Kurze Liste, viele Themen
06.06.2023 KanderstegNur drei Traktanden waren für die Gemeindeversammlung vom vergangenen Freitag vorgesehen. Vor allem die «Informationen des Gemeinderats» boten jedoch einige Neuigkeiten – und auch ein unschönes Kapitel, das im Saal für Stille sorgte.
MARK POLLMEIER
Mit Gemeindeversammlungen ist es ein bisschen wie mit dem Fernsehprogramm: Je nachdem, was geboten wird, ist die «Einschaltquote» höher oder tiefer. Vielleicht lag es also an der sehr kurzen Traktandenliste, dass am vergangenen Freitagabend vergleichsweise wenige KanderstegerInnen die Gemeindeversammlung besuchten. Auch der kräftige Platzregen, der kurz vor 20 Uhr über dem Dorf niederging, mag den einen oder anderen abgehalten haben, sich noch einmal aus dem Haus zu wagen.
Verglichen mit vielen anderen Gemeinden ist die Beteiligung in Kandersteg jedoch immer noch sehr gut. Immerhin 79 BürgerInner fanden sich im Gemeindesaal ein, was 9 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. Anwesend waren auch Vertreter der jüngeren Generationen und einige neu Zugezogene. Sie alle wurden mit einer Gratisfahrkarte (einfache Fahrt) für die Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee «belohnt». Die Gemeinde hatte als Aktionärin der Bahn ein gewisses Kontingent solcher Billets erhalten und gab diese nun an die BürgerInnen weiter.
NachfolgerIn gesucht, Nachfolger gefunden
Natürlich wurden die Anwesenden auch mit verschiedenen Informationen aus Politik und Dorfleben versorgt. Um einmal hinten anzufangen: Gemeindepräsidentin Barbara Jost kündigte ihren Rückzug aus der Gemeindepolitik an. Auch wenn man es ihr nicht ansehe: Sie sei nun 20 Jahre in der Gemeindepolitik aktiv, scherzte Jost, und irgendwann sollte doch einmal Schluss ein. «Im November werde ich also die letzte Gemeindeversammlung leiten.» Die Ersatzwahl werde im Spätsommer publiziert werden, «und wir hoffen natürlich auf mindestens einen Wahlvorschlag.»
Während Barbara Josts Verabschiedung noch bevorsteht, hat einer sie nun schon hinter sich. Seit Anfang 2015 war Ruedi Allenbach Mitglied der Schulkommission. Die Gemeinde dankte ihm für sein Engagement, insbesondere auch für sein «Steckenpferd», die Schülerskirennen. Allenbachs Nachfolger in der Schulkommission wird Mario Hari.
Die Kita kommt – aber es kann noch dauern
Eine Umfrage in Kandersteg hatte ergeben, dass der Bedarf für eine Kindertagesstätte vorhanden ist, die Abklärungen für die Einrichtung einer solchen Betreuungsmöglichkeit sind im Gang. Vreni Packmor berichtete über den Stand der Dinge. Man habe ein fachlich qualifiziertes Ehepaar gefunden, das mithelfe, das Projekt voranzutreiben, so die Gemeinderätin. Ansonsten herrsche jedoch mehr oder weniger Stillstand, und dies aus zwei Gründen.
Erstens fehlten noch geeignete Räumlichkeiten, das Angebot im Dorf sei überschaubar. «Wir prüfen derzeit, ob wir eventuell im Schulhaus Platz finden», so Packmor. Allerdings gelte es, die Vorgaben des Kantons zu beachten, insofern könnte das Vorhaben nicht einfach so umgesetzt werden.
Die zweite Hürde sei das Personal. Für die angestrebte Kita-Grösse brauche es zwei pädagogische Fachpersonen, und wie man ja überall lesen und hören könne, sei der Arbeitsmarkt derzeit quasi ausgetrocknet. Aber der Bedarf sei erkannt und man arbeite an einer Lösung.
Für ein solches Projekte lohne es sich, nichts zu überstürzen, sondern die relevanten Fragen in Ruhe zu klären. «In der Ruhe liegt die Kraft», befand Vreni Packmor. «Wir werden eine Kita haben, aber ein konkretes Datum kann ich heute noch nicht nennen.»
Ein Versammlungsteilnehmer bekräftige später den Wunsch mancher Eltern nach einer Betreuungsmöglichkeit für kleinere Kinder. Er wolle nicht «stürmen», aber zu bedenken geben, dass in manchen Familien beide Elternteile arbeiten müssten, um über die Runden zu kommen. Gerade für sie sei ein solches Angebot wichtig.
Gültigkeit der Planungszone soll verlängert werden
Gemeinderätin Franziska Ryter informierte über die Planungszone «Spitzer Stein». Mit Verfügung vom 2. Februar 2023 hatte das Amt die eingegangenen Einsprachen gegen die Planungszone als öffentlich-rechtlich unbegründet abgewiesen. Wo es geeignet erschien, wurden Rechtsverwahrungen vorgemerkt. Weil gegen die Genehmigungsverfügung des AGR keine Beschwerden eingingen, gilt das Erlassverfahren somit als abgeschlossen.
Im Dezember 2023 ist es schon zwei Jahre her, dass der Gemeinderat die Planungszone erlassen hat. Ohne entsprechende Verlängerung würde sie zum Jahresbeginn 2024 ausser Kraft gesetzt. Damit das nicht geschieht, wird der Gemeinderat von seinem Recht auf Verlängerung Gebrauch machen. Eine solche Verlängerung ist nur einmal und um maximal drei Jahre möglich (insgesamt fünf Jahre). Eine Aufhebung der Planungszone sei dagegen jederzeit möglich, so Ryter, etwa nach einem grösseren Ereignis oder nach neuen Erkenntnissen zur Gefahrensituation, zum Beispiel einer Verbesserung.
Infoveranstaltung zum «Spitzen Stein» künftig erst im Frühling
Die Gefahrensituation werde regelmässig auf ihre Richtigkeit überprüft und wo nötig angepasst, so Ryter. Die letztjährige Überprüfung habe nur geringfügige Anpassungen ergeben, die auf den Gefahrenperimeter keine Auswirkungen hätten.
Damit alle Stellen ihre Berichte und Einschätzungen aus der Überprüfung erarbeiten können, werde die Infoveranstaltung künftig jeweils erst im Frühling stattfinden, informierte Ryter. Das habe unter anderem den Vorteil, dass die Erfahrungen aus der warmen Jahreszeit in die Berichte mit einfliessen könnten.
So viele Schulden haben die Kandersteger
Kandersteg ist noch immer hoch verschuldet. In seinen Erläuterungen zur Jahresrechnung zeigte Finanzgemeinderat Heinz Steiner eine Grafik, welche die Nettoschuld pro EinwohnerIn seit 2013 abbildete. Den höchsten Punkt der Kurve bildete das Jahr 2019: Mit 4077 Franken stand jeder Einwohner des Dorfs damals in der Kreide. Die gute Nachricht: Seit dem Jahr 2020 hat sich die Situation deutlich verbessert. Aktuell sind die KanderstegerInnen nur noch mit 2839 Franken pro Kopf verschuldet. Die schlechte Nachricht: Diese Zahl ist im Vergleich immer noch hoch. In den finanzpolitischen Leitlinien des Kantons Bern gilt eine Verschuldung ab 2000 Franken pro Kopf als hoch. Immerhin: Das zurückliegende Jahr hat dazu beigetragen, die Nettoschulden weiter abzubauen: sie konnten um rund 850 000 auf 3,75 Millionen Franken reduziert werden.
Der Gesamthaushalt der Gemeinde schliesst mit einem Ertragsüberschuss von rund 157 000 ab. Im vorsichtig kalkulierten Budget hatte noch das Gegenteil gestanden, nämlich ein Aufwandüberschuss von 160 000 Franken. Die Besserstellung gegenüber dieser Prognose beträgt somit rund 317 000 Franken. Zum guten Ergebnis beigetragen haben unter anderem die Steuereinnahmen, die um 582 000 Franken höher ausgefallen sind als budgetiert.
Die Bilanzsumme der Gemeinde beträgt rund 14,5 Millionen Franken. Die Nettoinvestitionen von knapp 617 000 Franken konnten zu 100 Prozent aus eigenen Mitteln finanziert werden. 500 000 Franken wurden in die Spezialfinanzierung «Vorfinanzierung Infrastrukturen» eingelegt.
Die Versammlung genehmigte die Jahresrechnung samt dem Nachkredit für die beschriebene Einlage von 50 000 Franken ohne Gegenstimmen.