KOLUMNE – BAUCHGEFÜHLE
09.08.2022 KolumneUnzufriedenheit trägt keine Früchte
Wenn morgens der Schritt aus dem Bett schwerfällt, verspricht dies selten einen guten Tag. Die Laune droht während der nächsten Stunden noch tiefer zu sinken, am besten würde man sich zurück ins Bett ...
Unzufriedenheit trägt keine Früchte
Wenn morgens der Schritt aus dem Bett schwerfällt, verspricht dies selten einen guten Tag. Die Laune droht während der nächsten Stunden noch tiefer zu sinken, am besten würde man sich zurück ins Bett fallen lassen und schlafend auf den nächsten Tag warten.
Als meine Kinder sich mitten im Teenageralter befanden, stand ich eines Tages mit einer Saulaune, die durch mein Gemecker noch so richtig unterstrichen wurde, mitten in der Stube und liess all meine Wut auf sie niederprasseln. Ihre Reaktion verblüffte, liess mich aufhorchen und nachdenklich verstummen: «Mami, wie wäre es, wenn du einen Monat im Coop arbeiten gehst, tagtäglich von morgens sieben Uhr bis abends nach Ladenschluss Regale auffüllst, dich von Vorgesetzten anblaffen lässt, putzt, an der Kasse sitzt, und all das entlöhnt mit einem Hungerlohn?»
Im Coop habe ich nie gearbeitet, aber jetzt verbringe ich den ganzen August auf fast 3000 m ü. M. in der Domhütte. Mein tägliches Brot von morgens früh bis abends spät: Betten machen, WC-Anlagen reinigen, Abfall entsorgen, Staub saugen, Tische aufdecken und abräumen, kochen, servieren, organisieren, Betten und Tische verteilen, einkassieren, Buchhaltung führen – und all das immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht!
Vor vier Jahren hatte ich gegenüber dem Hüttenwart erwähnt, dass ich in Zeiten von Personalmangel gerne mal einspringen würde. Bereits im Jahr darauf hatte ich meinen ersten Arbeitseinsatz, gleich zehn Tage am Stück – ich hatte so mit drei Tagen gerechnet. Mit offenen Armen wurde ich in ein junges Team aufgenommen, in dem jeder und jede den jeweiligen Pflichten nachkam. Abends nach getaner Arbeit, kurz vor zehn Uhr wohlverstanden, wurde noch gespielt in fröhlicher Runde, auch wenn immer einer ins Bett stieg mit dem Gedanken an den morgendlichen Weckruf um zwei Uhr in der Früh, um die oft nervösen und hektischen Gipfelaspiranten zu bedienen. Oft merkt dann der eine oder andere Gast, dass die Batterien der Stirnlampe leer sind, die Steigeisen nicht an die Schuhe passen oder sogar das Seil oder der Helm noch zu Hause liegen. Die Nächte sind kurz, und schon wieder beginnt ein neuer Tag mit den gleichen Arbeiten.
Meine Kinder haben mich geheilt: Tägliche Arbeiten mit schlechter Laune zu verrichten, kostet viel mehr Energie, als die ungeliebtesten Erledigungen mit einer Prise Humor und einem Lächeln zu erledigen. Und vor allem: Niemand trägt Schuld an deinem schwarzen Tag. Nur du alleine kannst ihn verändern, indem du vielleicht den Blick auf etwas Schönes richtest und so deine Stimmung aufhellst. Suchen wir doch unseren täglichen Frieden in den Worten von Albert Einstein: «Es gibt viele Wege zum Glück, einer davon ist, aufhören zu jammern».
YVONNE SCHMOKER
YSCHMOKER@BLUEWIN.CH