Lebhafte Geschichte einer Poststelle
26.09.2025 Reichenbach, KientalKürzlich schloss die Poststelle ihre Türen. In der fast 200-jährigen Geschichte war sie in verschiedenen Häusern untergebracht – doch nirgends so lange wie an der Bahnhofstrasse 8.
Die Ursprünge der Postablage in Reichenbach liegen im ...
Kürzlich schloss die Poststelle ihre Türen. In der fast 200-jährigen Geschichte war sie in verschiedenen Häusern untergebracht – doch nirgends so lange wie an der Bahnhofstrasse 8.
Die Ursprünge der Postablage in Reichenbach liegen im Dunkeln. Im Inventar des Post-Commissions-Protokolls von 1788 ist ein Herr Rubin erwähnt, der eine Ablage geführt haben soll. 1832, nachdem der Staat Bern das Postmonopol übernommen hatte, stellte sich heraus, dass der of!ziell geführte Ablagehalter Samuel Jaggi bereits in Konkurs gegangen war. Der Postkutscher entlud die Sendungen deshalb schon länger in der Ablage im «Bären» Mülenen.
Offiziell wurde die Ablage in Reichenbach 1833 geschlossen – mit dem Hinweis, Mülenen sei ja nur «eine kleine Viertelstunde» entfernt. 13 Jahre später erhielt Reichenbach wieder eine Postablage. Sie befand sich im Trummer-Haus (heute Dorfstrasse 26). Der Ablagehalter Christian Eicher erhielt jährlich 52 Livres. Der Mülener Postläufer Johannes Lengacher verteilte die Briefe täglich im Dorf Reichenbach sowie dreimal wöchentlich in Kien, an Aris, Schwandi, Faltschen, Scharnachtal und bis ins Dörfli Kiental.
Nach Eichers Tod übernahm Gottlieb Eicher – vermutlich sein Sohn – die Ablage. Sein Gehalt betrug jährlich 80 Franken. Ob das 1871 eröffnete Telegrafenbüro im gleichen Gebäude untergebracht war und ob Eicher deswegen höher besoldet wurde, ist nicht überliefert.
Im Kreis gezügelt
1874 kam es zu mehreren Veränderungen. Nach Eichers Tod übernahm Witwe Elise Bachmann die Ablage, die ins Restaurant Kreuz (heute Dorfstrasse 20) verlegt wurde. Ihr Gehalt lag bei 864 Franken – deutlich mehr als das ihres Vorgängers. Ihre Aufgaben waren umfangreicher: Sie musste die Post zweimal täglich im Dorf und einmal täglich in Kien, an Aris und in Reudlen zustellen. Der Postläuferdienst ins Kiental gehörte bis 1886 ebenfalls dazu. Nach knapp drei Jahren übernahm Friedrich Steiner. Das Büro zügelte an die Faltschenstrasse 2 (heute Lochbrunner Bestattungen). Wegen Defiziten in der Kasse wurde Steiner nach drei Jahren entlassen.
Johann Ogi folgte ihm nach und führte die Ablage im Haus der Familie Büschlen (wohl der Vorgängerbau der heutigen Dorfstrasse 31). Auch er nahm es mit der Buchhaltung nicht so genau und wurde 1885 wegen «Kassenungehörigkeiten» entlassen. Mit Gottlieb J. Trummer kehrte die Ablage zurück ins Trummer-Haus.
Briefträger: Entlastung oder Konkurrenz?
Bereits nach einem Jahr wurde Trummers Gehalt gekürzt, da erstmals eine Briefträgerstelle geschaffen wurde. Trummer musste die Post weiterhin zweimal täglich im Dorf und einmal täglich in Kien, an Aris, Schwandi und in Reudlen verteilen. Neu belieferte Johann Steiner als Briefträger die Haushalte in Engelberg, an Faltschen, Scharnachtal, in Rufenen und im Kiental. Sein Jahresgehalt betrug 480 Franken plus 24 Franken Sonntagsentschädigung.
Beständigkeit in den letzten 100 Jahren
1901 nahm die Spiez-Frutigen-Bahn den Betrieb auf. Die Post wurde nun nicht mehr mit der Kutsche geliefert, weshalb ein Botendienst zum Bahnhof nötig wurde. 1907, nach der Demission von Posthalter Trummer, stand sein Haus nicht mehr zur Verfügung. Um die Wege kurz zu halten, zog die Postablage für zwölf Jahre in die Bahnstation. Mit Walter Urech übernahm erstmals ein «Fremder» das Amt.
Nach seinem Tod 1919 führte seine Witwe Frieda Urech die Ablage im Chalet Monica (heute Bahnhofstrasse 6) weiter. Nach ihrer Pensionierung 1944 trat Sohn Walter Urech in ihre Fussstapfen. 1959 zog er mit seiner Familie ins neue Eigenheim nebenan (Bahnhofstrasse 8). Von 1977 bis 2008 leitete Richard Urech in dritter Generation die Poststelle am gleichen Standort.
Zwischen 2008 und 2019 wurde die Post von Filialleitenden geführt. Anschliessend trat die neue Teamorganisation in Kraft: Seither sind die Mitarbeitenden nicht mehr an einen einzigen Standort gebunden, sondern arbeiten in Filialübergreifenden Teams. Seit Kurzem können Kundinnen und Kunden nun ihre Postgeschäfte in der Filiale der Wolf AG Spiez beim Bahnhof erledigen.
KATHARINA WITTWER
Quellen: PTT-Archiv: Post-199 A0 003 Kommunikation Post AG