Ehret den Mainstream!
«Mainstream»: Das neudeutsche Wort bezeichnet, was die herkömmlichen Massenmedien der Bevölkerung so unterbreiten – und was eine grosse Mehrheit deshalb für wahr und gut hält. Auch diese Zeitung ist ein ...
Ehret den Mainstream!
«Mainstream»: Das neudeutsche Wort bezeichnet, was die herkömmlichen Massenmedien der Bevölkerung so unterbreiten – und was eine grosse Mehrheit deshalb für wahr und gut hält. Auch diese Zeitung ist ein Mainstream-Medium.
Allerdings wird «Mainstream» im Zuge aktueller Krisen zusehends als Schimpfwort verwendet: Im Internet bezichtigen Corona-Skeptiker oder Russlandversteher die Medien der Einseitigkeit; gegenläufige Informationen und Meinungen würden systematisch verschwiegen. «Lügenpresse» heisst das Stichwort, manche vermuten dahinter gar eine Verschwörung der weltweiten «Eliten» mit dem Zweck, üble Interessen zu verfolgen und das Volk darüber im Dunkeln zu lassen.
Nun sind die Medien gewiss nicht frei von Fehlern. Gerade wenn sich die Ereignisse überstürzen, kann Wissenswertes auch mal auf der Strecke bleiben. Doch im Gros sen und Ganzen widerspiegeln Zeitungen, Radio- und Fernsehsender das, worüber sich die meisten Fachleute unterschiedlicher Schattierungen einig sind. Und sind die Schattierungen ausgeprägt, kommen in aller Regel beide Seiten zu Wort.
Es gibt keinen Grund für das Publikum, sich an der Nase herumgeführt zu fühlen. Was die meisten Medienkonsumentinnen und -konsumenten denn auch nicht tun. Sie vertrauen zu Recht darauf, dass der mediale «Mainstream» ein breit abgestütztes, sich intern selber konkurrierendes und kontrollierendes Geflecht ist. Mit dem Ziel, Propaganda und «Fake News» als solche zu entlarven und – auch wenn es keine absolute Wahrheit gibt – der Wahrheit so gut wie immer möglich nahezukommen.
Bezeichnenderweise sind solche «Mainstream»-Beschimpfungen nicht nur aus der rechten Ecke des politischen Spektrums zu vernehmen, wo den grossen Medien ein angeblicher Linksdrall unterstellt wird. Auch von Linken und von Grünen ertönt häufig der Vorwurf, die einseitig «bürgerlichen» Medien würden alle möglichen Auswüchse des kapitalistischen Systems totschweigen.
So können wir denn beruhigt feststellen: Wer von allen Extremen zugleich angefeindet wird, macht es wohl i rgendwie nicht falsch.
TONI KOLLER
TONI_KOLLER@BLUEWIN.CH