AUF AUGENHÖHE - Katar: Geld, Gas und Goals fürs nationale Branding

  29.11.2022 Kolumne

Katar: Geld, Gas und Goals fürs nationale Branding

Die Fussball-Weltmeisterschaft in Katar zieht Millionen begeisterter Fans in ihren Bann. Andere finden nichts Spassiges daran, 22 Spielern während 90 Minuten zuzuschauen, wie sie einem Ball hinterherjagen. Ich bekenne, ich bin einer dieser absoluten Fussballmuffel. Trotzdem lässt mich dieses Jahr das Turnier im fernen Orient nicht kalt, zu grotesk sind die Widersprüche rund um das mit Abstand teuerste WM-Spektakel aller Zeiten.
Astro nomische 220 Milliarden US-Dollar sollen die Scheichs aus dem Morgenland in den prestigeträchtigen Event gesteckt haben. Damit das Emirat ohne jegliche Fussballtradition vor zwölf Jahren den Zuschlag erhielt, brauchte es anscheinend nur ein paar Dankeschön-Milliönchen an hochrangige FIFA-Funktionäre – läppische Beträge für die Crème de la Crème aus dem Wüstenkönigreich.

Katar hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der reichsten Länder der Welt gemausert. Die Skyline von Doha ist ein Stelldichein futuristisch anmutender Wolkenkratzer. Sie können als Abbild des katarischen Reichtums und als Symbol eines modernen Staats gelten – für mich symbolisieren sie eher Protz und Verschwendung. Der Goldesel der Katari ist das weltweit grösste Gasfeld vor der Küste, billige Arbeitskräfte aus Asien und Afrika tun das Übrige. Mit der Ausrichtung der WM wolle sich das kleine Wüstenkönigreich vor den Augen der Welt in Szene setzen, las ich. Also Geldmachtdemonstration und Imagepflege in einem? FIFA-Präsident Gianni Infantino gab sich überzeugt und kündigte «die beste WM aller Zeiten» an. Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Katar strafen diese Aussage Lügen. Ob der Superlativ wenigstens auf sportlicher Ebene berechtigt ist, sei einmal dahingestellt.

Von den rund drei Millionen Einwohnern des Emirats besitzen nur ungefähr zehn Prozent einen katarischen Pass, der gros se Rest sind Arbeitsmigranten. Viele davon schuften für die WM. Ihr Lohn ist mickrig, ihre Rechte sind gleich null – aus dem Abendland gibt es einen wahren Wüstensturm von Kritik, besonders Menschenrechtsorganisationen intervenieren. Als Folge haben Arbeitsreformen Verbesserungen gebracht, erfahre ich aus den Medien, einen Mindestlohn von rund 230 Franken pro Monat zum Beispiel. Bei Weitem nicht genug, finde ich. In der Kritik stehen weitere Themen: Frauenrechte, Umgang mit Homosexuellen, Umweltverträglichkeit und Pressefreiheit. Antworten auf für uns wichtige Fragen scheinen allzu oft im Dunst der Wüstennebel gefangen. Wir rätseln, was wahr und nachhaltig ist, was nur Schönrederei und Trug. Die Katari kontern und werfen dem Westen rassistische Arroganz und eine Art Doppelmoral vor. Letzteres ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Abendländische Politiker spekulieren auf katarisches Gas, um weniger abhängig vom russischen zu sein. So weit, so gut – doch ein flaues Gefühl im Magen stellt sich dennoch ein.

König Fussball wird in Nord und Süd, auf schickem Rasen und schmutzigen Stras sen gespielt. Damit kann er wie kaum ein anderer Sport Menschen und Völker verbinden. In Katar 2022 jedoch steht dieser positive Effekt ganz klar im Abseits. Zu viel Korruption, Unterdrückung und Gier spielen mit – nicht gerade Pluspunkte fürs nationale Branding, finde ich.

BARBARA STEINER-SUTER

AUFAUGENHOEHE@OUTLOOK.COM


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote