Tagesgästekarte gegen Dichtestress

Unübersehbar ist der Anschlag im Terminal von Dagebüll an der Nordsee, ebenso der schriftliche Hinweis am Ende der Gangway und jener nach Verlassen der Fähre: «Liebe Tagesgäste, der Besuch auf der Insel Föhr ist kurabgabepflichtig. Ihre Tagesgästekarte erhalten Sie online oder am Automaten.» Von März bis Oktober sind 2,6 Euro pro Tag geschuldet (im Winter die Hälfte) – Hunde hingegen sind «von der Kurabgabe freigestellt». Begründet wird die Massnahme mit der Instandhaltung und Pflege der Strandabschnitte, Kurund Freizeitanlagen, der Kinderspielplätze, Strandduschen und öffentlichen Toiletten. Die Gästekarte auf Föhr ist «zudem Voraussetzung für das Anmieten von Strandkörben. Sie berechtigt allgemein zum Betreten des Strandes und der Kuranlagen.»

Föhr ist nicht allein mit dieser Tagesgästekarte. Auch die Nachbarinsel Amrum kennt sie und die Nordsee-Kultinsel Sylt. Hier muss man am Strandübergang vier Euro entrichten – Minderjährige sind von der Kurabgabe befreit.

Für die meisten zum ersten Mal auf Föhr ankommenden Tagesgäste ist diese Steuer ungewohnt. Meine Beobachtungen lassen vermuten, dass sich nicht wenige darum foutieren. Oder dass sich Ehepaare spätestens bei einem der drei Automaten streiten, ob man denn wirklich bezahlen oder es darauf ankommen lassen wolle, erwischt zu werden. Eine Kontrollperson ist uns auf den bisher vier Besuchen keine begegnet.

Wäre die Tagesgästekarte nicht auch etwas für Schweizer Tourismus-Hotspots? Das ergäbe einen schönen Batzen in die Kassen von Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg! Als Begründung für die neue Taxe liessen sich zusätzliche Argumente anfügen: Lärm, Abgase und Parkflächenverbrauch durch Automobilisten, Bau und Unterhalt der Trails für Biker, Markierung und Pflege der Wanderwege, Kotbeutel für Robidog-Behälter und deren Leerung, Abfallentsorgung aus Kübeln – und gelegentlich auch aus Wiesen und Wäldern. Im Vergleich zu den überschaubaren und nur per Fähre oder Bahn erreichbaren Nordseeinseln etwas schwieriger wäre wohl die Kontrolle: An vielen Passübergängen müssten Schilder und Automaten aufgestellt werden, um auch alle Wanderer, Bergsteiger und Velofahrer zur Kasse zu bitten.

Etwas anders sieht es für die vom «Durchlauferhitzer-Tourismus» und Dichtestress geplagten Fremdenverkehrsmagnete wie Interlaken und Luzern aus. Hier könnte man sich auf die in Cars für nur zwei, drei Stunden Aufenthalt anreisenden Gruppengäste beschränken und beispielsweise je einen Fünfliber pro Passagier beim Bezahlen der bescheidenen Busparkgebühr verlangen. Die «Stundentouristen» bringen – ausser den Uhrengeschäften und Souvenirshops – kaum Wertschöpfung, sondern hauptsächlich Verdruss für die Einheimischen. Die Busse behindern den eh schon dichten Verkehr, die Kurzzeittouristen blockieren mit ihren Selfiesticks die Reussbrücken und verdrängen Einkaufswillige aus der Altstadt. Da wäre eine Geste in Form der «Mehrstundengästekarte» zur Kompensation der verminderten Lebensqualität der Luzernerinnen und Luzerner mehr als angebracht!

KURT METZ

MAIL@KURTMETZ.CH

PUNKTLANDUNG – Tagesgästekarte gegen Dichtestress

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