Mit freiem Kopf im Berufsalltag
29.08.2023 GesundheitDas einstige Tabuthema «Mentale Gesundheit» ist präsenter denn je, vor allem in den jüngeren Altersgruppen. Im Spital Frutigen fand letzten Mittwoch ein Vortrag von Thomas Ihde, Chefarzt Psychiatrie bei der fmi AG, zum Thema «Psychische Gesundheit am ...
Das einstige Tabuthema «Mentale Gesundheit» ist präsenter denn je, vor allem in den jüngeren Altersgruppen. Im Spital Frutigen fand letzten Mittwoch ein Vortrag von Thomas Ihde, Chefarzt Psychiatrie bei der fmi AG, zum Thema «Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz» statt.
MARIA STEINMAYR
In einer Zeit, in der die Arbeit ständig zunimmt und damit auch die allgemeine Belastung, sollte man seinen Gesundheitszustand im Blick behalten – und zwar nicht bloss den physischen. Die Generation «Workaholic» existiert zwar nach wie vor, doch die Ansicht, dass mehr nicht immer besser ist, verbreitet sich seit einiger Zeit. Teilpensen und unbezahlter Urlaub sind zwecks Entlastung im Trend.
Die Frage, die sich in erster Linie stellt, ist allerdings jene der Prävention. Was kann getan werden, um einer längeren, womöglich unfreiwilligen Auszeit, möglichen Burn-Outs oder Depressionen vorzubeugen? Thomas Ihde, Chefarzt Psychiatrie, erläuterte letzte Woche in seinem Vortrag die möglichen Gründe für Überlastung und ging auf Präventionsmassnahmen ein.
Aufwendige Zufriedenheitsstudie
Die Gründe sind oft vielfältig und reichen vom bereits erwähnten «Workload», der zunehmenden Arbeitsbelastung also, bis zu fehlender Wertschätzung und mangelndem Respekt am Arbeitsplatz. Was die Forschung anbelangt, ist Kanada Vorreiter. Vor 30 Jahren lancierte man dort eine Studie, in der landesweit Firmen miteinander verglichen wurden, befragt wurden die Angestellten nach ihrer Zufriedenheit. Unter 13 verschiedenen Aspekten (siehe Diagramm) wurden über 400 Ergebnisse gesammelt. Dieselbe Befragung wurde anschliessend alle fünf Jahre wiederholt, damit man Veränderungen feststellen kann. Eine der Erkenntnisse: Der Alltag ist schnelllebiger geworden, somit ist auch unser Stresslevel gestiegen und die darauf zurückzuführenden Krankheiten haben zugenommen. Zur Entspannung am Feierabend sind Fernsehen oder Telefonieren nicht geeignet, da wir zur Verarbeitung der Daten weitere Energie benötigen, was uns zusätzlich erschöpft.
Eine Ode an den Müssiggang
Besser, so führte Thomas Ihde aus, wäre es, abends spazieren zu gehen oder auf einen Berg zu steigen, denn: die körperliche Erschöpfung helfe bei der mentalen Erholung. Es gehe darum, Platz zu schaffen und achtsam im Hier und Jetzt zu sein, ohne abgelenkt zu werden.
Wer sich auch tagsüber solch kleine Oasen der Erholung schaffe, sei abends entspannter. Man könne sich zum Beispiel unter der Dusche drei Minuten lang nur auf das Wasser und seine Temperatur anstatt auf den Arbeitstag und künftige Herausforderungen konzentrieren. Viele Menschen seien in dieser Optimierungsgesellschaft eingesperrt – ein weiterer Grund für die Erschöpfung. Solche und noch einige weitere Tipps wurden von Thomas Ihde erläutert – mit der Empfehlung, sie einfach mal auszuprobieren.
Das Stigma wird langsam aufgeweicht
In der kanadischen Zufriedenheitsstudie kam zudem heraus, dass es von zentraler Bedeutung ist, wie ein Unternehmen mit dem Thema an sich umgeht und wie den Angestellten im Falle von Überlastung geholfen werden kann. In vielen Betrieben wird das Thema nach wie vor tabuisiert, obwohl zahlreiche Menschen mindestens einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung leiden. Ein offener Umgang der Firma mit diesem Thema kann bereits für Entspannung sorgen.
Für die Zukunft besteht laut Thomas Ihde Hoffnung. Die Jugend heutzutage sei aufgeschlossen und weiche das Stigma psychische Erkrankung langsam auf, denn ihr falle das Ansprechen des Themas deutlich leichter.