POLITIKUM - Heiligabend ist wieder zurück!
28.12.2022 KolumneHeiligabend ist wieder zurück!
Von meiner Zeit im Frutigland weiss ich noch, dass vieles in dieser Gegend ähnlich läuft wie in meiner Heimat, dem Glarnerland. Beides sind ländlich geprägte Gegenden, in denen man sich auch manchmal etwas abseits ...
Heiligabend ist wieder zurück!
Von meiner Zeit im Frutigland weiss ich noch, dass vieles in dieser Gegend ähnlich läuft wie in meiner Heimat, dem Glarnerland. Beides sind ländlich geprägte Gegenden, in denen man sich auch manchmal etwas abseits der übrigen Welt fühlen kann.
Es gibt aber noch etwas, das die beiden Täler bzw. ihre Bewohner gemeinsam haben: ihr Verhältnis zur Heimat. Was ich damit meine: Wenn man im Glarnerland aufgewachsen ist, kehrt man gern wieder dorthin zurück. Auch wenn man mittlerweile eigentlich in Zürich, Bern, Basel oder in den USA lebt. Das habe ich auch im Frutigland so erlebt: Wer hier aufgewachsen ist, kommt fast immer wieder zurück.
Nun kommen wir zu dem Teil, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es im Frutigland ähnlich funktioniert. Im Glarnerland ist nämlich Heiligabend speziell. Natürlich feiern auch wir zuerst mit unseren Familien besinnlich und im engeren Kreise. Ab 22 Uhr aber machen sich dann ganz viele Menschen auf ins Nachtleben: Alle drei Clubs im Hauptort sind geöffnet und rappelvoll. Das Besondere daran ist, dass es kein «normaler» Ausgang ist. Denn erstens geht man an Heiligabend mit der Familie in den Ausgang: mit Geschwistern, Cousins und Cousinen. Und zweitens – darum die Einführung – geht man vor allem dorthin, um Leute zu treffen, die man sonst nicht mehr sieht. Sei es, weil sie im Ausland wohnen, sei es, weil sie einfach nicht mehr an den Anlässen anzutreffen sind, die man selbst besucht.
Vor wenigen Tagen hat dieser spezielle Abend in Glarus wieder stattgefunden. Ich habe einen Schulkollegen getroffen, der jetzt in Nepal wohnt und arbeitet. Wir haben uns prächtig unterhalten.
Mir ist dann aber auch noch etwas anderes in den Sinn gekommen. Zwar haben diese Feste in den letzten zwei Wintern natürlich aus Corona-Gründen nicht stattgefunden. Schon zuvor waren die Partys aber für zwei Jahre ausgefallen. Der Grund dafür: Im Kanton Glarus gab es für diesen Tag ein gesetzliches Tanzverbot. Nur war es einfach jahrzehntelang nicht mehr durchgesetzt worden. Bis dann eines Tages jemand auf die Idee kam, das Gesetz wieder ernst zu nehmen. Es wurden also Heiligabendpartys kontrolliert, in Beizen wurden Bussen verteilt, und die Laune der Partygänger war auf dem Tiefpunkt.
Zum Glück leben wir aber in einer Demokratie. Das Tanzverbot wurde von den Jungparteien aufs politische Parkett gebracht. Und die Glarner Landsgemeinde hat heftig darüber debattiert, ob das Tanzverbot noch Sinn hat oder nicht. Am Ende war der Entscheid deutlich: Das Tanzverbot wurde im Kanton Glarus abgeschafft. Weihnachtspartys dürfen landauf, landab also ganz legal stattfinden.
Nun kann man von dieser «Tradition» tatsächlich halten, was man will. Aber die Einfachheit, mit der man die Realität auf dem politischen Weg anpassen kann, damit sie einer Mehrheit wieder passt – das ist für mich immer wieder ein kleines Weihnachtswunder.
SEBASTIAN DÜRST
SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH