SERIE, TEIL 5 Als Irene Wittwer 1994 nach Kanada auswanderte, war sie 28 Jahre jung. Heute ist die gebürtige Frutigländerin 57-jährig und führt mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb und einen Schlachthof.

PETER SCHIBLI
Der magische Moment liegt 38 Jahre zurück: 1985 heiratete Irene Wittwer ihren «Schulschatz» Eugen. Mit ihm zusammen suchte sie einen neuen Ort, an dem die beiden sich den Traum von einem eigenen Bauernhof erfüllen konnten. Sie fanden ihn an der kanadischen Westküste, weit weg vom Frutigland.
Irene und Eugen (59) haben zwei erwachsene Kinder, Yannick (35) und Belinda (32). Mit ihrem Schwager Manfred (54) und dessen Familie betreiben die Wittwers die «W Diamond Ranch» im Norden der Provinz British Columbia. Auch Irenes Schwiegereltern Alfred (81) und Ursula (78) sowie Schwägerin Marlies (44) und deren Familie sind am Betrieb beteiligt. Neben der Ranch führen sie eine Metzgerei, in der die eigenen Tiere verarbeitet werden. Auch für andere Farmer schlachten sie und verpacken das Fleisch für den Verkauf. Die Wittwers sind zudem verantwortlich für den Betrieb eines regionalen Schlachthofes.

«Mit meinen Kindern habe ich immer Schweizerdeutsch gesprochen», erinnert sich Irene Wittwer. «Auch wenn sie es manchmal nicht mochten, sind sie heute sehr dankbar, dass sie Schweizerdeutsch sprechen können.» Gefragt nach ihren Hobbys zählt sie Handarbeiten, Kochen, Backen und Puzzles auf.

Für den Kontakt mit den in der Schweiz verbliebenen Verwandten und Freunden nutzt sie das Internet. «Ich bin auf WhatsApp, Facebook, Instagram und mache Videochats.» Manchmal lese sie den «Frutigländer» online. «Die Schwiegereltern haben die Zeitung abonniert. Gelegentlich schaue ich mir via Internet auch eine Schweizer Sendung an, ‹SRF bi de Lüt›, ‹Hüttengeschichten› oder ‹Z'Alp›», erzählt Wittwer.

Auf die Frage, wie oft sie die Schweiz besucht, meint sie: «Ich versuche, alle zwei Jahre zu kommen – wenn nicht eine Pandemie dazwischenkommt. Kürzlich war ich bei meiner Mutter. Sie lebt in Scharnachtal. Ich habe noch zwei Brüder. Einer wohnt in Reichenbach, der andere in Meiringen.» Auch zu Freundinnen und Freunden in Frutigen pflegt Irene Wittwer den persönlichen Austausch.

Mit ihren ehemaligen KlassenkameradInnen hat sie dagegen nur wenig Kontakt. Wenn sie im Frutigland zu Besuch ist, trifft sie den einen oder anderen von ihnen. Besuch aus der Schweiz kommt auch ab und zu nach Kanada, heute aber nicht mehr so oft wie in den ersten Jahren.

Fünf Fragen an Irene Wittwer

«Frutigländer»: Wenn Sie Ihre alte und Ihre neue Heimat vergleichen: Was schätzen Sie am Frutigland?
Irene Wittwer: Die Niesenkette, die volkstümliche Kultur.

Was lieben Sie an Ihrer neuen Heimat, am aktuellen Wohnort?
Die grosse Weite und den Frieden zu haben. Die Möglichkeit, unsere Träume zu verwirklichen.

Sehen Sie die alte Heimat vielleicht auch kritisch?
Vieles in der Schweiz ist zu hektisch. Alles muss immer sofort erreichbar sein. Die Leute sind oft zu beschäftigt und haben keine Zeit für spontane Besuche.

Was vermissen Sie aus der Schweiz?
Brot und Alpkäse, den «blaue Chueche» und Rivella rot.

Können Sie sich vorstellen, eines Tages zurückzukehren, um wieder im Frutigland zu leben?
Ich kann es mir nicht vorstellen, in die Schweiz zurückzuziehen, aber für Familienangelegenheiten könnte man sich wieder eine Weile anpassen.

INTERVIEW: PETER SCHIBLI

«Mit meinen Kindern habe ich immer Schweizerdeutsch gesprochen»

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