Kolumne – The Young View
17.11.2023 KolumneKassettli oder Smartphone
Ich wurde 1997 geboren, was mich zu einem der Grenzfälle macht, was die Zugehörigkeit zu einer definierten Generation angeht. Ich bin kein richtiger Millennial: Dafür bin ich etwas zu jung und habe zu wenig von den 90ern ...
Kassettli oder Smartphone
Ich wurde 1997 geboren, was mich zu einem der Grenzfälle macht, was die Zugehörigkeit zu einer definierten Generation angeht. Ich bin kein richtiger Millennial: Dafür bin ich etwas zu jung und habe zu wenig von den 90ern mitbekommen. Ich bemerke dies auch manchmal mit Freunden, die schon nur vier Jahre älter sind oder mehr, wenn ich gewisse Fernsehsendungen nicht kenne oder Spiele oder Musik (was auch daran liegen kann, dass ich einfach nicht viel mit der Musik der 90er anfangen kann). Gleichzeitig bin ich aber auch zu alt für die Generation Z: Deren jüngste Angehörige sind gerade knapp Teenager geworden, sind aufgewachsen mit einem Tablet auf dem Schoss und meistens schon ohne «Kassettli» aus der Bibliothek. Je nachdem, welche Soziolog*innen man fragt, gehört mein Jahrgang zur einen oder anderen Generation, mit unterschiedlichen Begründungen. Nichts überzeugte mich, bis ich darauf stiess, dass es schlussendlich auf den Umgang mit Technologie ankommt – und die Regel eigentlich ganz einfach ist: Wer mit einem Smartphone aufgewachsen ist, gehört zur Generation Z, wer erst im Teenager-Alter dazu kam, gehört zu den Millennials. Passt, denke ich mir, wenn ich mich so an mein erstes Handy zurückerinnere, das ich mit 13 Jahren bekam: ein weisses Tastenhandy von Sony mit roten Blumen. Es war besonders cool, weil man es aufschieben konnte. Mein erstes Smartphone hatte ich mit 15 Jahren, hatte aber keinen Zugriff zum Internet, wenn ich nicht zu Hause war. Das alles kam erst (wenn ich mich richtig erinnere), als ich aufs Gymnasium ging. Und irgendwie erfüllte mich dann diese Erkenntnis, dass ich zur nicht handy süchtigen Generation gehörte, doch mit Stolz.
Bis ich mal mein jetziges Smartphone in die Finger nahm und mir die Statistik ansah, wie oft ich eigentlich das Ding benutze und es mir für die letzte Woche einen Durchschnitt von 3 Stunden und 41 Minuten anzeigte. Anscheinend bin ich zwar aufgewachsen ohne Facebook, Instagram, Snapchat und Tiktok – aber trotzdem hat sich das so ziemlich eingeschlichen in meinen Alltag. Wobei ich nun auch klarstellen muss, dass ein grosser Teil meines Konsums dann doch Whats-App darstellt: Ich kommuniziere viel mit Familie und Freunden, gerade auch weil zwei meiner besten Freundinnen im Ausland sind und wir trotzdem jeden Tag voneinander hören / lesen. Dennoch hat mein anfänglicher Stolz, so unabhängig von Smartphones und Social Media aufgewachsen zu sein, doch etwas nachgelassen – mit beinahe vier Stunden Konsum pro Tag frage ich mich wirklich, ob sich da nicht zumindest ein Teil dieser Zeit besser verwenden lassen könnte (eigentlich ist das kein «eventuell», sondern ein «sicher»), damit ich nicht zu den «handysüchtigen Teenagern» gehöre.
Wahrscheinlich bin ich das Ganze auch falsch angegangen: Ob jemand mit Smartphones aufgewachsen ist oder nicht, hat sicherlich seine Kindheit geprägt – und hilft eventuell, Leute einer bestimmten Generation zuzuteilen. Aber letztlich sind digitale Technologien wie Smartphones und die damit verbundenen Medien mittlerweile so in unseren Alltag integriert, dass es schlicht keine Relevanz hat, wie lange man sie schon benutzt. Dementsprechend macht es keinen Sinn, sich da besser oder schlechter als andere Gruppen zu fühlen – vielleicht wäre es einfach nur empfehlenswert, sich mal wieder ein Kassettli anzuhören.
XENIA SCHMIDLI
SCHMIDLIX@HISPEED.CH