.
Effizienz und Professionalität sind somit zentrale Vorteile der neuen Strukturen. Welchen Nutzen bringen sie sonst noch?
Eine bessere Sichtbarkeit. Die Destination als Reiseziel für unsere Gäste musste und muss sich bis heute ihren Platz auf dem Weltmarkt hart erarbeiten. Wenn sich jede Gemeinde wieder einzeln vermarkten müsste, könnten sich manche Gebiete vermutlich kaum behaupten.
Die Lenk bleibt trotz dieser Vorzüge bis heute skeptisch und hält an ihrer Eigenständigkeit fest. Gibt es vonseiten der TALK AG Bestrebungen, das Nachbartal doch noch an Bord zu holen?
Wir arbeiten heute sehr eng mit der Lenk zusammen und sind zufrieden, wie es läuft. Natürlich sind wir bestrebt, diese Kooperation laufend zu verstärken.
Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg: Während die Lenk im Namen der Organisation nach wie vor erwähnt ist, fehlt Reichenbach-Kiental. Stand der Name TALK jemals zur Diskussion?
Der Name ist ein Kompromiss, an dem wir festhalten. Wir sind überzeugt von dieser Marke und auch vom «Kleid», in dem sie daherkommt. Damit auch die einzelnen Gemeinden sichtbar bleiben, haben wir die Ortsmarken beibehalten. Die Orte treten nach wie vor damit auf.