Dies ist der letzte Text aus einer Reihe, in welchen die Gedenktafeln an der Kirche Frutigen betrachtet und ihre historischen Hintergründe beleuchtet werden. In diesem dritten Beitrag steht die Tafel im Mittelpunkt, die an Karl Wilhelm Hochstetter erinnert. Der Arzt und Professor der ...
Dies ist der letzte Text aus einer Reihe, in welchen die Gedenktafeln an der Kirche Frutigen betrachtet und ihre historischen Hintergründe beleuchtet werden. In diesem dritten Beitrag steht die Tafel im Mittelpunkt, die an Karl Wilhelm Hochstetter erinnert. Der Arzt und Professor der Heilkunde verstarb 1811 während einer Forschungsreise auf tragische Weise in Frutigen und wurde hier bestattet.
HANS EGLI
Im November 1824 liessen die Freunde des jung verstorbenen Karl Wilhelm Hochstetter (1781–1811), der in Frutigen beigesetzt wurde, im Chor der Kirche eine Gedenktafel anbringen. Seit der Renovation 1974 befindet sie sich an der Aussenmauer rechts der Eingangstüre. Am 7. Juni 1825 erschien in der Zeitung «Der Schweizerfreund» ausserdem ein Rückblick auf das kurze Leben des Verstorbenen.
Was steht auf der Tafel?
Der Rückblick beginnt mit einer Übersetzung des lateinischen Textes der Tafel: «Karl Wilhelm Hochstetter, ein Württemberger, öffentlicher ordentlicher Professor der Arzneykunst in Bern, eine ausgezeichnete Zierde der Akademie, der am Ufer des adriatischen Meeres Seetiere untersuchend, mit dem Studium der vergleichenden Anatomie beschäftigt, das Krankheitsgift einer feuchten und ansteckenden Luft eingesogen hatte, und an diesem verborgenen Übel schmachtend, durch das Piemont zurückkehrend, nachdem er die Alpenpässe überschritten hatte, in Frutigen unter menschenfreundlicher Besorgung des bernischen Oberamtmanns am 18. Weinmonat 1811 in einem Alter von 29 Jahren starb. Freunde, denen er unvergesslich ist, setzten dem Teuren dieses Denkmal.»
Hochstetter durchlief einen Teil seiner Ausbildung an der Akademie in Bern – einer Vorgängerinstitution der 1834 gegründeten Universität. Anschliessend war er als Arzt in Heilbronn tätig und erhielt 1810 eine Professur für Heilkunde in Bern, nachdem er eine besser dotierte Stelle in Berlin abgelehnt hatte. Im Frühjahr 1811 wurde ihm eine Studienreise nach Wien und an die Adria bewilligt. Dort steckte er sich vermutlich mit Typhus an. Auf der Rückreise nach Bern brach er auf der Gemmi zusammen. Bewusstlos wurde er in die Wirtschaft beim Schwarenbach getragen. Am folgenden Tag ging es ihm besser, und er liess sich im Tragstuhl nach Kandersteg bringen. Dort übernachtete er nochmals, da die Zeit nicht mehr reichte, noch bei Tag mit einem Fuhrwerk nach Bern zu gelangen.
Gelähmt, röchelnd und ohne Bewusstsein
Der Zeitungsbericht schildert weiter: «Er schien wieder ziemlich munter, besorgte seine mitgebrachten Sammlungen, genoss etwas Suppe und begab sich, ohne den ihm angebotenen Wärter annehmen zu wollen, in sein Zimmer zur Ruhe. Hier fand ihn der Wirt des folgenden Morgens um zwei Uhr in seinen Kleidern auf dem Bett liegend, von einem Schlagfluss [= Schlaganfall] gelähmt, röchelnd und ohne Bewusstsein.
Dieser Vorfall wurde schleunigst nach Frutigen gemeldet, und der menschenfreundliche damalige Herr Oberamtmann Wurstemberger eilte sogleich selbst mit einem erfahrenen Arzte herbei. Alles Mögliche wurde zur Rettung des Sterbenden angewandt, aber vergebens. Er erlag auf dem Wege nach dem Schloss Tellenburg, wohin er in Betten wohl eingehüllt gebracht werden sollte.»
Beim erwähnten Oberamtmann handelt es sich um Johann Ludwig Wurstemberger, der später nach dem Dorfbrand von 1827 als Regierungskommissär die Hilfe für das versehrte Frutigen organisierte. Der beigezogene Arzt war nach einer Zeitungsnotiz («Gemeinnützige Nachrichten» vom 26. Oktober 1811) der Landarzt Johannes Schneider, später Ratsherr.
Drei Tage nach seinem Tod, am 21. Oktober 1811, wurde Karl Wilhelm Hochstetter in Frutigen beerdigt. Sein Grab befand sich unter der «jungen Linde».