Klettern zwischen den Jahreszeiten
14.10.2025 AdelbodenEin lehrreiches Ausbildungswochenende voller Abenteuer sowie sportlicher und mentaler Herausforderungen – das versprach der Klettergrundkurs der Alpinschule Adelboden, an dem ich für diesen Erlebnisbericht während des ersten Oktoberwochenendes teilnehmen ...
Ein lehrreiches Ausbildungswochenende voller Abenteuer sowie sportlicher und mentaler Herausforderungen – das versprach der Klettergrundkurs der Alpinschule Adelboden, an dem ich für diesen Erlebnisbericht während des ersten Oktoberwochenendes teilnehmen durfte.
RAHEL ROESTI
Am Samstagmorgen um 10 Uhr findet sich eine kleine Gruppe von sechs Teilnehmenden um Bergführer und Kursleiter Silvio Casoni im Bergführerstübli der Alpinschule Adelboden ein. Nach der Begrüssung mit Kaffee und Gipfeli sowie der Umfrage, was sich die Teilnehmenden vom Kurs erhoffen, wird, wo nötig, das Material verteilt. Ausgerüstet mit Klettergstältli, Kletterfinken, einem Satz Karabiner sowie einer Auswahl an Seilen und Helmen verschieben wir unseren Standort zum Klettergarten Stiegelflu.
Nur wenige Fussminuten entfernt und rund 20 Meter oberhalb der Strasse befindet sich dort ein schöner Klettergarten mit über 22 Routen verschiedener Schwierigkeitsstufen und Längen – dazu gehören etliche Dreiseillängenrouten. Für das Sportklettern ist in der Schweiz die französische Skala gebräuchlich. Diese beginnt mit der Stufe 3a und geht bis 9b+. Die französische Skala wird zusätzlich mit Buchstaben (a, b, c) und einem Pluszeichen weiter unterteilt. Im Klettergarten Stiegelfluh findet sich alles zwischen den Stufen 3a und 7b.
Erst einmal zur Materialkunde
Unser Bergführer Silvio Casoni verfügt über ein umfassendes Wissen zum Klettersport. Seine Familie hatte im Wallis ein Ferienhaus, und so kam er schon sehr früh mit dieser Sportart in Kontakt, erzählt er der interessierten Gruppe. Schon früh war er Mitglied in einer Kindergruppe, später in der Jugendorganisation JO des SAC. Während der Rekrutenschule machte er die Ausbildung zum Gebirgsspezialisten (Geb Spez), was seine Kenntnisse in Sommer- und Wintergebirgstechnik, Lawinenkunde, Seiltechnik und Führung im alpinen Gelände weiter festigte. Im Jahr 2012 schloss er die Bergführerprüfung ab und ist nun seit 13 Jahren in dieser Branche tätig.
Die Karabiner und Klettergstältli sind auf 22 Kilonewton genormt, was einer Belastung von 2,2 Tonnen entspricht. Die Karabiner haben grundsätzlich eine unbeschränkte Lebensdauer – je nach Gebrauch –, müssen jedoch spätestens ersetzt werden, wenn sie bis zur Hälfte abgenutzt sind. Sämtliches Zubehör aus Bandmaterial hat eine maximale Lebensdauer von 14 Jahren – davon höchstens 10 Jahre in Gebrauch. Damit gibt uns der Bergführer ein paar interessante Fakten zum Material mit.
Die Wahl der Technik
Zu den Grundtechniken beim Sportklettern gehört die Toprope-Sicherung, die sicherste und am einfachsten zu lernende Art des Kletterns und Sicherns, wie der Kursleiter uns erklärt. Bei dieser Sicherungsform bleibt das Seil oben in der Umlenkung eingehängt und der Partner sichert die kletternde Person vom Boden aus. Beim Toprope-Klettern muss der Sichernde laufend Seil einziehen, während sein Partner klettert. Dabei kann sich der Kletterer jederzeit ohne Sturz ins Seil hängen, um auszuruhen oder von seinem Sicherungspartner wieder auf den Boden abgelassen zu werden. Diese Technik üben wir zuerst.
Später wagen wir uns auch an den Vorstieg mit sogenannten Expressschlingen, wobei jeweils eine Person in der Kletterroute vorangeht. Das Seil dient, zusammen mit den Zwischensicherungen, welche die vorauskletternde Person gelegt hat, als Schutz gegen einen Absturz. Beim Vorstieg handelt es sich laut Fachkreisen um die anspruchsvollste gesicherte Begehung einer Kletterroute, da die Fallhöhe beim Sturz höher ist als bei allen anderen Sicherungstechniken. Und was nicht zu unterschätzen ist: Auch die psychische Komponente fliesst mit ein und macht diese Technik besonders anspruchsvoll.
Der zweite Tag: Es wird kalt
Hatte am Samstag der Föhn noch für angenehm herbstliche Temperaturen gesorgt, schaue ich am Sonntagmorgen ganz ungläubig auf die Berge rund um Adelboden – über Nacht hat es tief hinunter geschneit, und die Temperatur ist drastisch gesunken.
Treffpunkt ist das Hotel Hari im Schlegeli, wo der Rest der Gruppe übernachtet hat. Um uns noch ein wenig zu schonen, erklärt Silvio Casoni die neuen Knoten, welche wir am zweiten Tag benötigen werden, noch in der Hotellobby. «Je grösser dein Repertoire an Knoten ist, desto eher kommt dir in einer Notsituation am Fels eine Idee, wie du das Problem lösen könntest.»
Trotz garstigem Wetter begeben wir uns erneut an den Fels im Klettergarten Stiegelfluh und üben unter anderem, uns mit einem Tuber-Sicherungsgerät und einer Prusik-Schlinge selbständig vom Fels abzuseilen – was nach einer ersten Überwindung («Hält das Material?») sehr gut klappt. Nur die Finger sind nach kürzester Zeit klamm. Und auch eine Mehrseillängenroute (in Seilschaft) klettere ich zum Schluss mit meiner Kletterpartnerin Filiz.
Mehrseillängenklettern ist eine Kletterart, die typischerweise auf Kletterrouten stattfindet, die mehr als eine Seillänge – etwa 50 bis 70 Meter – hoch sind und bei denen der Vorsteiger die Route daher nicht in einer einzigen Seillänge bewältigen kann. Am Ende jeder Seillänge wird ein Standplatz eingerichtet, um den Kletterer (Vorstieg) zu sichern und das Seil sowie den Kletterpartner nachzuholen (Nachstieg).
Hin und wieder blitzt die Sonne kurz hinter den Wolken hervor, vermag aber gerade uns Frauen nicht so richtig aufzuwärmen. So entscheidet sich die Gruppe nach dem Mittag solidarisch, in die Kletterhalle der Freizeit- und Sportarena Adelboden zu wechseln. Dort brauche ich meine Kräfte bei mehreren Aufstiegen der Schwierigkeitsstufen 4a bis 5a auf und versuche, einige Tipps und Tricks umzusetzen, die uns Silvio Casoni zum Thema Klettertechnik vermittelt.
Mein Fazit des Kurses: Innert kurzer Zeit lernten wir die Grundlagen des Sportkletterns kennen und hatten die Möglichkeit, unser neu erlerntes Wissen ausführlich am Fels oder später in der Halle zu üben. Eine intensive, aber rundum gelungene Ausbildung.
Infos: Die Angebote der Alpinschule gibt es unter www.alpinschule-adelboden.ch



