SPAGAT - Schwarzwald statt Sandstrand
26.05.2023 KolumneSchwarzwald statt Sandstrand
Mein freier Tag ist, nebst einem Gefäss für zahlreiche andere Verpflichtungen, auch ein Fitnesstag. Pünktlich um 9 Uhr startet meine geliebte Groupfitness-Lektion. «Startete», muss ich künftig leider sagen.
Schwarzwald statt Sandstrand
Mein freier Tag ist, nebst einem Gefäss für zahlreiche andere Verpflichtungen, auch ein Fitnesstag. Pünktlich um 9 Uhr startet meine geliebte Groupfitness-Lektion. «Startete», muss ich künftig leider sagen.
In der Karwoche arbeiteten wir in einer Wiederholungsstunde mit Stepper, darunter platziert für die zweite Runde eine Gewichtsscheibe. Ich kannte also die Abläufe aller Übungen und führte meine Bewegungen mit Schwung aus. Dann plötzlich ein Schmerz, ein Sturz. Gefühlt ungebremst lag ich auf dem Boden und griff mir ans Sprunggelenk.
In meiner Begeisterung hatte ich nicht bemerkt, dass der Stepper während der letzten Übung verrutscht war. Beim Heruntertreten stand ich auf dem Rand der Scheibe und knickte seitlich weg. Fazit nach stundenlangem Warten im Notfall: ein doppelt gebrochenes Sprunggelenk, ein Gipsschuh für mindestens drei Wochen und Krücken für eine unglaublich lange Zeit. Ich war mitten in den Ferienvorbereitungen.
Will man so etwas? Eine Woche vor den Ferien im geliebten Süden? Das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Ehrlich! Statt einer Beschleunigung bekam ich die totale Ausbremsung. Laut der Suva ereignen sich jedes Jahr 4200 Unfälle beim Fitnesstraining – 10 Prozent davon im Januar, weil Menschen angeblich im ersten Monat des Jahres ihre guten Vorsätze noch präsent haben. Somit kann ich wenigstens sagen, dass ich nicht zu diesem Teil gehöre. Doch ob Januar oder April: Die Folgen bleiben die gleichen.
Tage auf der Couch, mit einem Buch oder vor der Kiste und unendlich viel Zeit, die nicht genutzt werden kann – für einen Bewegungsmenschen kaum auszuhalten.
Für Kinder sind Krücken ein Highlight. Wo immer diese auftauchen, werden sie zum begehrtesten Spielzeug. Sie veranstalten Wettrennen oder Geschicklichkeitswettbewerbe damit, und wer die Krücken hat, will sie nicht mehr zurückgeben.
Wer auf diese Dinger angewiesen ist, verflucht sie nach kürzester Zeit. Die Hände brennen, Blasen schmerzen. Der Muskelkater in den Oberarmen und am Rücken zeugt nicht von Übungen mit den Hanteln, sondern von der Belastung durch den eigenen Körper. Schon die Gedanken ans Aufstehen und Anlaufen treibt einem den Schweiss auf die Stirn, wiederholt, tagelang.
Irgendwie schafften wir es dann doch noch in die Ferien, allerdings in den kalten Schwarzwald. Regen und Kälte statt Sonne und Sandstrand.
Nach drei Wochen wurde der Schuh mit Erlaubnis des Arztes in die Ecke gestellt. In der Schule mussten meine Schüler:innen entgegen ihren Gewohnheiten zu mir kommen statt ich zu ihnen. Mein Körper gewöhnte sich ans Hinken. Die Hoffnung, dass der Muskelschwund (als Folge des Gipsschuhs) so schnell behoben sein würde, wie er gekommen war, entpuppte sich als Trugschluss. Vielleicht kann die Physiotherapie nun endlich Fortschritt verschaffen. Denn ich habe ein Ziel: Ende Juli findet die Gymnaestrada in Amsterdam statt. Die knapp zwei Jahre Training sollen nicht vergebens gewesen sein. Da will ich hin – koste es, was es wolle.
FRANZISKA KAUFMANN
FR.KAUF@GMAIL.COM