Lockruf der Reiseführer
03.10.2025 TourismusDas Tourismuseum Interlaken zeigt in seiner Wechselausstellung «Lockruf der Reiseführer» eine Auswahl der seltensten Schriften und Bücher aus der Geschichte der Reiseliteratur von 1687 bis in die Gegenwart. Die Ausstellung steht unter dem Patronat der Bank EKI ...
Das Tourismuseum Interlaken zeigt in seiner Wechselausstellung «Lockruf der Reiseführer» eine Auswahl der seltensten Schriften und Bücher aus der Geschichte der Reiseliteratur von 1687 bis in die Gegenwart. Die Ausstellung steht unter dem Patronat der Bank EKI Genossenschaft.
Die Mediathek des Tourismuseums birgt zahlreiche Reisebücher vom 17. bis ins 21. Jahrhundert. Vor einigen Jahren konnte das Haus die Bibliothek des ehemaligen Verkehrsverbands Berner Oberland übernehmen. Hermann Hartmann, der erste Direktor des Verbands, begann ab 1898, Schriften zur Geschichte und Entwicklung des Fremdenverkehrs im Berner Oberland zusammenzutragen. Heute umfasst der Bestand über 5000 Bücher, Schriften, Landkarten sowie Ansichts- und Postkarten. Eine Auswahl der seltensten Stücke präsentiert das Tourismusmuseum nun in der Wechselausstellung.
Reiseliteratur im Wandel der Zeit
Eine Schlüsselrolle in der frühen Entwicklung des Fremdenverkehrs spielten die Reiseführer. Schon früh entstanden Handbücher über Länder und Regionen. In der Zeit der Aufklärung veröffentlichten vor allem Naturforscher und Theologen erste Reisebeschreibungen.
Das älteste Buch in der Mediathek ist «Some Letters from Switzerland and Italy» aus dem Jahr 1687, verfasst vom späteren Bischof von Salisbury, Gilbert Burnet (1643–1715). Von 1705 bis 1710 lebte Abraham Stanyan (1669–1732) als Gesandter der britischen Monarchie in Bern. 1714 erschien in London seine Schrift «An Account of Switzerland».
Ebenfalls 1714 veröffentlichte der Zürcher Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer das Werk «Itinera per helvetiae alpinas regiones», in dem er seine Alpenreisen von 1702 bis 1711 beschreibt. Besonders kurios ist das fünfte Kapitel, das den Drachen gewidmet ist: Scheuchzer listet darin akribisch Zeugenaussagen von Menschen auf, die behaupteten, einem Drachen begegnet zu sein. Albrecht von Haller wiederum machte 1729 mit seinem Gedicht «Die Alpen» Furore. Angeregt durch eine Fusswanderung schrieb er ein 49-strophiges Loblied auf die Alpen, das weit über die Schweiz hinaus Beachtung fand.
Berichte über Kavaliersreisen
Zwei Phasen prägten die frühen Reisen in die Schweiz: die Zeit der Grand Tour im 17. und 18. Jahrhundert sowie die touristische Ära des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Grand Tour war anfangs eine Bildungsreise für junge englische Aristokraten, die ihre Studienkenntnisse mit eigenen Erfahrungen vor Ort vertiefen sollten. Zurückgekehrt, mussten sie dieselben Orte gesehen und über dieselben politischen wie religiösen Fragen reflektiert haben. Zum Ritual gehörte auch das Abfassen eines Reiseberichts.
Bald jedoch öffnete sich der Rahmen, und gebildete junge Menschen aus ganz Europa begaben sich auf Reisen. Wurde die Schweiz anfangs nur als mühsame Etappe auf dem Weg nach Italien durchquert, avancierte sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts selbst zum Reiseziel. Im 18. und 19. Jahrhundert schürten Schriften von Dichtern und Autoren die Reiselust, darunter Goethes Reiseberichte, Alexandre Dumas’ «Impressions de voyage Suisse» oder Mark Twains «A Tramp Abroad».
Reiseführer für Schnellreisende
Einen Meilenstein setzte der preussische Arzt Johann Gottfried Ebel mit seinem 1793 erschienenen Werk «Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweiz zu bereisen». Dieses Buch gilt als erster grosser Reiseführer für die Schweiz und beeinflusste das touristische Ansehen des Landes noch ein Jahrhundert nach seinem Erscheinen.
Mit der Erfindung der Eisenbahn und dem Aufschwung des Fremdenverkehrs Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Baedekers «Handbuch für Schnellreisende» und Murrays «Travellers Book» zu Klassikern. Sie enthielten präzise Informationen zu Verkehrsmitteln, Fahrzeiten, Unterkünften, Passformalitäten und Sehenswürdigkeiten und galten als eigentliche Geburtsstunde des modernen Reiseführers. Im 20. Jahrhundert kamen zunehmend spezialisierte Reiseführer auf den Markt: für Kurgäste, Automobilisten, Radfahrer, Bergsteiger, Wanderer oder Skifahrer. Auch Kriminalromane, die in bestimmten Regionen spielen, trugen dazu bei, Destinationen populär zu machen. Heute, im 21. Jahrhundert, werden gedruckte Reiseführer mehr und mehr von digitalen Anwendungen verdrängt. Reisende klicken sich die Informationen bequem aufs Smartphone – Vorbereitung, Hintergrundwissen und kulturelle Orientierung bleiben dabei oft auf der Strecke.
Landkarten weisen den Weg
Reiseführer enthielten von Beginn an Karten und Pläne. Die Entwicklung des Kartenmaterials verlief nahezu parallel zur Reiseliteratur. Mit der Erfindung der Kupferstichtechnik um 1420 und der Buchdruckkunst durch Johannes Gutenberg um 1450 konnten Bücher und präzise Karten in grösserer Zahl hergestellt werden. Bereits im 16. Jahrhundert entstanden in der Schweiz bedeutende Kartenwerke. Eine Besonderheit war die 1690 publizierte «Nova ditionis Bernensis tabula geographica ursi effigie delineata», die das bernische Staatsgebiet in der Gestalt eines Bären zeigte – ein barockes Spiel mit Symbolik, das weniger der exakten Topografie als vielmehr dem Ausdruck bernischer Macht diente.
Von 1786 an erarbeiteten Johann Rudolf Meyer und Johann Heinrich Weiss den «Atlas Suisse», das erste auf graphischer Triangulation basierende Kartenwerk der gesamten Schweiz. Bis zur Publikation der Dufourkarte (1845–1865) galt es als genauestes flächendeckendes Kartenwerk des Landes.
RED
Öffnungszeiten der Wechselausstellung im Tourismuseum
• bis 23. November jeweils Mittwoch bis Sonntag, 14–17 Uhr
• ab 30. November bis Februar 2026 jeweils sonntags, 14–17 Uhr (Feiertage geschlossen)
Weitere Infos: www.tourismuseum.ch