«Mittlerweile schreiben wir schwarze Zahlen»
04.02.2025 FrutigenVor neun Monaten wurde der öffentliche Bereich des Tropenhauses geschlossen. Geschäftsführer Nicolas Buchmann erklärt, was seither passiert ist und wie die Konzentration auf die Fischzucht die Firma zum Erfolg führen soll.
HANS RUDOLF ...
Vor neun Monaten wurde der öffentliche Bereich des Tropenhauses geschlossen. Geschäftsführer Nicolas Buchmann erklärt, was seither passiert ist und wie die Konzentration auf die Fischzucht die Firma zum Erfolg führen soll.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Der Entscheid überraschte: Der Besucherteil des Tropenhauses – also das Gewächshaus, die Ausstellung und die Gastronomie – wurden im Mai 2024 endgültig dichtgemacht. Die Tiere zügelten in verschiedene Zoos, die tropischen Pflanzen gingen an Private und das Inventar an interessierte Firmen. «Innert weniger Stunden nach Bekanntwerden der Schliessung kamen die ersten Kaufanfragen für die Gastronomieausstattung», sagt Geschäftsführer Nicolas Buchmann. «Erfreulich war für mich, dass auch das Interesse an der Übernahme von Mitarbeitenden gross war.» Schliesslich habe Coop – dem Konzern gehört das Tropenhaus – der betroffenen Belegschaft neue Arbeitsplätze zu vergleichbaren Anstellungsbedingungen angeboten. Einige hätten innerhalb des Konzerns neue Funktionen übernommen und teils interne Ausbildungen angetreten, andere selbstständig neue Stellen gefunden. Aktuell sind von den ehemals über 70 ArbeitnehmerInnen noch 43 mit unterschiedlichen Anstellungsprozenten im Betrieb in Frutigen tätig.
Unrentabel – trotz positiver Entwicklungen
Der Entscheid des Detailhändlers, sich auf den wirtschaftlich zukunftsfähigen Bereich der Fischzucht und -verarbeitung zu konzentrieren, sei «hart für die Beteiligten gewesen, aber nachvollziehbar». Buchmann lobt die Unterstützung durch Gemeinde, Statthalteramt und Tourismusorganisation in dieser Zeit. Er bestätigt die Tatsache, dass seit Jahren jeweils Defizite von mehreren Millionen Franken durch die Besitzerin gedeckt wurden. «In den Jahren seit 2022 konnten die Verluste durch Veränderungen bei den Angeboten erfreulicherweise drastisch reduziert werden. Sowohl im Besucherbereich als auch in der Gastronomie zeigten sich positive Entwicklungen. Aber eine rentable Zukunft hat nur die Fischproduktion und mittlerweile schreiben wir schwarze Zahlen.» Er betont explizit, dass das Personal an den finanziellen Verbesserungen der letzten Jahre einen grossen Anteil gehabt habe. Nach hoch emotionalen und sehr anstrengenden Wochen im letzten Jahr sei die Schliessung der Erlebniswelt und der Gastronomie heute jedoch kein Thema mehr – man schaue vorwärts.
Was heisst das konkret? Der Ersatz von älteren Infrastrukturteilen erfolge wenn erforderlich laufend. Den Schwerpunkt lege man jetzt aber auf den Umbau und die Anpassungen und nicht auf eine bauliche Vergrösserung, erklärt Buchmann. Deshalb seien teils auch Projekte mit einer Baubewilligung wie neue Fischzuchtbecken oder die Überdachung von Aussenbecken zurückgestellt worden. Auch das sporadisch auftauchende Gerücht, dass Coop einen Supermarkt ans Tropenhaus anbauen wolle, entbehre jeglicher Grundlage. Katrin Schwarzenbach, Mediensprecherin Coop-Verkaufsregion Bern, sagt dazu kurz und knapp: «Coop hält am aktuellen Standort am Bälliz 2 in Frutigen fest. Ein Umzug in das Tropenhausgebäude ist nicht geplant.»
Beim Gewächshaus entsteht vorerst eine grüne Wiese
Eine anspruchsvolle und sichtbare Anpassung ist in den nächsten Monaten der Abbau des Gewächshauses. Dieses soll in seine Einzelteile zerlegt und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Da noch nicht alle Punkte geklärt sind und die Verhandlungen aktuell noch laufen, kann Nicolas Buchmann nicht mehr dazu sagen. Der energieintensive Glasbau ist ein Teil des gesamten komplexen Systems, deshalb ist die Trennung eine grosse Herausforderung. An seiner Stelle wird vorerst eine grüne Wiese entstehen. Das im Baurecht übernommene Land dient als «strategische Reserve», ein Teil der 9000 Quadratmeter Industriezone liegt nun vorerst brach.
Der ehemalige Eingangsbereich wird umgestaltet, es entsteht ein Selbstbedienungsshop mit hauseigenen Produkten. Die Verlegung von Büros und weiteren Räumen im Betriebsgebäude ist ebenfalls in Umsetzung – aus dem Tropenhaus ist wieder einmal eine Baustelle geworden. Die Parkplätze werden an das Autohaus von Känel vermietet, das einen Teil seiner heutigen Standplätze wegen des Ausbaus des Lötschbergtunnels verliert. Beim Autohaus dagegen wird von der BLS ein Installationsplatz erstellt.
Der Tunnelausbau als Risiko
Der Bahntunnel ist mit dem warmen Bergwasser zwar eine Energiequelle, kann aber während der Bauzeit auch zum Problem werden. Da auf der Baustelle mit Wasser aus der Kander gekühlt wird, kann dieses plötzlich in grösseren Mengen und deutlich wärmer als mit den heutigen 17 Grad aus dem Berg fliessen. In diesem Fall müsste es für die Zucht mit kaltem Wasser gemischt und auf die ideale Temperatur gesenkt werden. Dazu wird Überschuss aus dem Netz der Trinkwasserversorgung Frutigen und bei Bedarf Grundwasser aus bestehenden und neuen Brunnen genutzt.
Ausfälle im Zuchtbetrieb kann sich das Tropenhaus nicht leisten, denn der Absatz steigt kontinuierlich. Aktuell befinden sich rund 1,3 Millionen Egli und gegen 50'000 Störe in den Becken. Dank Letzteren können jeweils bis zu zweieinhalb Tonnen Kaviar pro Jahr auf den Markt gebracht werden.
Zusätzliche Zucht in Belp gepachtet
«Mehrere Zuchtanlagen in der Schweiz haben !nanzielle Probleme oder sind sogar Konkurs gegangen. In diesem schwierigen Umfeld – wir sind dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt – bauen wir stetig die Produktion aus.
Auch Kunden aus der Schweizer Spitzengastronomie, Starköche und beispielsweise die Fluggesellschaft Swiss setzen auf unsere Produkte, insbesondere auf den Kaviar», sagt Buchmann erfreut. Um den steigenden Bedarf der langfristigen Zucht decken zu können – Störe werden erst nach zehn Jahren geschlachtet –, wurde auf Anfang Jahr die Forellenzucht Giessenhof in Belp vollständig gepachtet. Dort werden neuerdings in den 28 Becken mit je 140 Kubikmetern Volumen junge Störe gezüchtet, die später nach Frutigen übersiedeln werden.
Neuer Name
Mit dem Gewächshaus werden bis Ende nächsten Jahres auch die letzten Symbole und Beschriftungen des Tropenhauses Frutigen verschwinden – respektive ändern. «Wir werden künftig unter einem neuen Namen auftreten», sagt Geschäftsführer Nicolas Buchmann. Dieser werde in Kürze kommuniziert.