«Man muss anpacken können»
16.08.2022 PorträtNicht jede(r) macht sich gern die Hände schmutzig. Für die frisch ausgebildeten Kaminfegerinnen Elena Wenger und Ramona Grimm ist dies aber fester Bestandteil des Berufsalltags.
PETER ROTHACHER
«Sie kommen sauber zur Arbeit und gehen auch sauber wieder nach Hause», erklärt Geschäftsführer Björn Hauert. Er meint damit Elena Wenger und Ramona Grimm, die kürzlich beide ihre Ausbildung zur Kaminfegerin EFZ mit der Gesamtnote 5,3 bestanden haben. «Das Duschen vor der Heimkehr gehört bei uns zur Arbeitszeit.» Die Kaminfegerarbeit ist heute zwar nicht mehr so russbeladen, wie sie etwa im Film «Die schwarzen Brüder» von Xavier Koller und Urs Egger dargestellt wird – Spuren von Staub und Russ hinterlässt sie aber weiterhin.
Die beiden Lehrabgängerinnen präsentieren sich dementsprechend in schwarzer Arbeitsmontur. Staubmaske, Schutzbrille, Gehörschutz, Knieschutz und festes Schuhwerk gehören zur persönlichen Ausrüstung. «Die beiden Frauen waren Lehrtöchter, wie man sie sich wünscht; sie arbeiten sehr sorgfältig, lachen viel, sind beliebt im Team sowie bei der Kundschaft und bleiben mir weiterhin im Betrieb erhalten», freut sich der Chef. Die Kaminfeger Hauert GmbH beschäftigt in Spiez und Uetendorf insgesamt 15 Mitarbeitende.
Die Prüfung als Stresstest
«Nach der dreijährigen Lehre erfolgte die praktische Prüfung während zweier Tage in einem fremden Betrieb», schildert Elena Wenger aus Aeschiried. Die Anspannung sei enorm gewesen, und sie habe dabei ein eher schlechtes Gefühl gehabt. «Zwei Experten begutachteten kommentarlos meine Arbeit an den verschiedenen Heizungssystemen. Ich wusste auch nicht, wie ich bei den am Vortag geleisteten Emissionsmessungen abgeschnitten hatte.»
Ähnlich ist es Ramona Grimm aus Burgistein ergangen: «Nach der schulischen Prüfung war ich bereits bei den Emissionsmessungen schrecklich nervös. An den zwei Tagen im Betrieb gings dann gedanklich ins Ungewisse – ich hatte keine Ahnung, wo ich leistungsmässig stehe.» Die 19-Jährige hatte ihre Lehre in der Firma Thomann in Uetendorf begonnen, die seit Sommer 2021 von Björn Hauert geführt wird.
«Wir haben die Prüfung vorgängig simuliert», sagt Kaminfegermeister Hauert. Er ist selbst Prüfungsexperte und war Gewerbeschullehrer. Die Frauen seien in diesem Beruf zwar noch klar in der Minderheit, er beschäftige inzwischen aber schon vier. Insgesamt war er bisher in Spiez und Uetendorf für neun Auszubildende verantwortlich.
Das Arbeitsspektrum ist breit
Auch wenn der Beruf dank moderner Technik nicht mehr ganz so anstrengend ist, ohne körperliche Fitness gehts laut Elena Wenger nicht: «Eine gewisse Kraft ist Voraussetzung, und man muss anpacken können.» Diese bringt sie nicht zuletzt dank ihrer Hobbys – Geräteturnen und Klettern – mit. Am Beruf gefällt ihr die Abwechslung, die durch die sehr unterschiedlichen Heizsysteme entsteht – und die Arbeit mit den Leuten. «Das erfordert Anpassungsfähigkeit: Städter und Landbevölkerung – das sind verschiedene Welten.»
Ramona Grimm hat sich in der Freizeit dem 300-Meter-Schiessen verschrieben, ausserdem bewegt sie sich gerne in der Natur. «Nebst der vielfältigen praktischen Arbeit gefällt mir die Beratung der Kundschaft in Sachen Brandschutz. Ich will mich weiterbilden, um später als Ausbildnerin Lernende betreuen zu können.
Auf die politischen Diskussionen bezüglich Klimawandel und Energiekrise angesprochen, meint Björn Hauert: «Je nach Situation und Lieferbarkeit machen derzeit verschiedene Heizsysteme Sinn. Es braucht alle. Aber beispielsweise auf 1000 Metern mit Strom zu heizen, ist Quatsch.»
Die Vielfalt der Systeme, aber auch der Einsatzsorte, mache die Arbeit einer Kaminfegerin so spannend: «Teamarbeit in der Oberland Energie AG, das Arbeiten in einer modernen weissen Privatwohnung oder das Instandhalten eines 200-jährigen Sitzofens – das Spektrum ist sehr breit.»
Glücksbringerinnen?
Grimm und Wenger machen unterschiedliche Erfahrungen, wenn sie ihren für Frauen eben doch etwas aussergewöhnlichen Beruf nennen. Nicht selten gebe es Reaktionen wie: «Was, Kaminfeger – gibts das noch?» Andererseits sei es natürlich schön, wenn sie manchmal als Glücksbringerinnen betitelt würden. «Mich hat einmal eine Frau gefragt, ob sie an einem Knopf meiner Montur drehen dürfe … sie durfte», erzählt Grimm.