Mehr Information als Mitbestimmung

  06.06.2023 Kandergrund, Blausee, Mitholz

An der Gemeindeversammlung letzten Freitag gab es nicht viel zu entscheiden. Stattdessen wurden die Anwesenden exklusiv mit Neuigkeiten zum Thema Mitholz versorgt.

BIANCA HÜSING
Ohne das inzwischen schon standardmässige «Mitholz»-Traktandum hätte die Versammlung höchstens eine halbe Stunde gedauert. Bis auf die Jahresrechnung und zwei kleinere Infos im «Verschiedenen» stand nichts auf der Agenda. So stellte Gemeindepräsident Roman Lanz mit Blick auf die 18 Stimmberechtigten (inklusive Gemeinderat) schmunzelnd fest: «Die Zahl der Anwesenden zeugt von einer nicht so knackigen Traktandenliste. Vielleicht wären mehr gekommen, wenn die Rechnung negativ abgeschlossen hätte.»

Damit konnte Finanzverwalter Leander Inniger jedoch nicht dienen. Statt des budgetierten Defizits im Gesamthaushalt 2022 präsentierte er ein Plus in Höhe von rund 419 000 Franken. «Ich versuche jedes Mal, noch genauer und noch positiver zu budgetieren – und haue trotzdem daneben», kommentierte er die erfreuliche Abweichung. Vor allem die Erträge aus Einkommenssteuern lagen deutlich über den Erwartungen, was Inniger angesichts der überschaubaren Einwohnerzahl Kandergrunds «nicht ganz nachvollziehen» kann.

Solange die Überraschungen positiv sind, spielt das wohl auch keine grosse Rolle – und das sind sie tendenziell. Seit 2018 sind die Einkommenssteuererträge von rund 991 000 auf 1,174 Millionen Franken gestiegen, obwohl die Wohnbevölkerung in den letzten vier Jahren zwischen 815 und 813 nur leicht schwankte. Dass Kandergrund trotzdem Jahr für Jahr grössere Beträge aus dem Finanzausgleich erhält, stimmt Inniger zuversichtlich: «Das zeigt, dass es den anderen Gemeinden auch gut geht.»

Im Vorfeld der Räumung rauchen die Köpfe
Trotz erfreulicher Finanzen hat die Gemeinde eine grosse Bürde zu tragen: das ehemalige Munitionslager Mitholz. Das Thema beschäftigt viele BürgerInnen seit Jahren intensiv – ob emotional, organisatorisch oder auf Verwaltungsebene. Was im Hinblick auf die Räumung alles vorbereitet werden muss, machte Koordinatorin Gabriela Schmid deutlich. Sie präsentierte einen Auszug aus der beachtlichen Themenliste, mit der sich die neu gegründete Kommission Mitholz seit Dezember 2022 befasst. Nur ein Beispiel: die geplante Umfahrung. «An welchen Stellen hält künftig der Ortsbus, wo kehrt er um? Wie umfährt man die Galerie?», skizzierte Schmid die vielen Fragen, die sich im Hinblick auf die Verlegung der Ortsdurchfahrt stellen. Auch die Wasserversorgungsgenossenschaft Kandergrund (WAGEKA) hat alle Hände respektive Köpfe voll zu tun. Deren Präsident Roland Stoller erläuterte, mit welchen Massnahmen die WAGEKA, das VBS und das Astra die Wasser- und Löschwasserversorgung in Mitholz sicherstellen respektive erweitern wollen. Mehr Details sind zu erwarten, sobald das Projekt mitwirkungsreif ist.

Bauvorhaben sistiert, Bohrungen fortgesetzt
So gut wie abgeschlossen ist dagegen die Ortsplanungsrevision. Das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) habe versprochen, dass die Genehmigung im Juli 2023 eintreffen werde. Dafür war gemäss Roman Lanz allerdings etwas Druck nötig: «In den Behörden redet man nur über Kosten und Technik. Wir haben probiert, den Faktor Mensch in den Vordergrund zu rücken – und ich glaube, das ist uns gelungen.»

Mit dieser Strategie hatte Kandergrund auch auf politischer Ebene Erfolg, wie die Kehrtwende der nationalrätlichen Sicherheitskommission (SiK-N) zeigte. Nachdem sie die Debatte um den Räumungskredit zunächst sistieren wollte, stimmte sie ihm letztlich doch zu, genau wie der Nationalrat. Der Entscheid des Ständerats wird erst im Herbst erwartet. Bis dahin stoppt das VBS die Umsetzung baulicher Vorhaben, um nicht schon vor dem parlamentarischen Beschluss Fakten zu schaffen. Entsprechend wird auch der Terminplan erneuert werden müssen. Die Sondergrabungen und Schadstoffuntersuchungen werden unterdessen fortgesetzt, gleiches gilt für bereits vereinbarte Liegeschaftskäufe. Diese Handlungsrichtlinien des VBS sind zwar noch nicht offiziell publiziert, aber für die Information an der Gemeindeversammlung freigegeben worden. Insofern hielt das Traktandum «Mitholz» doch noch Neuigkeiten bereit – und die Versammlung endete erst nach 70 Minuten.


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