Mit Bedacht und Beharrlichkeit
16.01.2024 AdelbodenZehn Jahre lang prägte Markus Gempeler die Lokalpolitik am Fusse des Lohners. Der ehemalige Obmann bewegte in der Gemeinde einiges – und sorgte gleichzeitig für mehr Ruhe. Ein Rückblick voller Gegensätze.
JULIAN ZAHND
Wer mit Markus ...
Zehn Jahre lang prägte Markus Gempeler die Lokalpolitik am Fusse des Lohners. Der ehemalige Obmann bewegte in der Gemeinde einiges – und sorgte gleichzeitig für mehr Ruhe. Ein Rückblick voller Gegensätze.
JULIAN ZAHND
Wer mit Markus Gempeler ein Gespräch führt, muss unter Umständen mit Widersprüchen klarkommen. Das alte Jahr ist in den letzten Zügen. An einem seiner letzten Amtstage sitzt der scheidende Obmann im Gemeinderatszimmer und blinzelt in die Sonne, die sich soeben am Lohner vorbeigeschoben hat. Jede Frage nimmt er gelassen hin. Vor jeder Antwort lässt er sich Zeit. Und plötzlich verrät Markus Gempeler in gemächlichem Tempo: «Eigentlich, so vom Naturell her, bin ich ein ungeduldiger Mensch.»
So geht das noch weiter: Insgesamt zehn Gemeinderatsjahre, davon acht als Obmann, liegen hinter ihm. Dieses Engagement füllte die Agenda des Adelbodners, der während seiner gesamten Amtszeit auch zu 80 Prozent beim LWA als Leiter Vertrieb arbeitete. «Meine Freizeit widmete ich der Politik», sagt Gempeler einerseits. Und andererseits: «Eigentlich gehört die Politik gar nicht zu meinen Hobbys.»
Markus Gempeler rieb sich an solchen Gegensätzen nicht auf. Er hielt sie aus oder noch besser: Er nutzte sie. So kombinierte er seinen ausgeglichenen Auftritt mit einer gehörigen Portion Hartnäckigkeit, um auch langfristige Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. So war Gempeler eine der treibenden Kräfte hinter der Idee, die Zusammenarbeit der kommunalen Bauabteilungen zu verstärken. Die Regionale Bauverwaltung steht nun kurz vor ihrer Einführung. Auch die Neustrukturierung der TALK AG prägte er entscheidend mit.
Der abtretende Obmann politisierte somit bedächtig und zugleich beharrlich. Die letzten Jahre haben ihn gelehrt, dass es manchmal kontraproduktiv ist, Dinge zu überstürzen. Adelboden ist eine politisch lebhafte Gemeinde, in der öffentlichkeitsrelevante Themen in der Regel engagiert verhandelt werden. In einem solchen Umfeld ist politisches Gespür gefragt. Seine integrative Politik, sein umsichtiges Handeln, so hat man den Eindruck, brachte Ruhe und Stabilität ins Lohnerdorf, machte den Weg frei für konstruktive Politik.
Und wie sieht er das selbst? Ein Gespräch über langwierige Projekte, über Bauchlandungen und über sein ambivalentes Verhältnis zur SVP.
«Frutigländer»: Markus Gempeler, was unterscheidet «Adelboden 2024» von «Adelboden 2015»?
An der Dorfstrasse hat sich manches verändert. Wir haben ein neues Apart-Hotel, ein Revier-Hotel, einen neuen Dorfplatz und bald ein neues Bauwerk in der «Kurve». Es gibt auch unsichtbare Unterschiede: Die Gemeinde ist offener geworden und kommuniziert besser als früher. Vor Abstimmungen finden beispielsweise regelmässig Infoveranstaltungen für die Bevölkerung statt. Zudem organisierten wir regelmässig ein öffentliches Forum zu wichtigen Themen, an dem alle Interessierten willkommen waren. Auch mit dem Verein Stammgäste Adelboden, mit dem Handwerkerund Gewerbeverein sowie mit Verantwortungsträgern in der medizinischen Grundversorgung führten wir Jahresgespräche. All dies diente vor allem einem: herauszufinden, wo der Schuh drückt.
Sie haben in Ihrer Amtszeit einiges erreicht. Welches sind für Sie die wichtigsten realisierten Projekte?
Dazu gehört sicher der Landkauf im Schützenweidli. Dieser ermöglichte nicht nur den neuen Werkhof und den neuen Standort für die Feuerwehr. Im Zuge dieses Schrittes konnten wir auch das Trottoir sichern und die Basis für die Zufahrt ins Fuhrenweidli legen. Für mich ebenfalls bedeutend sind die neu ausgearbeiteten Finanzierungsmodelle für die Sportarena, fürs Schwimmbad und für den Weltcup. Solche Einrichtungen und Events sind für den Ort wichtig und brauchen eine langfristige Perspektive. Für eine Attraktivitätssteigerung in der Gemeinde und der Tourismusregion sorgte meines Erachtens auch die Finanzierung des öV für Einheimische und Gäste.
In Adelboden gibt es zahlreiche meinungsstarke Interessengruppen. Wie schafften Sie es, Ihre politischen Ideen durchzubringen?
Ich habe in meiner Zeit gelernt, dass es wichtig ist, unreife Geschäfte auch mal zurückzustellen und den richtigen Zeitpunkt für die Abstimmung abzuwarten. Wenn man dem Gemeinderat anmerkt, dass er uneinig ist, hat man in Adelboden keine Chance. Differenzen müssen intern ausdiskutiert werden, gehören aber nicht an die Öffentlichkeit. Grundsätzlich war es mir immer wichtig, möglichst alle Seiten anzuhören. Gleichzeitig bin ich der Ansicht: Alle KritikerInnen kann man nie abholen. Irgendjemandem pinkelst du mit deinem Entscheid immer ans Bein.
Im Jahr 2017 war es die Bevölkerung, die Ihnen via Urnenentscheid «ans Bein pinkelte»: Damals sollte die Gemeinde die Rückbaukosten vom LWA übernehmen, die während der Arbeiten auf dem Nevada-Areal angefallen waren. Die Mehrheit der BürgerInnen sagte dazu Nein. Ein Tritt ans Schienbein der Licht- und Wasserwerk AG?
Vielleicht spielte das eine Rolle. Wobei ich das nicht ganz verstehen kann.
Weshalb nicht?
Das LWA hat eine lange Geschichte und ist mit dem Lohnerdorf eng verbandelt. Viele Einheimische wandten sich in der Vergangenheit an das Unternehmen, beispielsweise, um an finanzielle Unterstützung zu kommen.
Dadurch gewann das Unternehmen an Macht.
Das ist richtig. Allerdings bin ich überzeugt, dass dies nie zum Nachteil der Bevölkerung war. Auch was die Stromtarife anbelangt, haben manche Einheimische noch heute das Gefühl, zu kurz zu kommen. Es ist jedoch so, dass TouristInnen und Zweitwohnungsbesitzende die teure Infrastruktur mitfinanzieren, was die AdelbodnerInnen spürbar entlastet.
Sie arbeiten ebenfalls für das LWA. War diese Doppelrolle für die Bevölkerung ein Thema?
Im Alltag spürte ich das nicht. Ich legte auch immer grossen Wert darauf, die beiden Rollen möglichst klar zu trennen, indem ich beispielsweise in den Ausstand trat, sobald das LWA von Entscheiden direkt betroffen war. Auch das LWA kannte meine Haltung und akzeptierte sie.
Schafften Sie es im Laufe der Zeit, das Image des LWA zu verbessern?
Das ist mir ehrlich gesagt weniger gut gelungen als erhofft. Insgesamt habe ich ohnehin das Gefühl, dem Unternehmen mit meinem politischen Mandat eher geschadet zu haben, da ich in der Gemeinde zeitlich teilweise doch recht eingespannt war. Umso dankbarer bin ich meinem Arbeitgeber, dass ich so flexibel agieren konnte.
Ebenfalls nicht gelungen ist es, das Projekt «Erlebnisbad» ins Trockene zu bringen. Die Investorin sprang unerwartet ab. Weshalb?
Bei der Aqua-Spa-Resorts AG (ASR), die mit Fonds der Credit Suisse arbeitete, gab es zuletzt Veränderungen bei den Besitzesverhältnissen. Ich nehme an, dass der Rückzug unter anderem damit zusammenhing.
Das Erlebnisbad dürfte damit Geschichte sein, richtig?
So schnell würde ich nicht aufgeben. Wir haben eine von der Bevölkerung genehmigte UeO. Das ist an sich eine gute Basis, damit sich die Gemeinde und der Verein «Für Adelboden» auf die Suche nach einem neuen Investor machen können. Sobald dieser gefunden ist, muss die Bevölkerung über den Baurechtsvertrag abstimmen.
Der Abstimmungstermin zu diesem letzten Thema wurde vom Gemeinderat ja mehrmals verschoben. Steht die Verzögerung in Zusammenhang mit dem finalen Entscheid des Investors?
Die Verzögerung der Abstimmung über den Baurechtsvertrag war sicher nicht förderlich. Jedoch kam die definitive Gültigkeit der UeO in derselben Woche wie die Absage von der ASR. Das Projekt kam also voran, wenn auch etwas langsamer als erwartet.
Sie plädieren also für einen dritten Anlauf, ein Bäderprojekt in Adelboden zu realisieren. Die ersten Ideen zum damaligen Alpenbad liegen bereits Jahrzehnte zurück. Ist der Zug nicht längst abgefahren, oder anders gefragt: Sind solche Bäder überhaupt noch zeitgemäss?
Die alten Griechen haben gebadet, die Römer haben gebadet – ich glaube nicht, dass das Baden jemals aus der Mode kommen wird.
Im Zusammenhang mit dem Alpenbad hätte einst auch die Enlastung der Dorfstrasse über die Zelgstrasse realisiert werden sollen. Auch dieses Projekt hat eine lange Geschichte. Ihre Einschätzung bei Amtsende?
Das Projekt liegt seit zwei Jahren beim Kanton zur Vorprüfung. Und auch wenn von dieser Seite grünes Licht kommt: Das wird eine harte Nuss.
Warum?
Von Anwohnerseite Zelgstrasse ist ziemliche Gegenwehr zu erwarten. Am Ende würde es wohl nicht ohne Enteignungen gehen. Realistischer schiene mir daher eine abgespeckte Variante des Projekts, beispielsweise ein Ampelsystem, das den Verkehr nur zu Spitzenzeiten über die Zelgstrasse leitet.
Kommen wir noch zum dritten Dauerbrenner in Adelboden: der ÖV-Anbindung Fuhrenweideli. Eine Prognose?
Das Projekt mit Kreisel im Fuhrenweidli liegt vor und ich gehe davon aus, dass Adelboden an der Herbst-Gemeindeversammlung 2024 darüber abstimmen kann – ein Muss für den Tourismusort Adelboden!
Zum Schluss noch eine Frage zu Ihrem politischen Profil: Ihr integrativer Stil würde eigentlich gut zum Format des Parteilosen passen. Sie sind aber Mitglied der SVP. Fühlen Sie sich in dieser Partei gut aufgehoben?
Ich finde, die Partei politisiert manchmal genau richtig und manchmal liegt sie fürchterlich daneben.
Sie traten erst kurz vor der Wahl in den Gemeinderat in die Partei ein. Warum?
Ich hatte eigentlich nie zum Ziel, einer Partei beizutreten. Doch bin ich der Ansicht, dass man als Gemeinderat Flagge zeigen sollte. Die Leute sollen wissen, wofür ihre Amtsträger einstehen. Und letztlich ist mir die SVP mit ihrer Politik halt doch am nächsten.
Werden Sie auch nach Ihrer Amtszeit Parteimitglied bleiben und wenn ja, in welcher Form werden Sie sich noch in die Politik einbringen?
Ja, ich werde Parteimitglied bleiben, einfach als ganz normaler Bürger ohne weitere politische Ämter.