Barbie und Bäbi

Wir stecken in den Wochen von Barbecue. Und Barbie. Der Unterschied: das Barbecue ist schwarz verkohlt. Und Barbie rosig. Selbst ihr männliches Pendant, Herr Ken, gibt sich rosa.

Keiner weiss so richtig, was er eigentlich ist. Der Lover? Der asexuelle Freund? Das Pendant in Pink? Im neuen Film gesteht er: «Ich weiss nicht, wie es geht …».
So etwas sagt sich natürlich lustiger auf Englisch. Aber Tatsache ist: die weissblonde Puppe ist alles andere als männlich. Selbst Barbies Einhorn hat mehr Testosteron.

Als kleiner Bub wäre ich auch gerne rosa auf Tour gegangen. WAR EIN NO-GO! Buben hatten braune Hosen zu tragen. Diese kratzten. Und wurden erst im Militär durch ein undefinierbares Grün ersetzt. Das Grün kratzte auch. Puppen waren für Knaben tabu. Mann hatte mit Eisenbahnen zu spielen und einem Fussball nachzurennen.
WAR BEIDES NICHTS FÜR MUTTERS ZARTEN BUBEN!
Der wünschte sich sehnlichst so ein wunderbares Bäbi, dem man Wasser einflössen konnte und das auf Fingerdruck «Pipi» machte. Entsprechend hiess die Barbie jener Zeit im Oberland «Pipi-Bäbi». Bei Barbie kann man heute lange drücken. Es kommt nichts.
Da war die damalige Puppenindustrie ihrer Zeit voraus.

Nun gibt’s in Adelboden im Herbst immer mal diesen grossen Markt, wo Kühe den Stall wechseln Und Oeschters Göpfi alle vier Jahre neue Hosenträger kauft.
An eben diesem «Märit» wurde früher auch ein Tombola-Stand aufgestellt. Die bunten Lösli wurden durch ein kleines Gummiband zusammengehalten. Und wenn sich beim Aufrollen eine Nummer zeigte, durfte man am Tombola-Tisch den Gewinn abholen.
DER HAUPTGEWINN WAR EINE PUPPE.
Sie muss spanische Vorfahren gehabt haben, denn sie trug das Kleid einer Flamenco-Tänzerin – so weit und rund wie diese Holzdeckel, mit denen man zu jener Zeit das Toilettenloch im Holzhüsli abgedeckt hat.

Stundenlang habe ich mir die schöne Puppe angeschaut. Ich investierte mein Sackgeld. Bettelte um Vorschuss für die nächsten drei Monate. Und setzte all meine Habe in die kleinen Lösli.
Von 23 hat ein einziges gewonnen. Doch Nummer 153 war ein Fussball. AUSGERECHNET!
Trübselig schlurfte ich mit dem Gewinn heim. Auf dem Weg hat mich Küenzis Anne-Käthi eingeholt: «Hast gewonnen?» Ich zeigte den Fussball. Und Anne-Käthis Augen glühten.

Zehn Minuten später hatte sie meinen Fussball. Und ich Anne-Käthis Puppe.
Nun gut – sie war keine spanische Schönheit. Sie trug auch keinen weiten Flamenco-Rock sondern gestrickte Strümpfe. Aber «Bäbi», wie ich meine damalige Barbie nannte, zeigte ein bezauberndes Lächeln und hatte zwei blaue Glasaugen, die es in Steillage schliessen konnte. Das linke war allerdings leicht schräg. Aber das war ein rosa Bub mit Puppe ja auch.

Bäbi hockt heute auf meinem Bücherschaft. Als Glücksbringerin habe ich sie durch alle Wohnungen gezügelt. Mittlerweile hat sie ihr linkes Auge verloren. Die Wollstrümpfe wurden ein Fressen für die Motten – und der rechte Arm das Opfer eines übermütigen Dackels.
Barbie hingegen ist seit ihrer Geburt rosig und makellos – sie wird immer so bleiben. Und Ken als sexuelles Rätsel auch noch ins übernächste Jahrhundert mitschleppen.

Bäbi jedoch ist mit den Jahrzehnten alt geworden. Ein Wrack. Wie der rosige Bub von damals auch.
Das Leben hat uns den Glanz und das Rosige genommen – aber wir lächeln beide tapfer weiter.

- MINU

MINU@MINUBASEL.CH

UNTERLÄNDER IM OBERLAND - Barbie und Bäbi

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