Die Badi Lounge entpuppte sich als gute Wahl für den Auftritt des Modulor Quartet am Donnerstag. Doch nicht nur die räumlichen Verhältnisse erzeugten eine Nähe zwischen Publikum und Musik(ern).
BIANCA HÜSING
Kammermusik als altbacken und ...
Die Badi Lounge entpuppte sich als gute Wahl für den Auftritt des Modulor Quartet am Donnerstag. Doch nicht nur die räumlichen Verhältnisse erzeugten eine Nähe zwischen Publikum und Musik(ern).
BIANCA HÜSING
Kammermusik als altbacken und versnobt – von diesem Image versuchen sich die Veranstalter des Swiss Chamber Music Festivals seit Jahren zu befreien. Teil ihrer Strategie ist immer auch die Ortswahl.
Bereits zum zweiten Mal lassen sie eines der Preisträgerkonzerte in der Badi Lounge stattfinden. Wo sonst Rockbands, Kabarettisten oder DJs auftreten, sitzt nun ein Streichquartett. Eine kleine Bühne mit niedriger Decke und einer dicken Röhre an der Wand, dicht gedrängte Stuhlreihen und im Rücken gleich schon die Bar: die Atmosphäre im Vereinslokal von Kander Kultur hat so gar nichts gemein mit den Konzertsälen, in denen Kammermusiker eigentlich «zu Hause» sind. Die Profis sind dem Publikum so nah, dass man sie schnaufen hört und schwitzen sieht. Rein räumlich gibt es also keine Kluft zwischen ihnen und dem Publikum. Wie aber stehts mit der Musik?
Man muss keine Expertin sein, um die Schwermut, das Chaos und die lautstarke Bedrohung in Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 zu hören. Und dass Haydns Werk dagegen fast beschwingt daherkommt, fällt auch Neulingen auf. Wie es mit Kunst eben so ist: Jeder findet einen Zugang, wenn er sich ihr nicht komplett versperrt.
Hilfreich, aber nicht notwendig
Es schadet aber auch nichts, sich mit ein paar Hintergrundinfos auszurüsten. Man hört vielleicht noch etwas genauer hin, wenn man weiss, dass Dimitri Schostakowitsch sich in diesem Streichquartett mit Krieg und Diktatur auseinandersetzte und es während eines Aufenthalts in der DDR geschrieben hat – kurz nachdem er zum Beitritt in die Kommunistische Partei der Sowjetunion gezwungen worden war. Und wenn einem bei Giacomo Puccinis «Crisantemi» plötzlich schwer ums Herz wird, liegt das vielleicht daran, dass der Komponist damit den Tod eines Freundes betrauerte. Doch freilich funktioniert die gefühlerzeugende Kraft der Musik auch ganz wunderbar ohne Worte und Vorwissen. Meistens jedenfalls, denn etwas anders verhält es sich mit der Komposition der 25-jährigen Künstlerin Patricia Meier aus Zürich: Dass ihr Auftragswerk «monotone, distinct, deep, sensual, scented» aus der Perspektive eines Hundes geschrieben ist, erschliesst sich nicht allein aus der Musik. Zum Glück wird sie kurz vor der Uraufführung in der Badi Lounge von Moderator Tobias Reber interviewt. Fast ein wenig schüchtern erklärt sie, wie sie als Pop- und Rockmusikerin zur Klassik gekommen ist (zunächst eher unfreiwillig über eine Aufgabe am Gymer) und warum sie stets auch mit visuellen Effekten arbeitet. Das Frutiger Publikum bekommt direkt eine Kostprobe davon, als während der Aufführung ihres Stücks ein Film abgespielt wird. Zu sehen ist ein Hund, der durch einen Bahnhof läuft und immer wieder mal an Menschen vorbeikommt (siehe Bild).
Jubel für die Jungkomponistin
Was in dem Vierbeiner vorgeht, sollen die Instrumente des Modulor Quartet zum Ausdruck bringen. Mal zupfen die Musiker an den Saiten, sodass ein Prasseln oder Trippeln erklingt. Mal imitieren sie das schräge Geheule, das in fast jedem modernen Horrorfilm vorkommt. So wird schnell klar: Hier ist etwas mehr Interpretationsphantasie gefragt. Doch das Publikum lässt sich sehr bereitwillig darauf ein und bedenkt die junge Komponistin am Ende gar mit Jubel.
Nachdem das Ensemble mit dem Streichquartett in C-Dur von Joseph Haydn wieder einen kleinen Abstecher in die Vergangenheit gemacht hat, endet der offizielle Teil des Konzerts. Doch so schnell entlässt das Publikum die Streicher nicht ins Apéro. Es ruft – eigentlich unüblich für ein klassisches Konzert – nach einer Zugabe und bekommt sie auch. Von wegen altbacken und versnobt!