In einigen Bächen wird es jetzt eng
09.08.2022 NaturFische leben im Verborgenen. Wenn der Mensch sie zu Gesicht bekommt, ist es oft schon zu spät – dann sind die Tiere krank oder tot. In der Region achten Fischervereine darauf, dass es nicht so weit kommt.
MARK POLLMEIER
Wenn Fische in den Nachrichten ...
Fische leben im Verborgenen. Wenn der Mensch sie zu Gesicht bekommt, ist es oft schon zu spät – dann sind die Tiere krank oder tot. In der Region achten Fischervereine darauf, dass es nicht so weit kommt.
MARK POLLMEIER
Wenn Fische in den Nachrichten auftauchen, ist das meist kein gutes Zeichen für die Tiere. So war es auch in den vergangenen Tagen. Vom 26 Grad warmen Rhein wurde gemeldet, dass die Äschen ums Überleben kämpfen. Bei Temperaturen über 22 Grad gerät diese Art in Hitzestress, bei über 25 Grad wird es für sie lebensbedrohlich. Im Sommer 2018 starben 90 Prozent der Rhein-Äschen den Hitzetod. Zu Tausenden trieben sie damals an der Wasseroberfläche und mussten entsorgt werden.
Auch abseits der grossen Ströme ist die Situation in den Bächen und Flüssen mittlerweile kritisch. Mehrere Fischereiinspektorate schlugen letzte Woche Alarm: Es drohe ein Fischsterben.
Ersticken im Wasser
Der Sommer macht den Tieren gleich mehrfach zu schaffen. Viele Gewässer sind durch die anhaltende Hitze inzwischen zu warm. Je wärmer das Wasser aber ist, desto weniger Sauerstoff ist darin gelöst. Die Folge: Fischarten, die auf kaltes, sauerstoffreiches Wasser angewiesen sind, drohen zu ersticken.
Verschärft wird die schwierige Situation durch die Trockenheit. Gerade die kleineren Seitenbäche führen stellenweise so wenig Wasser, dass der Bewegungsraum der Fische eingeschränkt wird. Die Tiere schaffen es nicht mehr, Schwellen und Hindernisse zu überwinden, und sind irgendwann in einem kleinen Tümpel gefangen. Weil der tiefe Wasserstand kaum Bewegung in den Bachlauf bringt, sinkt der Sauerstoffgehalt weiter.
Evakuierung am Fröschenmoosbächli
Auch die Mitglieder von Fischervereinen beobachten die Situation mit Sorge. Sie kennen ihr «Revier» und wissen, wann es in einem Bach brenzlig wird. Vor allem junge Bachforellen reagieren empfindlich auf ungünstige Temperaturen. Als letzte Notmassnahme hilft dann nur noch das Ausfischen eines Baches, also quasi das Evakuieren der gefährdeten Jungtiere.
Am vergangenen Donnerstag sah sich der Fischerverein Frutigen zu dieser Massnahme gezwungen. Die Bedingungen im Reichenbacher Fröschenmoosbächli hatten sich so verschlechtert, dass man eine Notabfischung durchführte.
Im unteren Teil des kleinen Gewässers sind die Folgen der letzten Wochen deutlich sichtbar. Der Bachlauf, der von Osten her ins Dorf fliesst, führt stellenweise kaum noch Wasser; einzelne Schwellen sind nahezu trockengefallen.
Für das Ausfischen wählen die Vereinsmitglieder deshalb eine Stelle weiter oben Richtung Faltschen. Dort ist der Bach von schattenspendender Vegetation geschützt, es gibt einige tiefere Bassins, in die sich die Fische zurückziehen können. In diesem Bereich werden in mehreren Durchgängen kleine Bachforellen eingesammelt; die jüngsten stammen aus diesem Jahr und sind kaum grösser als ein Finger.
Behutsam werden die Fischlein in einen Eimer gesetzt und zu einem weiter oben wartenden Auto gebracht. Dort steht im Kofferraum ein grösserer Behälter mit kühlem Wasser bereit. Aus einer mitgebrachten Gasflasche wird Sauerstoff zugeführt, um den gestressten Tieren das Atmen zu erleichtern. Auch für die beteiligten Menschen ist die Aktion anstrengend. Noch um 18 Uhr ist es über 30 Grad warm, die «Brämen» freuen sich über die Kundschaft.
Ein etwas «geräumigeres» Zuhause
Vorsichtig werden die Fische umgesetzt. Zunächst wird in beiden Behältern die Wassertemperatur gemessen. Zu gross sollte der Unterschied nicht sein. Dann werden die Tiere mithilfe eines Küchensiebs einzeln in den grossen Bottich befördert. Später wird man sie in der Kiene wieder freilassen. Dort sind die Wasserbedingungen ähnlich und das Gewässer ist gross und wasserreich genug, um den Fischen das Überleben zu sichern.
Grundsätzlich gehört das Abfischen am Fröschenmoosbächli und an anderen kleinen Bächen der Region zu den Aktivitäten des Fischervereins; es ist Teil des Aufzuchtprogramms für die heimische Bachforelle. Normalerweise findet das Ausfischen aber frühestens im September statt, wenn die Jungfische gross genug sind, um sie in grössere Gewässer umzusiedeln. Dass sich die notfallmässige Aktion Anfang August aufdrängte, zeigt, wie aussergewöhnlich das Wetter in den letzten Wochen war.
Weitere Information zum Verein und seinem Tätigkeitsprogramm: fischerverein-frutigen.ch
Fische finden mit elektrischem Strom
Beim Einfangen der Fische kommt ein spezielles Gerät zum Einsatz, mit dem Gleichstrom durchs Wasser geleitet wird. Die Kathode (der Minuspol) hängt dabei als Draht oder Kabel im Bach (zu sehen oben auf dem grossen Bild). Die Anode, also der Pluspol, ist am Kescher angebracht. Auf Knopfdruck entsteht im Wasser ein elektrisches Feld. Fische, die sich in diesem Feld befinden, bewegen sich unwillkürlich auf den Kescher zu, ein Effekt, der Galvanotaxis genannt wird. Je nach Grösse der Tiere und Stärke des elektrischen Feldes ist es auch möglich, dass für wenige Sekunden eine leichte Narkosewirkung eintritt, die sogenannte Galvanonarkose. Beides führt dazu, dass die Fische relativ einfach eingesammelt werden können, selbst wenn sie sich zuvor unter Steinen oder im Ufergestrüpp versteckt haben.
Diese Fangtechnik ist bei korrekter Anwendung für die Fische ungefährlich und gilt als schonende Methode des Ausfischens und der Fischzählung. Weil dabei jedoch elektrische Spannung zum Einsatz kommt, die Mensch und Tier auch gefährlich werden könnte, müssen die Anwender über eine entsprechende Ausbildung verfügen, zum Beispiel einen Elektrofischerei-Kurs absolvieren.
POL