Drei Fragen am Rande der Welt

Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? Führst du ein erfülltes Leben? Diese drei Fragen aus dem Buch «Das Café am Rande der Welt» begegneten mir an einem Skitag während der Mittagspause im Berggasthaus. Dort, als Zitat auf der Menükarte unterhalb von Eisbecher und Kafi-Schnaps, muteten sie seltsam an. Ich war da, sinnierte ich, während ich aufs Essen wartete, um meinen Beinen eine Rast zu gönnen, Zehen und Finger zu wärmen und meinen knurrenden Magen zu füllen. An den Tod verschwendete ich keinen Gedanken und angesichts des prächtigen Wintertags war mein Leben gerade ausserordentlich erfüllt.

Wohlwissend, dass diese Antworten zu einfach waren, kaufte ich kurzerhand das Buch, um die Erzählung zu lesen. Gefesselt von der Lektüre tauchte ich in die Geschichte ein. Also setzte ich mich zu John ins Auto, als er losfuhr, um in einem Kurzurlaub seine Batterien aufzuladen. Bald blieben wir jedoch im Stau stecken. Genervt wechselte der Protagonist bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Route und verfuhr sich prompt. Plötzlich befanden wir uns mitten im Nirgendwo, es war Nacht und das Benzin ging zur Neige. Endlich erschien in der Ferne ein Licht, das sich als das Café am Rande der Welt entpuppte. Im Café sassen trotz später Stunde einige Gäste, Koch Mike stand in der Küche und Kellnerin Casey brachte das Menu, auf dem – nebst allerlei Leckerem – ebendiese drei Fragen standen. Durch die Nacht verfolgte ich anregende Gespräche zwischen John, Casey, Mike und den Gästen. Was brauchte John, um glücklich zu sein? Eine erfolgreiche Karriere? Ein hohes Einkommen? Jagte er bisher Klischees und Fremderwartungen nach, ohne seinen Zweck der Existenz gefunden zu haben? Die Personen im Café kamen zum Schluss, dass es weder Geld noch Ruhm brauche zum Glücklichsein, sondern Freude an dem, was man tut. Sie überzeugten John, dass er es selbst in der Hand habe, seine Zeit so zu verbringen, dass er glücklich ist. Als der Morgen graute, verliess John das Lokal mit der Absicht, sein Leben komplett umzukrempeln. Auch ich verliess John und seine fiktive Welt.

Einfach das zu tun, was einen glücklich macht, scheint mir zu einfach, um es ohne Probleme umzusetzen. Erwartungen, Klischees und Traditionen bestimmen allzu oft unser Leben? Oder ist dies nur eine Ausrede, um die Angst vor Veränderungen zu kaschieren? Vielleicht muss es nicht, wie John beabsichtigt, ein komplettes Umkrempeln des Lebens sein. Auch kleine Veränderungen können oft viel bewirken. Hierzulande stehen unsere Chancen auf ein erfülltes Leben – wenn wir uns nur dafür einsetzen – gut, davon bin ich überzeugt.

Leider ist zu vielen Menschen dieses Privileg versagt. Sie leiden unter Armut, Unterdrückung, Katastrophen und Krieg. Stellvertretend stelle ich die drei Fragen einem fiktiven Soldaten am Rande von Europa, in der Ukraine. Wie würde er wohl antworten? «Ich bin da, um mein Land zu verteidigen. Ich habe täglich Angst vor dem Tod, zu viele von uns sind schon gefallen. Und von einem glücklichen, erfüllten Leben träume ich manchmal nachts – aber nur wenn keine Bomben fallen.

BARBARA STEINER-SUTER

AUFAUGENHOEHE@OUTLOOK.COM

AUF AUGENHÖHE - Drei Fragen am Rande der Welt

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