DERFÜR U DERWIDER – Stilblüten
13.09.2022 KolumneStilblüten
Unsere Bemühungen, die Sprache politisch korrekt und genderneutral zu gestalten, treibt bisweilen sonderbare Blüten. So wurden die Lehrlinge an einem Elternabend in Irgendwo kurzerhand zu «Lehrlingenden» und die Gymeler wurden als ...
Stilblüten
Unsere Bemühungen, die Sprache politisch korrekt und genderneutral zu gestalten, treibt bisweilen sonderbare Blüten. So wurden die Lehrlinge an einem Elternabend in Irgendwo kurzerhand zu «Lehrlingenden» und die Gymeler wurden als «Gymnasiastende» angesprochen. Was von diesen Schreibenden wohl einfach gut gemeint war, hat in einem entsprechenden Beitrag in den sozialen Medien viele empörte Kommentare ausgelöst. Und irgendwie ist das doch auch gut nachvollziehbar: Wohin führt das denn mit diesen neuen und immer wieder noch neueren, unverständlichen und von Sternchen verzierten Formulierungen, nur um gerecht, korrekt und nicht diskriminierend zu sein? Was darf man überhaupt noch schreiben, ohne Menschen (oder heisst es Menschende?) und Gruppierungen auszuschliessen oder zu verunglimpfen? «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen», möchten wir schreien oder zumindest im Verborgenen beklagen. Gibt es gar eine mächtige Elite, die ihre geheimen Ziele mit einer Meinungsdiktatur erreichen und uns über sprachliche Normung versklaven will?
Auch wenn wir solche Kampfrhetorik beiseitelassen, bleibt doch die Frage offen, ob uns in der Tat irgendjemand vorschreiben will, was wir schreiben oder sagen dürfen und was nicht.
Nun, machen wir doch einfach eine Probe aufs Exempel. Schauen Sie mal hier: «Die Ausländer!» Na also, das ging doch ganz problemlos. Die strengen (aber netten) Redakteure und Korrektorinnen der Redaktion haben das nicht geändert oder gar zensiert, obwohl ich Frauen und nonbinäre Menschen bei dieser Formulierung unbeachtet liess. Auch habe ich mit dem verallgemeinernden «die» alle Menschen, die keinen Schweizerpass besitzen, in denselben Topf geworfen und sie erst noch grob auf ihre Nationalität reduziert. Das Ausrufezeichen signalisiert zudem wohl eine betont unfreundliche Haltung gegenüber den Angesprochenen. Ich habe damit einige Regeln des guten Stils, der «political correctness» und der gendergerechten Sprache gebrochen. Dennoch bin ich (fast) sicher, dass nun keine Sprachpolizei vor meiner Türe stehen und mich in Ketten legen wird.
Spass beiseite, es ist nicht selbstverständlich, dass wir sagen und schreiben dürfen, was und wie wir dies wollen. Solange wir die wenigen, offen formulierten gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sind wir in der Meinungsäusserung völlig frei. Dieser in unserer Gesellschaft breit abgestützte Konsens setzt aber einiges an Eigenverantwortung für Schreibende und Sprechende voraus. Und nein, Politiker, die jeglichen Anstand und eine gebührende Sensibilität bewusst beiseitelassen, um ihre Wählenden zu bedienen, sind definitiv keine Helden, die «endlich mal sagen dürfen, was Sache ist».
Es geht dabei nicht um Moral und einen erhobenen Zeigefinger. Achtsamkeit für Menschen und die Umwelt sowie Anstand sind nicht nur hohe Tugenden, sondern ganz einfach auch Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander auf diesem wunderbaren Planenten, in unserem schönen Tal, mit unseren spannenden Mitmenschen.
Wenn nun halt mal die Kreativität über die Logik und den Verstand triumphiert, und Lehrlinge zu «Lehrlingenden» werden, dann plädiere ich für genügend Fehlertoleranz und etwas Humor. Was wäre unser Leben ohne die Farbtupfer solch wunderschöner Stilblüten?
HANS PETER BACH
HANSPETER.BACH@LIVENET.CH