POLITIKUM – Warum funktioniert es nur so?
01.09.2023 KolumneWarum funktioniert es nur so?
Kürzlich hat die SVP ins Eishockey-Stadion der ZSC Lions zum Wahlkampfauftakt eingeladen. Gefolgt sind rund 4000 Besucherinnen und Besucher. Sie bekamen eine bunte Mischung zu sehen. So waren etwa sämtliche Klischee-Bilder der ...
Warum funktioniert es nur so?
Kürzlich hat die SVP ins Eishockey-Stadion der ZSC Lions zum Wahlkampfauftakt eingeladen. Gefolgt sind rund 4000 Besucherinnen und Besucher. Sie bekamen eine bunte Mischung zu sehen. So waren etwa sämtliche Klischee-Bilder der Schweiz vertreten, vom Fahnenschwingen über Jodel bis hin zum Einachser, der Christoph Blocher und seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher auf Heuballen in die Arena karrte.
Die ganze Veranstaltung war eine einzige Aneinanderreihung von Symbolik: Neben den Klischees vermittelte die SVP auch Zusammenhalt durch Fahnen der Kantone oder gemeinsames Singen der Nationalhymne. Dass die Anwesenden gut eingeschworen worden waren, sah man ihren Gesichtern auch über die Fernsehübertragung an. Man tut der Partei aber unrecht, wenn man ihr unterstellt, dass es nur um diese Symbolik gegangen sei. Natürlich kamen auch die Inhalte für die Wahlen im Herbst zur Sprache. Und hier hat die SVP tatsächlich ein Thema aufgegriffen, das diskutiert werden muss: Die 10-Millionen-Einwohner-Schweiz.
Sie ist ein Problem, das viele Menschen beschäftigt. Nicht primär wegen einer irgendwie gearteten «Überfremdung», sondern wegen eines real existierenden Dichtestresses in unserem Land. Die Infrastruktur muss entweder für teures Geld ausgebaut werden oder gerät an ihre Grenzen. Natürlich muss die Bevölkerung darüber diskutieren, wie viel Wachstum (in jeder Hinsicht) für unser Land noch erträglich ist und was man gegen den Dichtestress tun kann und soll.
Die anderen Parteien haben es verpasst, dieses Thema aufzugreifen, wohl aus Angst, sich daran die Finger zu verbrennen – was irritierend ist, denn das Wachstum zu beschränken hat nichts Fremdenfeindliches an sich und ist ein legitimes Ziel.
Dass nur die SVP dieses Ziel beackert, wird aber leider auch verhindern, dass man tatsächlich Lösungen findet. Denn mit Veranstaltungen wie derjenigen im Zürcher Eishockeystadion lädt die Partei das Thema emotional stark auf. Das hilft natürlich, um die eigenen Anhänger darauf einzuschwören. Es sorgt aber auch dafür, dass Anhänger anderer politischer Couleur noch mehr Skrupel haben, auch nur über das Thema zu sprechen. Und weil die SVP nach wie vor weit davon entfernt ist, eine absolute Mehrheit in den Parlamenten zu erreichen, wird sich wohl so schnell auch nichts ändern – es wird nicht einmal eine sinnvolle Diskussion zum Thema geben können.
Die SVP ist zu professionell aufgestellt, um diese Analyse nicht auch selbst zu treffen. Man weiss an der Parteispitze, wie die Bevölkerung funktioniert. Es sind deshalb nur Lippenbekenntnisse, wenn die Exponenten der Partei aussagen, man wolle eine Diskussion zum Thema lancieren. Weil es den anderen Parteien aber auch lieber ist, nicht darüber zu sprechen, passt es allen ganz gut ins Konzept, dass es beim Lippenbekenntnis bleibt.
Verliererin ist die Bevölkerung, die keine Möglichkeit erhält, vernünftig darüber zu sprechen, wie ihre Lebenswelt gestaltet werden soll. Ich frage mich schon, wozu man Politik denn überhaupt braucht, wenn so eine Diskussion nicht geführt werden kann.
SEBASTIAN DÜRST
SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH