In der klanglichen Schwebe
03.04.2024 PorträtClara Sophie Krüger unterrichtet in Frutigen Harfe – ein Instrument, das einige Überraschungen bereithält. So kommen beim Spielen nicht alle Finger zum Einsatz, die Füsse hingegen schon. Und der scheinbar zarte Klang passt ganz gut zu Heavy Metal.
...Clara Sophie Krüger unterrichtet in Frutigen Harfe – ein Instrument, das einige Überraschungen bereithält. So kommen beim Spielen nicht alle Finger zum Einsatz, die Füsse hingegen schon. Und der scheinbar zarte Klang passt ganz gut zu Heavy Metal.
JULIAN ZAHND
Die Harfe ist ein bekanntes Instrument. Doch unser Wissen über sie ist meist lückenhaft. Wir erkennen vermutlich den verwunschenen Klang, der zu schweben scheint. Manchen wird Andreas Vollenweider ein Begriff sein, der wohl bekannteste Harfenist der Schweiz. Und die meisten dürften sich an Troubadix erinnern, den Weggefährten von Asterix und Obelix, der sich für sein zweifelhaftes musikalisches Können regelmässig Prügel einfängt.
Doch die wenigsten wagen sich an dieses Instrument, und das hat auf den ersten Blick auch gute Gründe: Eine klassische Harfe ist mit ihrer Höhe von bis zu 190 Zentimetern und einer Masse von rund 40 Kilo ein imposantes Objekt. Die 47 Saiten wirken gewissermassen wie ein undurchdringliches Gitter – die Harfe muss doch enorm schwer zu spielen sein, denkt man sich da.
Clara Sophie Krüger widerspricht und wird das im Laufe des Gesprächs noch einige Male tun: «Ein Ton lässt sich auf diesem Instrument leicht erzeugen. Anders als etwa bei der Geige ist der Klang von Anfang an schön.»
Im Tal ein Nischeninstrument
In der Wohnung der 27-jährigen Musikerin stehen zwei Harfen – eine klassische und eine keltische. Letztere ist um einiges kleiner, leichter und verfügt über weniger Saiten. «Für Anfänger ist dieses Instrument sicher besser geeignet», so Krüger, und vermutlich denkt sie dabei auch an den Preis: Während ein einfaches Modell ein paar Tausend Franken kostet, gibt man für ein klassisches Exemplar schon mal 40 000 Franken aus.
Die ausgebildete Konzertharfenistin und Musikpädagogin gewinnt immer wieder Preise an Wettbewerben, tritt regelmässig an Geburtstagsfesten, Hochzeiten oder Trauerfeiern auf. Seit 2021 unterrichtet sie in Interlaken und seit 2022 auch an einem Nachmittag pro Woche an der Musika in Frutigen. Allzu bekannt scheint das Angebot in der Talbevölkerung allerdings noch nicht zu sein: Aktuell hat Krüger im Frutigland zwei Schülerinnen, die zweite habe erst kürzlich mit dem Unterricht begonnen.
Clara Sophie Krüger ist eine filigrane Erscheinung. Ihre Bewegungen führt sie behutsam aus, sie spricht mit leiser Stimme. Verlangt dieses Instrument genau solche Charaktereigenschaften? Sensible Menschen würden sich wohl eher zur Harfe hingezogen fühlen, so Krüger, doch das Instrument an sich sei überhaupt nicht fragil: «Man kann ordentlich zulangen und macht nichts kaputt.» Zwar komme die Harfe vorwiegend in der klassischen sowie der irischen und bretonischen Volksmusik zum Zug, doch es werde auch viel mit anderen Stilen experimentiert, sogar mit Heavy Metal. Tatsächlich wird fündig, wer beispielsweise auf der Onlineplattform YouTube nach dieser doch recht eigentümlichen Kombination sucht: Ein Video zeigt einen Harfenisten, der in schwindelerregendem Tempo die Saiten zupft oder anschlägt, während die Gitarren schrammen und der Rhythmus stampft. Clara Sophie Krüger fühlt sich in dieser brachialen Szene zwar nicht wirklich heimisch, sie sei aber offen: «Wenn eine Schülerin oder ein Schüler solche Liederwünsche äussert, dann probieren wir das aus.»
Tonartwechsel per Pedal
Die Harfe spielt man normalerweise im Sitzen, das Instrument ist dabei auf der rechten Schulter abgestützt. AnfängerInnen spielen zunächst mit einem Finger pro Hand, im Laufe der Zeit kommen mehrere hinzu – und zwar maximal acht, denn der kleine Finger kommt beim Spielen in der Regel nicht zum Einsatz, da er zu klein ist. Die Füsse hingegen braucht es: Unten am Instrument sind insgesamt sieben Pedale halbkreisförmig angeordnet – eines für jeden Ton in der Tonleiter. Mit Drücken oder Anheben des Pedals klingt die damit verbundene Saite einen Halbton höher oder tiefer – beim Klavier enspricht das den schwarzen Tasten. Mit dem Bedienen der Pedale kann man somit die Tonart wechseln.
Dann beginnt Clara Sophie Krüger an diesem verregneten Mittwochvormittag zu spielen. Während die Harfe raumfüllend klingt, hält sie die Augen halb geschlossen. «Ich mag dieses Instrument wegen des zauberhaften Klangs und der Vielfalt an Möglichkeiten, die es bietet: Man kann mit der Harfe im Orchester spielen, in Kleinformationen oder auch alleine.»
Und ihr schwereloser Klang, das beweist Krügers Kurzauftritt, ist der ideale Nährboden für Träumereien.