«Manchmal wünschen wir uns, dass mehr an einem Strick gezogen wird»
23.04.2025 TourismusSeit dem letzten Interview mit dem «Frutigländer» und den grösseren Umstrukturierungen der Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg (TALK) AG sind einige Jahre vergangen. Ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem Geschäftsführer und Leiter Marketing, Dominique ...
Seit dem letzten Interview mit dem «Frutigländer» und den grösseren Umstrukturierungen der Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg (TALK) AG sind einige Jahre vergangen. Ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem Geschäftsführer und Leiter Marketing, Dominique Lüthy, zusammenzusetzen, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen und so zu erfahren, wohin die Reise zukünftig gehen soll.
ANJA SCHRANZ
«Frutigländer»: Herr Lüthy, wie erlebten Sie die letzten fünf Jahre seit der Reorganisation der TALK AG?
Dominique Lüthy: Es war sicher eine herausfordernde Zeit, die teilweise zu Beginn auch mit Unsicherheiten verbunden war, aber dank des grossen Herzbluts von uns und unseren Mitarbeitenden konnten wir sie meistern.
Heute ist unsere Organisation breiter aufgestellt als noch vor fünf Jahren. Der Verwaltungsrat bildet mit seinen 12 Mitgliedern alle wichtigten Anspruchsgruppen ab. Zudem haben wir die Geschäftsleitung verkleinert und auf den klassischen Tourismusdirektor haben wir aus unternehmerischen Gründen verzichtet.
Was hat sich damit verändert?
Die Akzeptanz durch die verschiedenen Stellen ist heute grösser, und die bereits gute Zusammenarbeit konnte zusätzlich intensiviert werden.
Welche Prioritäten haben Sie sich damals zu Beginn der Umstrukturierungen gesetzt?
Es war uns ein grosses Anliegen, dass wir die Mitarbeitenden nicht verlieren, die sich seit Jahren mit grossem Elan für die Sache der TALK AG eingesetzt haben. Zudem wollten wir uns nicht gross mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern möglichst rasch auf die Zukunft fokussieren und mit unseren Partnern zusammenkommen, um die gemeinsame Arbeit weiter zu verbessern und Lösungen für die verschiedenen Anliegen zu !nden. Grundsätzlich ist ja das Ziel von allen das Gleiche: Gäste holen und behalten.
Wie haben Sie das Vertrauen in «Talk» wieder gestärkt?
Früher war die Transparenz bezüglich der Verwendung der eingesetzten Geldmittel nicht optimal, weshalb wir die Partner in die Budgetplanung mit einbeziehen. Dadurch, dass wir den Verwaltungsrat mit Personen aus verschiedenen touristischen Unternehmen zusammensetzen konnten, sind die meisten wichtigen Branchen direkt vertreten, was das Vertrauen in die TALK AG sicher auch stärken konnte.
Apropos Vertrauen: Was wurde unternommen – und wird auch künftig gemacht –, damit dieses Vertrauen beibehalten werden kann?
Das operative Vertrauen war schon länger gut, was die jahrelange Zusammenarbeit bei den Events oder im Bereich Marketing beweist. Wir konnten aber das Vertrauen in die TALK AG als Gesamtorganisation stärken, indem wir den bestehenden Tourismusvereinen, welche unsere Hauptaktionäre stellen, wieder klare Aufgaben zuweisen konnten, was vorher nicht der Fall war.
So haben wir die Zusammenarbeit weiter verbessert. Ausserdem setzen wir uns für einen transparenten und konstruktiven Austausch untereinander ein.
Was wurde bislang denn konkret bereits erreicht, und wo haben Sie noch Potenzial?
Dadurch, dass ich sowohl die Rolle des Geschäftsleiters als auch des Leiters Marketing innehabe, konnten die strategischen Anliegen teilweise noch nicht so vorangetrieben werden, wie wir uns das zu Beginn gewünscht haben.
Grundsätzlich sind die Ressourcen im touristischen Bereich immer eher knapp bemessen, was sich natürlich auch auf die Weiterentwicklung auswirkt. In Bezug auf die Digitalisierung haben wir sicher auch noch Potenzial, so zum Beispiel im Bereich der Gästebegleitung, wo wir die vorhandenen digitalen Möglichkeiten noch nicht wirklich nutzen. Aber hier sollen in naher Zukunft deutliche Verbesserungen erreicht werden.
Was sind denn Ihre strategischen Schwerpunkte, die Sie in den nächsten Jahren angehen wollen?
Unsere Unternehmensvision baut auf vier Hauptaspekten auf: Echtheit, Nähe zum Gast, Herzlichkeit und 365-Tage-Tourismus.
Das Berner Oberland ist kein Disneyland und keine Jungfrau-Region, wir wollen es nicht als etwas Künstliches vermarkten, sondern mit all den schönen Besonderheiten, die unsere Region ausmachen. Ein grosses Thema ist auch die Vision des 365-Tage-Tourismus – neben Winter- und Sommersaison soll auch die Nebensaison attraktiv werden, sodass die Mitarbeitenden das ganze Jahr über angestellt werden können und sich der erweiterte Betrieb für die Unternehmen rentiert. Dies hilft auch gegen den Fachkräftemangel …
… der laut den Adelbodner Hoteliers noch immer die grössten Sorgen bereitet, zusammen mit dem Wunsch nach mehr Sommergästen – wie kann die TALK diesbezüglich konkret helfen?
Hier stehen wir zusätzlich vor der Herausforderung, dass unsere Region sehr unterschiedlich ausgeprägt ist; während in Kandersteg der Sommer längst wichtiger ist als der Winter, ist dies in Adelboden oder der Lenk nicht so. Wir sind mit dem Verkauf und den Hoteliers im Verkauf seit 2017 in den Märkten Thailand und Südkorea aktiv, die ihre Hauptferienzeiten dann haben, wenn wir uns in der Nebensaison be!nden.
Auch konnten wir die Auslastung in der Nebensaison in den letzten fünf Jahren nachweislich verbessern. Zudem machen wir keine Werbung für die bereits starken Zeiten, das wäre kaum sinnvoll – stattdessen erarbeiten wir weitere Angebote oder Events in den «toten» Monaten, damit diese grundsätzlich attraktiver werden.
Wenn man sich das so anhört, klingt es nach einem Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen – wie schaffen Sie es, allen gerecht zu werden?
Ich möchte hier nicht von Spannungsfeldern sprechen, denn das Ziel ist grundsätzlich dasselbe. Es ist aber nicht zu leugnen, dass die Ansprüche teilweise unterschiedlich sind und dies unsere Arbeit herausfordernd macht, aber auch extrem spannend! Wir bemühen uns zwar, aber es ist auch klar, dass wir nicht allen Ansprüchen zu jederzeit gerecht werden können.
Wir haben nun vor allem davon gesprochen, was die Anforderungen an Sie sind. Haben Sie denn auch Wünsche für Ihre Partner, welche Ihnen die Arbeit etwas leichter machen könnten?
Wir sind sehr zufrieden mit unserer Zusammenarbeit mit den Partnern und freuen uns, diese auch weiterhin intensiv zu pflegen. Manchmal wünschen wir uns aber, dass mehr an einem Strick gezogen werden würde, um das gemeinsame touristische Ziel zu erreichen. Dazu müssen auch Aktionen durchgezogen werden, die für einzelne Akteure vielleicht keinen unmittelbaren Nutzen zu haben scheinen, aber das grosse Ganze weiterbringen.
Zum Schluss noch ein Blick nach vorne: Was planen Sie für die touristische Zukunft, und welche Projekte haben Sie noch in der Pipeline?
Die Tourismusvereine der Orte haben gemeinsam mit uns Masterpläne für die Zukunft erarbeitet. Diese Masterpläne verdichten wir nun zu einer Destinationsstrategie.
Anhand dieser Strategie gehen wir dann in die konkrete Umsetzung – es gibt also noch etwas zu tun in den nächsten Jahren. Konkret kristallisieren sich aber bereits Punkte heraus, welche uns in der näheren Zukunft sicher beschäftigen werden; zum einen die Verkehrssituation im Tal, sei dies die Nutzung der Dorfstrasse in Adelboden, der teilweise hohe Suchverkehr in Kandersteg oder auch die bessere Anbindung der Lenk, um nur einige zu nennen. Weiter sind die sogenannten «Leuchtturmprojekte» von uns und unseren Partnern wichtig, da diese weit über unsere Region hinaus strahlen können und einen grossen Mehrwert für die Region bieten.
Welche Leuchtturmprojekte gibt es?
Eines davon ist zum Beispiel die Luftseilbahn, die Kandersteg und Elsigen verbinden soll, oder Kandersteg als UNESCO-Weltnaturerbe deutlich sichtbar zu machen. Und, wie bereits erwähnt, das vermehrte gemeinsame Weiterarbeiten als Gesamtregion.
Herr Lüthy, dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei den Projekten. Herzlichen Dank für das Gespräch.
WAS IST DIE TALK AG?
Der Kanton Bern hat sechs Tourismusregionen de!niert, die als Destinationsmanagementorganisationen (DMO) ihre Gebiete gemeinsam vermarkten. Daraus entstand die Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg AG.
Die TALK AG wurde 2018 gegründet und 2021 neu strukturiert. Der Verwaltungsrat besteht aus 12 Mitgliedern und setzt sich aus den wichtigsten touristischen Vertretungen der drei Täler zusammen. Das operative Team umfasst 37 Mitarbeitende und die Geschäftsstelle be!ndet sich am Bahnhof in Frutigen; dazu kommen die Tourist Center in Adelboden, Lenk, Kandersteg, Kiental und Frutigen.
Dominique Lüthy ist Geschäftsführer sowie Leiter Marketing und Verkauf der TALK AG. Den Vorsitz im Verwaltungsrat hat Lukas Eichenberger, Hotelier und Unternehmer aus Kandersteg. (red)